Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Rettungsassistenten des KBA, der seine Kompetenzen überschritten haben soll.

Norderstedt. Es ist ein schmaler Grat: Wann dürfen Rettungsassistenten Medikamente verabreichen oder Spritzen setzen? Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Rettungsassistenten des Norderstedter KBA, der in mehreren Fällen möglicherweise seine Kompetenzen überschritten haben soll.

Gegen ihn liegt eine anonyme Anzeige vor. Aber bereits vorher hatte der KBA begonnen, die Einsatzprotokolle des 37 Jahre alten Rettungsassistenen zu sichten, weil er von einem weiteren Besatzungsmitglied des Rettungswagens beim Verabreichen von Medikamenten beobachtet worden war. Bis zum Abschluss der behördlichen Ermittlungen wurde er von seinen Diensten entbunden.

Ein Unfall irgendwo in Norderstedt: Die Mitarbeiter des KBA stellen fest, dass eine Person schwer verletzt ist, der Notarztwagen ist noch nicht am Unfallort eingetroffen. Sofort macht sich die Besatzung des Rettungswagens - ein Rettungssanitäter und der höher gestellte Rettungsassistent - an die Arbeit, um den Verletzten zu versorgen. Aber wie weit dürfen die Mitarbeiter des Rettungsdienstes gehen?

Das ist der Normalfall: Es wird alles vorbereitet, damit der Notarzt medizinisch eingreifen kann. Assistent und Sanitäter schätzen den Grad der Verletzung ein, machen einen Bodycheck, prüfen, ob der Verletzte ansprechbar ist. Jeder Handgriff sitzt, alle haben viel Erfahrung. Bevor ein Rettungssanitäter auf einem Rettungsfahrzeug mitfahren darf, muss er 200 Einsätze vorweisen können, der Assistent hat eine weitergehende Ausbildung abgeschlossen (siehe Info-Artikel) und trägt bei dem Einsatz die Verantwortung. Es kommt vor, dass zwei Assistenten im Einsatz sind, nie jedoch zwei Sanitäter alleine.

Für besonders schwere Fälle gibt es die Notfallkompetenz, die von der Bundesärztekammer vorgesehen ist, wenn der Patient oder Verletzte sofort lebenswichtige Maßnahmen benötigt. Der Rettungsassistent darf dann zum Beispiel Adrenalin einsetzen, um den Kreislauf zu stabilisieren, er darf intubieren - wenn ein "rechtfertigender Notstand" nach Paragraf 34 Strafgesetzbuch vorliegt. "Das ist ein Drahtseilakt für den Rettungsassistenten", sagt Sebastian Kubo, Abteilungsleiter Rettungsdienst beim KBA.

Nach seinen Angaben, die vom KBA-Geschäftsführer Michael Vollmer bestätigt werden, hatte der Aushilfsrettungsassistent, gegen den ermittelt wird, genügend Erfahrung - sogar mehr, als die meisten anderen Assistenten beim KBA. Denn er hat bei der Bundeswehr, für die er hauptberuflich als Rettungsassistent tätig ist, die höchst mögliche Qualifizierungsstufe erreicht: Er gehört zu einer Hubschrauberbesatzung. Für den KBA ist er seit einigen Jahren etwa zweimal im Monat nebenbei tätig. "Ein absolut zuverlässiger und qualifizierter Mann also", sagt KBA-Sprecher Florian Gottschalk.

Sollte er tatsächlich in mehreren Fällen gegen Vorschriften verstoßen haben, so wurde es schriftlich festgehalten. Gottschalk: "Bevor ein Patient im Krankenhaus eingeliefert wird, entsteht noch im Rettungswagen, spätestens aber im Krankenhaus, ein Protokoll in zweifacher Ausfertigung." Das Originalprotokoll erhält sofort der Arzt im Krankenhaus, der den Patienten zur weiteren Behandlung übernimmt, ein Durchschlag landet in der Abrechnungsabteilung des KBA, ein weiterer wird als Dokumentation abgeheftet und zehn Jahre aufbewahrt.

"In diesem Protokoll ist minutiös festgehalten, wie der Einsatz verlaufen ist und was dem Patienten oder Verletzten gegebenenfalls verabreicht wurde", sagt Michael Beitz, organisatorischer Leiter des KBA. "In diesem Falle hat die Staatsanwaltschaft die Einsatzprotokolle des betreffenden Rettungsassistenten zur Überprüfung erhalten. Ein Gutachter wertet sie aus."

Beim KBA wurden insgesamt zehn Protokolle gefunden. Ausgeschlossen ist jedoch nicht, dass in den Akten weitere Fälle gefunden werden können. Auch die Bundeswehr überprüft jetzt die Einsatzprotokolle des betreffenden Rettungsassistenten.

Wegen der Vielzahl der täglich eingehenden Notfallprotokolle werden nicht alle sofort überprüft. "Geprüft wird stichprobenartig", sagt KBA-Geschäftsführer Michael Vollmer. "Wir haben etwa 5000 Einsätze pro Jahr." Er geht davon aus, dass die anonyme Anzeige von einem Insider erstattet wurde. Es sei nicht bekannt, dass bei den Einsätzen des betreffenden Rettungsassistenten Menschen zu Schaden gekommen seien.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein bestätigt, dass die Gabe von Medikamenten durch Rettungsassistenten "grundsätzlich" unzulässig ist. "Im Notfall kann ein Verstoß gegen dieses Verbot als Notstandshandlung jedoch gerechtfertigt sein", sagt der stellvertretende Ministeriumssprecher, Frank Strutz-Pindor.

Der Gesetzgeber hat die Problematik erkannt und strebt eine Lösung an, um zu vermeiden, dass Rettungsassistenten bei ihren Einsätzen mit einem Bein im Gefängnis stehen. "Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Gesetzesänderung bereits beschlossen, die Zustimmung des Bundestages steht noch aus", sagt KBA-Sprecher Florian Gottschalk.

Mit dem neuen Gesetz wird auch das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen geregelt, sodass es mehr Rechtssicherheit für das Rettungspersonal gibt. Die Rettungsassistenten heißen künftig Notfallsanitäter. Der Bundestag beschäftigt sich in den nächsten Wochen mit dem Notfallsanitätergesetz.