In Bad Segeberg fand die erste offizielle Einbürgerungsfeier statt. Die neuen Staatsbürger kommen aus allen Teilen der Welt.

Bad Segeberg. 8721 Kilometer Luftlinie sind es vom Norderstedter Stadtteil Glashütte bis nach Andilamena in Madagaskar. Die Strecke kommt Therese Pützmann bekannt vor, viele Male hat sie die Entfernung zu ihrer östlich von Afrika im Indischen Ozean gelegenen Heimatstadt mit dem Flugzeug zurückgelegt. "Immer über Paris", sagt sie mit einem ansteckenden Lachen. Vor 17 Jahren, im September 1995, hat sie sich entschlossen zu bleiben. Seitdem lebt sie in Glashütte, Deutsche auf dem Papier aber war sie noch lange nicht.

Erst an diesem Vormittag in der Remise am Haus Segeberg ist es endlich soweit; um 10.35 Uhr ist der große Moment gekommen. Mit den Worten "Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte", legt sie vor Landrätin Jutta Hartwieg ihr Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ab. Mit ihr erhalten acht weitere Einbürgerungsbewerber die deutsche Staatsbürgerschaft in der 190 Jahre alten Remise. Fast alle Kontinente sind vertreten, lediglich zwei der Einbürgerungsbewerber mussten aus beruflichen Gründen absagen. Die Flaggen des Kreises Segeberg, Schleswig-Holsteins und Deutschlands sind neben der blauen der Europäischen Union gehisst. Bundespräsidenten Joachim Gauck schaut aus seinem Bilderrahmen staatsmännisch in Richtung seiner neuen Bürger. Auf einem schwarzen Flügel spielt Zaure Salykova, Klavierlehrerin der Kreismusikschule, im Anschluss an die Bekenntnisse die Nationalhymne.

Auch wenn der zögerliche Gesang eher an die deutsche Nationalmannschaft erinnert, so offiziell und feierlich ging es sonst nie zu bei der Einbürgerung von neuen Staatsbürgern. Im Kreis Segeberg ist es die erste Einbürgerungsfeier überhaupt. Bisher gab es stets ein unspektakuläres nüchternes Schnellverfahren in den Büroräumen der Kreisverwaltung. Diesmal schauen sogar einige Bürgermeister neugierig vorbei. Auch die Landrätin ist froh, dass endlich ein angemessener Rahmen gefunden wurde. "Deutschland braucht Zuwanderer", sagt sie. "Nicht nur zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern als Bereicherung des kulturellen Lebens." Schon lange hat es zuvor Bestrebungen gegeben, die Prozedur von ihrem Aschenputtel-Dasein zu erlösen, in anderen Landkreisen und auch in Hamburg werden die Einbürgerungen schon länger feierlich zelebriert.

Therese Pützmann hat sich lange überlegt, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen möchte. Schließlich musste sie dazu nicht nur einen Einbürgerungstest bestehen und ausreichende Deutschkenntnisse vorweisen, sondern unter anderem auch ihren madagassischen Pass abgeben. "Das fiel mir schwer, schließlich ist das meine Heimat. Ich bin dort groß geworden und erst als Erwachsene nach Deutschland gekommen. Madagaskar ist schon ein ziemlich schönes Land", sagt sie und schwelgt zusammen mit der gebürtigen Kölnerin Jutta Hartwieg in Erinnerungen an "das Land, in dem der Pfeffer wächst".

Aus der Brieffreundschaft wurde Liebe, Therese zog nach Glashütte

Dass sie sich doch für den vergleichsweise kühlen Norden entschieden hat, liegt an ihrem Mann. Friedhelm Pützmann schaltete im September 1994 eine Annonce in einer deutschen Zeitung. Am anderen Ende der Welt, in einem französischen Institut auf Madagaskar, wurde Therese Pützmann zufällig darauf aufmerksam. Aus der Brieffreundschaft wurde Liebe und nach vielen geflogenen Kilometern wurde aus Thereses Wohnort Andilamena schließlich Glashütte. "Mittlerweile bin ich hier heimisch", sagt die 49-Jährige, die statt eines traditionellen madagassischen Gerichts ausgerechnet Sauerkraut als Lieblingsspeise angibt. Den Einbürgerungstest musste sie zwar trotzdem bestehen, nun ist aber endlich Schluss mit der Bürokratie. "Ich bin unheimlich stolz und kann es noch gar nicht richtig fassen", sagt sie auch noch eine Stunde nach der Zeremonie.

Mindestens genauso stolz ist auch Izabela Maria Ditrich. Statt direkt zum Meldeamt zu gehen und den deutschen Personalausweis zu beantragen, will die gebürtige Brasilianerin erst einmal nach Hause nach Hartenholm fahren und mit ihrem Ehemann feiern. Ihre neu erworbene Urkunde wird die 28-Jährige gar an die Wohnzimmerwand hängen. Als jetzt auch offizielle Deutsche schätzt sie vor allem die erleichterten Reisebedingungen und die guten Ausbildungsaussichten im Land. "Auch wenn das Wetter manchmal traurig macht, ich fühle mich hier wohl", sagt sie. Wenn sie die deutsche Ruhe nicht mehr ertragen kann, dreht Izabela Maria Ditrich einfach die Stereoanlage auf.

Über die Weihnachtsfeiertage fliegt sie jedes Jahr nach Recife in den brasilianischen Sommer und besucht ihre Familie. "Das reicht, um Sonne zu tanken", sagt die 28-Jährige mit einem breiten Lachen.