Nach Bekanntwerden von vertraulichen Unterlagen im weist Landrätin Vorwürfe zurück. “Als Kreisverwaltung haben wir nichts zu verbergen”.

Bad Segeberg. Wer hat Interesse daran, die Kreisverwaltung und Landrätin Jutta Hartwieg in der Öffentlichkeit schlecht aussehen zu lassen? Diese Frage beschäftigt die Kreispolitik in diesen Tagen. Vertrauliche Unterlagen über den Segeberger "Kellerkind"-Skandal sind an die Öffentlichkeit gelangt, die Landrätin steht in der Kritik, die Politiker misstrauen sich gegenseitig.

Wenn sich heute Abend der Hauptausschuss des Segeberger Kreistages um 18 Uhr zu seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung trifft, könnte sich ein wahrlich absurdes Szenario ergeben. Offiziell haben zwar nur Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sowie Teile der Verwaltung die unzensierte Version des Gutachtens zum Kinderschutzfall im Bussardweg erhalten. Landrätin Jutta Hartwieg weigert sich, allen Politikern Zugang zu gewähren. Sie beruft sich auf den Datenschutz und sieht sich durch die Neufassung der schleswig-holsteinischen Gemeinde-, Amts- und Kreisordnung geschützt. Danach dürfen vertrauliche Informationen nur an die Mitglieder des jeweiligen Ausschusses weitergegeben werden. Kreispolitiker, die nicht Mitglieder des Ausschusses sind, dürfen auch nicht mehr an Sitzungen teilnehmen, in denen vertrauliche Dinge behandelt werden.

Im Falle des 70-seitigen Gutachtens zum Kinderschutzfall am Bussardweg haben alle Maßnahmen der Geheimhaltung nichts gebracht: Durch die Veröffentlichung eigentlich streng geheimer Details in verschiedenen Medien (wir berichteten) weiß längst auch die breite Öffentlichkeit, was unter Verschluss hätte bleiben sollen.

Jutta Hartwieg sagte nun, sie sei "entsetzt" über die Indiskretion. Die laut gewordenen Vorwürfe von "Zensur" weist sie entschieden zurück. "Als Kreisverwaltung haben wir nichts zu verbergen. Wir müssen Menschen schützen, denen wir helfen wollen."

Seitens der SPD - die Landrätin ist ebenfalls Sozialdemokratin - wurde sofort die Vermutung geäußert, es könne sich um eine politische Kampagne gegen sie handeln. Denn die nächste Wahl zum Kreistag im Mai 2013 ist auch entscheidend für die 2014 stattfindende Landratswahl: Anders als 2008 erfolgt sie durch den Kreistag, sodass eine weitere Amtsperiode Hartwiegs direkt von den Mehrheitsverhältnissen abhängt. Aktuell stellt die CDU die meisten Kreistagsabgeordneten.

Pikant erscheint in diesem Zusammenhang, dass CDU-Fraktionsvorsitzender Claus-Peter Dieck formal erster stellvertretender Landrat ist. Keinesfalls verfügt er allerdings über dieselben Aktenkenntnisse wie Jutta Hartwieg, kennt nach eigener Aussage somit auch nicht das ungeschwärzte Gutachten. Dieck stellt jedoch klar, dass es ihm nur um die Sache ginge. "Ich habe kein Interesse daran, Frau Hartwieg oder dem Amt zu schaden. Aber wir müssen versuchen, Informationen vernünftig zu transportieren. Wenn im Gutachten steht, dass Einträge fehlen oder Besuchsvermerke, dann geht es nicht um die Familie."

Henning Wulf, Vorsitzender des Hauptausschusses, wird sich nun an das Innenministerium wenden, um die Vorgänge rechtlich prüfen zu lassen. Laut CDU soll der Hauptausschuss als Vorgesetzter der Landrätin die Schwärzung von Teilen des Gutachtens dienstrechtlich untersuchen.

Auch die FDP möchte klären lassen, ob in dem Gutachten zu viel geschwärzt wurde - wenn es sein muss, auch gerichtlich. "Entscheidend ist, ob die Landrätin Kenntnisse vorenthalten hat", sagt Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schnabel. Er fordert langfristig ein neues Konzept für den Umgang mit beratungsresistenten Familien, offene Kritik an der Landrätin aber will er nicht üben. Die FDP arbeite mit Jutta Hartwieg "ganz gut" zusammen. Schnabel kündigt die Nominierung eines eigenen Landrats-Kandidaten an.

Die Linken-Fraktion übt keine Kritik an der Landrätin. Sie habe keine eklatanten Fehler begangen, sagt Fraktionsvorsitzender Michael Kittler. Die Weitergabe von vertraulichen Unterlagen habe das Vertrauensverhältnis in der Kreispolitik im Allgemeinen nach innen und außen geschädigt.

Auch die Grünen halten sich mit Kritik an der Landrätin zurück. "Wir haben kein Interesse daran, die Spitze abzulösen, aber es müssen Konsequenzen folgen", sagt Fraktionsvorsitzender Arne Hansen.