Die Würgeschlange wurde von ihrem Besitzer in dessen Segeberger Wohnung zurückgelassen und erst nach sechs Wochen zufällig entdeckt.

Bad Segeberg. Als Anja Steffen über die Türschwelle der verlassenen Zweizimmerwohnung in Bad Segeberg trat, traute sie ihren Augen nicht: Auf der Fensterbank räkelte sich ein zwei Meter langer Teppichpython und versuchte, ein paar Sonnenstrahlen zu erhaschen. Die Polizisten, die die Leiterin der Tierstation in Bad Segeberg alarmiert hatten, gingen indes genauso auf Abstand wie die Vermieterin der Wohnung - das Einfangen der gefährlichen Würgeschlange überließen sie der Expertin. Nach einer Schrecksekunde schritt Anja Steffen mutig zur Tat und näherte sich der Schlange. "Ich hatte reichlich Respekt", sagt Anja Steffen. "Eine so große Schlange hatte ich noch nie einfangen müssen." Mit einem Metallstab drückte sie den Kopf des Tieres herunter, dann griff sie beherzt zu und verstaute die gefährliche Würgeschlange zur Erleichterung aller Anwesenden in einer Kiste.

Susanne lebte die ganze Zeit ohne Futter, Wasser und Wärme

Vom Vormieter war das Tier zusammen mit allerhand Unrat achtlos zurückgelassen worden. Erst die Vermieterin der Wohnung entdeckte die Schlange während einer Besichtigung mit potenziellen Nachmietern und alarmierte sofort die Polizei. Insgesamt sechs Wochen musste Susanne, wie sie inzwischen getauft wurde, ohne Wasser, Futter und vor allem ausreichend Wärme ausharren.

Gehalten worden war sie in einem viel zu kleinen Terrarium mit einer Glühlampe. Der Teppichpython benötigt Temperaturen um die 30 Grad; selbst mit der zusätzlichen Wärmequelle war es im Terrarium aber zu kalt, also wickelte sich Susanne kurzerhand um die heiße Glühlampe. Dabei verbrannte sie sich große Teile der empfindlichen Schlangenhaut. Als der Besitzer sie dann zurückließ und auch der Strom abgestellt wurde, wurde es noch kälter. In ihrer Not brach Susanne aus dem Terrarium aus; das viel zu dünne Plexiglas drückte sie einfach beiseite. Auf der Fensterbank versuchte sie, sich in der Sonne zu wärmen.

Als Anja Steffen die Würgeschlange fand, war diese bereits sehr geschwächt. "Sie war fast verendet und schon die ganze Zeit über nicht artgerecht gehalten worden", sagt Steffen. Nachdem sie die Schlange eingefangen hatte, musste die Leiterin des Tierheims im Gerümpel der zurückgelassenen Möbel noch nach weiteren Schlangen suchen; fündig wurde sie aber nicht.

Mittlerweile geht es Susanne wieder besser. Langsam erholt sie sich von den Qualen in der kleinen Mietwohnung. Im Bad Segeberger Tierheim konnte der Teppichpython allerdings nicht bleiben. - dazu fehlen der kleinen Station die Unterbringungsmöglichkeiten. Aufgenommen hat sie nun die Auffangstation für Wildtiere in Klein Offenseth-Sparrieshoop im Kreis Pinnberg. Dort kümmert sich Geschäftsführer Christian Erdmann persönlich um den Neuzugang.

Rund zwei Monate sind seit dem Fund der Schlange im September bereits vergangen. Erst jetzt informierte Christian Erdmann die Öffentlichkeit. "Wir wollten sicher sein, dass sie die Tortur überlebt, bevor wir die Geschichte von Susannes Rettung erzählen", sagt er. Besonders die Verbrennungen der grün, gelb und schwarz gemusterten Haut verheilen nur langsam. Um den Heilungsprozess zu unterstützen, badete Christian Erdmann den Teppichpython drei Wochen lang jeweils für eine halbe Stunde lang in einem großen Eimer mit warmem Wasser. Anschließend wurden die verbrannten Hautstellen mit einer Wundheilsalbe eingerieben. Inzwischen ist Susanne schon wieder kräftig genug, um lebende Mäuse und Ratten fressen zu können. "Jetzt, wo sie wieder bei Kräften ist, müssen wir aufpassen. Als Faustregel gilt: Wir brauchen einen Mann pro Meter Körperlänge", sagt Erdmann.

Dass die Schlange überlebte, ist eine kleine Sensation

Offen ist noch, wer die Kosten für die Pflege tragen wird. "Wir wollen möglichst nicht auf den Kosten sitzen bleiben", sagt Erdmann. Im Fall von Susanne sei die Summe überschaubar, allerdings müsse generell geklärt werden, ob die Behörden für die Kosten aufkommen. Dass Susanne die sechs Wochen in der kalten Wohnung überlebt hat, hält der Leiter der Tierauffangstation für eine kleine Sensation: Paradoxerweise habe die Kälte sogar geholfen. Durch die niedrigen Temperaturen habe der Körper die Stoffwechselfunktionen auf ein Minimum zurückgefahren. "Nur so konnte sie überleben", sagt Erdmann.