Hat die Behörde versagt? Hätte die Verwahrlosung früher entdeckt werden können? Leiter des Jugendamtes wird heute im Kreistag angehört.

Bad Segeberg. In Bad Segeberg beginnen morgen die Kinderschutzwochen: "Zeit für Kinder" heißt eine zweiwöchige Veranstaltungsreihe. Nur wenige Straßen von den Veranstaltungsorten entfernt hat sich eine Tragödie ereignet, bei der jeglicher Kinderschutz versagt hat. Ein dreijähriger Junge war - wie berichtet - in einen Kelleraum eingesperrt und nur durch einen Zufall gefunden worden. Hat das Kreisjugendamt versagt? Hätte dem Kleinkind bei rechtzeitigem Einschreiten der Behörde geholfen werden können? Der Kreistag beschäftigt sich heute mit dem Fall, der für Schlagzeilen gesorgt hat.

Es waren katastrophale Zustände, die Polizeibeamte Mitte Juni vorfanden, als sie infolge eines Streits ein Einfamilienhaus am Bussardweg in Bad Segeberg betraten und inspizierten. Drei Kinder - ein, drei und elf Jahre alt - lebten dort in einer verwahrlosten Umgebung. Es roch nach Kot und Urin, die Räumlichkeiten waren insgesamt sehr dreckig, und auch der Keller des Gebäudes wies Reste von Fäkalien auf. Aber was passierte wirklich in dem Haus am Bussardweg? Nach Informationen der "Lübecker Nachrichten" betrat die Vermieterin das Haus, weil ein von ihr beauftragter Handwerker Kinderstimmen gehört hatte. Zusammen mit der Polizei sei die Tür eines Kellerraumes aufgebrochen worden, dahinter sei ein nackter kleiner Junge gefunden worden. Der ganze Raum sei mit Kot beschmiert gewesen. Der Junge selbst sei sauber und unverletzt gewesen.

+++++Es roch nach Kot und Urin+++++

Eine sozialpädagogische Fachkraft besuchte die Kinder regelmäßig und mehrfach pro Woche - rein quantitativ erscheint das zunächst ausreichend. Die Betreuerin hat jedoch offensichtlich nur den Wohnbereich zu Gesicht bekommen und dort offenbar keine beunruhigenden Auffälligkeiten festgestellt. Diese Feststellung hatte das Kreisjugendamt bereits kurz nach Bekanntwerden des Falles getroffen. Der Leiter des Kreisjugendamtes, Georg Hoffmann, hatte vor wenigen Tagen in einer ausführlichen Stellungnahme vor dem Jugendhilfeausschuss Gelegenheit, sich detaillierter zu äußern. Er wies jeden Verdacht zurück, dass Mitarbeiter seines Amtes Fehler gemacht haben könnten. Alleine im Monat Mai hätten zwei Familienhelfer dem Haus und der Familie mehrere Besuche abgestattet. Die Wohnung habe keinen verwahrlosten Eindruck gemacht, von einem Kelleraum hätten die Mitarbeiter nichts gewusst. Nicht die Mitarbeiter des Jugendamtes waren in diesem Fall aktiv, sondern Mitarbeiter eines beauftragten freien Trägers.

Mit diesen Aussagen des Amtsleiters ist es offenbar noch nicht getan. Der Segeberger Kreistag beschäftigt sich heute Abend noch einmal mit dem Thema, weil die FDP-Fraktion noch einige Fragen geklärt haben möchte. So soll der Leiter des Jugendamtes darüber Auskunft geben, wie beauftragte Träger bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit überprüft werden.

Außerdem gibt es noch keine Auskunft darüber, welcher Träger in diesem Falle zuständig war. Auch darüber möchte die FDP etwas wissen. Wichtiger aber ist die Beantwortung dieser Frage: "Wie ist aus Sicht der Verwaltung zu erklären, dass erfahrenes Betreuungspersonal trotz einer dichten Besuchsfrequenz nicht erkannte, dass eines der betreuten Kinder unter nicht angemessenen Umständen in einem zum Hause, wenn auch nicht zur Familienwohnung gehörigen Kellerraum eingesperrt war." Wichtig für die Bewertung des Falles ist auch die Frage nach unangekündigten Besuchen: Warum haben sie nicht stattgefunden? War es eine Fehlentscheidung, nicht unangekündigt in die Wohnung der Familie zu kommen? Während der Sitzung des Jugendhilfeausschusses hatte Amtsleiter Hoffmann pauschal gesagt, dass man generell davon absehe unangekündigte Besuche zu machen, um das Vertrauen nicht zu zerstören.

Drei der insgesamt sechs Kinder waren bereits bei Pflegeeltern untergebracht, bevor sie das Haus am Bussardweg bezog. Inzwischen sind alle sechs Kinder jeweils zu zweit in Heimen untergebracht.

Inzwischen ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. "Wir ermitteln gegen die Eltern wegen Verletzung der Fürsorgepflicht", sagt Birgit Heß, Sprecherin der Kieler Staatsanwaltschaft. "Über Einzelheiten können wir derzeit noch nicht sprechen." Gegen das Jugendamt des Kreises Segeberg liege keine Anzeige vor. Es werde also auch nicht in diese Richtung ermittelt.