Dane Dörfert und Alexander Peter fuhren im einem alten Opel Corsa 10.000 Kilometer nach Tadschikistan. Sie haben vor allem Geduld gelernt.

Norderstedt. Start in München, Stau vor Salzburg. Zwei Stunden verloren, doch das Warten war nur der leicht verkorkste Anfang eines Abenteuer-Trips, der zwei junge Männer ans Ende ihrer Kraft brachte. "Das muss ich nicht noch einmal haben", sagt Dane Dörfert. Der 25 Jahre alte Norderstedter ist mit seinem Sandkistenfreund Alexander Peter, 24, nach Tadschikistan gefahren, 10.000 Kilometer in einem Schrottauto, mit wenig Geld, auf Schotterpisten am Abgrund vorbei, für einen guten Zweck.

Genau diese Mixtur aus Abenteuer und Helfen hatte die beiden gelockt. Schon vorher wussten sie: Ein Wellness-Urlaub wird das nicht. "Doch dass es so schlimm werden könnte, habe ich nicht gedacht", sagt Dane Dörfert. Eine Extrem-Tour sei die Tajik-Rallye, die dem Körper alles abverlange, ständig an der Physis zehre. Dane, ohnehin sehr schlank, hat sieben Kilo abgenommen und sich zum Schluss noch einen Magen-Darm-Infekt eingefangen, unter dem er auch eine halbe Woche nach der Rückkehr noch leidet.

"Man lernt Geduld", sagt Dörfert. Immer wieder rauschte der Gemütszustand in den Keller, verspürte er unbändige Lust, alles hinzuschmeißen. Beispielsweise, als die beiden vier Tage in Baku festsaßen, weil die Fähre übers Kaspische Meer einfach nicht fahren wollte. Freund Alexander hatte weniger Probleme: "Mir macht das nicht so viel aus." Vielleicht liegt es an den Genen oder daran, dass er Russisch spricht und die Mentalität der Menschen in den ehemaligen Sowjetrepubliken besser kennt. Hochgefühl, als die beiden durch Armenien fahren, sich schroffe rote Felsen mit grünen Hügelkuppen abwechseln, Ziegen grasen, Natur pur.

Doch zurück zum Anfang: Schon in den Kasseler Bergen muckt der Motor des Uralt-Autos, leuchtet die Kontrollleuchte für das Kühlwasser. Das Fahrzeug, das die beiden nach Duschanbe bringen sollte, muss mindestens zehn Jahre alt sein. Nur dann können es die Fahrer problemlos in die ehemalige Sowjetrepublik einführen und für den guten Zweck versteigern.

Der Opel Corsa, Baujahr 1999, erfüllt die Auflagen locker. 170.000 Kilometer mit dem ersten Motor, da sind die nächsten 10.000 doch ein Kinderspiel. Der Schrauber, der den silberfarbenen Kleinen vor dem Start auf Herz und Nieren geprüft hatte, sah das anders. Schafft er nicht, sagten auch die anderen, die vom Trip wussten.

Sollten sie recht behalten? Ein Corsa-Routinier verrät den beiden Technik-Laien, dass die Kontrollleuchte eigentlich immer leuchtet. Da müsse man sich keine Gedanken machen. Machten sie auch nicht, und die Lampe warnte verzweifelt bis zum Schluss der langen Reise. In Zagreb entdeckt Alexander sein Reisegericht: Schaschlik. Mal am Spieß, mal einfach auf dem Teller verteilt, mal mit Salatblättern, mal mit Reis, mal mitten im Wüstenstaub an der Straße, selten im Hotel - der Student ernährte sich fast ausschließlich von gegrillten Hackröllchen. "Ich konnte den Namen schon nicht mehr hören", sagt sein Co-Pilot.

Kurz vor der serbischen Grenze bauen sie ihr Zelt auf irgendeinem Feld auf, wie so oft während der Vier-Wochen-Tour. Hinter der Grenze fällt der Auspuff ab, auch nicht das letzte Mal. Mitten auf der Autobahn. Die beiden versuchen zwei Stunden, ihn zu flicken, erfolglos. Sie röhren nach Belgrad, landen in einer eher abstoßenden Hochhaussiedlung, aber der Schrauber ist gut, schweißt den Auspuff für zwölf Euro. "Neu ist nicht, im Osten wird so lange geschweißt, bis es nicht mehr geht", sagt Peter.

Bosnien lassen sie schnell hinter sich, die Menschen waren unfreundlich. Sie fahren bis Montenegro durch, die Straße schrumpft zur engen Schotterpiste, eine Kurve reiht sich an die andere, die Dörfer verschwinden, sie fahren im Nichts - und wären beinahe im Abgrund gelandet, weil Alexander der Sekundenschlaf außer Gefecht gesetzt hatte. "Wir waren völlig fertig und froh, einen schönen Strand gefunden zu haben", sagt Dane.

Einen Tag Pause gönnt sich das Duo, wieder läuft der Motor heiß. Nach vier Tagen der erste Tiefpunkt: "Wir waren richtig verzweifelt", sagt Dane. Doch es war nur eine Sicherung, die dem Verschleiß zum Opfer gefallen war. Endlich Prizren, wo Alexander einen Bekannten hat. Drei Nächte genießen sie im Bett und fast noch mehr die warme Dusche. "Ich habe Camping schon immer gehasst, und das hat sich jetzt noch verstärkt", sagt Alexander. Zum Anziehen Rauskriechen aus dem warmen Schlafsack und dem engen Zelt in die Kälte, keine Dusche, keine Toilette, nur die Natur. "Das grenzte am Ende an Verwahrlosung", sagt der Student.

Dane lässt sich beim besten Friseur die Haare schneiden, der Drei-Millimeter-Aufsatz verpasst ihm einen Bundeswehr-Look und lässt ihn leiden. Prizren, Hauptstadt des Kosovo, entschädigt. "Hier herrscht Aufbruchstimmung, wird enorm gebaut. Man sieht viele Oberklasse-Autos mit deutschen oder schweizer Kennzeichen", sagt Alexander. Im griechischen Kavala beginnt die Gastfreundschaft, bis zum Ziel treffen die beiden immer wieder auf fremde Menschen, die sie einladen, zum Essen, zum Schlafen. In diesem Fall ein Paar um die 60, er Deutscher, sie Griechin. "Die Frau hat uns richtig bemuttert und wollte uns gar nicht wieder weglassen", sagt Alexander.

Der Sprung nach Asien, es regnet in der Türkei, der Tank ist leer. Einer der beiden Tankwarte schläft auf dem Fußboden. Die beiden entpuppen sich als freundliche Menschen, bekommen Norderstedt-Caps und posieren fürs Foto. Die Rallye-Piloten fahren und fahren, sie wollen ihr Zelt nicht auf die nassen Felder und Wiesen stellen. 34 Stunden dauert die längste Etappe, dann geht nichts mehr. Sie entscheiden sich für eine Nacht im Hotel, Wellness nach einer Woche. Für 15 Euro gibt es Frühstück, die beiden lassen warmes Wasser über die verschwitzten Körper laufen und fallen bis weit in den nächsten Morgen hinein in einen komaähnlichen Tiefschlaf.

Super entspannt steigen sie wieder in den Corsa, geben Gas und stehen an der Grenze zu Georgien im Stau. "Wir wollten uns an den wartenden Lkw vorbeimogeln, doch die Fahrer haben uns per Zeichensprache signalisiert, dass sie uns dann die Kehle durchschneiden werden. Da haben wir uns lieber wieder eingereiht", sagt Dane, der vier Wagen dahinter ein süddeutsches Idiom vernimmt. Die Kollegen aus München, auch auf dem Weg nach Tadschikistan, eins von 15 Teams.

Gemeinsam warten die vier sechseinhalb Stunden, die Straße direkt am Schwarzen Meer war eingestürzt. Dane will das fotografieren, stürzt im Dunklen in ein Erdloch, schlitzt sich die Wade auf und entdeckt neue Gelassenheit an sich: "Da hat mich schon nichts mehr gestört." Durch Georgien nach Armenien, rein in die aus den Radio-Eriwan-Witzen bekannte Hauptstadt.

Die Strecke führt durch eine faszinierende Landschaft: Den schneebedeckten Gipfel des 5137 Meter hohen Ararat im Rücken passieren die beiden schroffe rote Felswände, die in grüne, sanft geschwungene Hügel übergehen. Immer wieder Ziegen rechts und links und Wildpferde. Auf der Suche nach Wasser lernen sie einen Armenier kennen, einen gut situierten, der für den armenischen Fußballverband arbeitet und sie zu sich einlädt.

Weiter Richtung Baku, die Polizei stoppt die beiden, sie seien zu schnell gefahren. "Das war wirklich das leibhaftige Klischee korrupter Staatsdiener", sagt Dane. Gut genährt, der Mund voller Goldzähne, beides bezahlt vom Strafgeld verschüchterter Touristen. Auch die Norderstedter zahlen 40 Euro, aber nur einmal. "Später hat uns ein Lkw-Fahrer erzählt, wir müssten die Polizisten nur lange genug auf Deutsch vollquatschen, dann würden sie uns schon fahren lassen", sagt Dane. Der Tipp war goldwert, wie sich noch mehrfach herausgestellt hat.

Baku, erst vor kurzem beim Eurovision Song Contest Treffpunkt der Musiker, hat zwei Gesichter, sagen die Norderstedter. Das nächtliche, glitzernde, hell erleuchtete, wenn die Reichen ihre Partys feiern, und das Tagesgesicht mit 40 Grad, Mücken und Müll am Hafen, mit Willkür, Korruption und Unzuverlässigkeit. Dane und Alexander lernen einen Briten kennen, einen, der wie viele Europäer bei einer Mineralölgesellschaft im Ölstaat Aserbaidschan viel Geld verdient, gern feiert und sie in seinem Luxus-Appartement mit Blick aufs Kaspische Meer übernachten ließ.

Vier Tage dauert es, bis die Fähre sie endlich nach Turkmenistan schippert. Doch da geht die Schikane weiter, die Rallye-Fahrer müssen nochmals sechs Tage an Bord bleiben. Die Kabinen sind eklig und unbenutzbar, die Lebensmittel werden knapp. "Wir haben uns jeden Tag eine Dose Ravioli mit den Münchnern geteilt", sagt Alexander. Diesmal ist auch er am Ende. Das Schiff soll doch absaufen, dann ist diese Tortur wenigstens zu Ende, denken die Deutschen.

Weiter führt die Strecke durch die Wüste, 45 Grad, Kamele und Treiber neben der einzigen Straße und schmelzender Asphalt, in den die Lkw tiefe Spurrinnen gefräst haben. So tief, dass der Unterboden des Corsa immer wieder über die Fahrbahn scheuert, Funken sprühen. Zu viel für den Auspuff, wieder finden sich ebenso hilfsbereite wie leicht alkoholisierte Mechaniker, die den Schaden fröhlich beheben. Nächste Station ist Buchara in Usbekistan, eine Stadt voller Touristen auf den Spuren der alten Seidenhändler. "Wir haben einen regelrechten Kulturschock bekommen", sagt Dane. Das ändert sich schnell, in Kirgisistan treffen sie auf einen Reiter, fragen nach Wasser. Der Mann lädt sie zu sich ein, und die beiden staunen nicht schlecht. Ein neuer Audi A 4 steht vor der Tür eines geräumigen Hauses. Der Gastgeber arbeitet in Moskau und verdient gut.

Start zum Endspurt und Höhepunkt: Der Pamir-Highway soll die beiden am Dach der Welt vorbei zum Ziel bringen. Doch die Soldaten an der Grenze zu Tadschikistan versperren die höchste Fernstraße der Welt. Es herrsche Krieg in der Region. Die beiden nehmen die Alternativroute und erreichen nach vier Wochen Duschanbe, das Ziel. "Wir waren völlig fertig", sagen sie.

Per Flugzeug geht es zurück in die Heimat. "Wir sind stolz, dass wir es geschafft haben und der Wagen durchgehalten hat. Wir haben viele nette Leute kennengelernt und festgestellt, wie gut es und geht." Alexander vermisst sein Schaschlik, grinst und sagt, er wolle irgendwann wieder los, dahin, wo die netten Menschen sind.