Die Belastung ist schon zurückgegangen. Noch immer leben aber 3100 Norderstedter mit einem Schallpegel, der krank machen kann.

Norderstedt. Weniger Menschen leiden in Norderstedt unter Lärm als vor fünf Jahren. Aber: Noch immer müssen 3100 Bürger mit einem Schallpegel von mehr als 65 Dezibel leben - ab diesem können langjährige Belastungen die Gesundheit schädigen. Das sind zwei Ergebnisse der aktuellen Lärmstudie in der Stadt. "Alle fünf Jahre sind wir gesetzlich verpflichtet, die Lärmkarten fortzuschreiben", sagte Anne Ganter vom Fachbereich Nachhaltiges Norderstedt (NaNo) im Rathaus.

Nach wir vor stört vor allem der Straßenlärm die Ruhe. 15 300 Norderstedter sind mit einem Dauerschallpegel von 55 Dezibel und mehr belastet. Das sind knapp 7000 weniger als bei der letzten Lärmanalyse 2007. "Lauter darf es nicht sein, wenn man sich ungestört im Freien aufhalten und Gespräche in normaler Lautstärke führen will", sagt NaNo-Leiter Herbert Brüning. Doch entlang der großen Straßen und viel befahrenen Kreuzungen verursachen Autos und Lkw auch deutlich mehr Krach. Für den Verkehrsknoten Ochsenzoll haben die Gutachter bis zu 75 Dezibel ermittelt.

+++ Jetzt haben die Fußgänger das Wort! +++

Während entlang der Schleswig-Holstein-Straße, der Autobahn 7 oder der Kohtla-Järve-Straße nur wenige Menschen leben, sind an der Ulzburger Straße und dem Straßenzug Ohechaussee/Segeberger Chaussee viele Bürger betroffen. Einer von ihnen ist Peter Koch. Er wohnt an der Ohechaussee wenige Meter westlich der Kreuzung Rugenbarg. "Vor allem die Lkw machen uns zu schaffen. Wenn einer an unserem Haus vorbeifährt, ist an eine Unterhaltung draußen nicht zu denken", sagt der 67-Jährige, der mit seiner Frau seit 1978 an der stark frequentierten Ost-West-Verbindung lebt. Schlafen können die beiden nur bei geschlossenem Fenster, ruhiger ist es nur zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens.

Seitdem die Familie Koch eingezogen ist, sei es kontinuierlich lauter geworden. "Immer wieder halten Lkw bei der Shell-Tankstelle gegenüber, was den Lärm noch verstärkt", sagt der Norderstedter. Gerade der Schwerlastverkehr habe deutlich zugenommen. Koch vermutet, dass die Fahrer die Autobahn-Maut umgehen wollten. Momentan sei es allerdings fast paradiesisch leise. Die Ohechaussee ist auf einem Teilabschnitt nur einspurig in Richtung Schnelsen befahrbar, die Straße bekommt eine neue Asphaltdecke.

Doch wer mit Koch und seiner Frau auf der Terrasse sitzt, hört noch eine zweite Lärmquelle: die Flugzeuge, die über die Norderstedter Bahn starten und landen. Das Ehepaar zählt zu den Norderstedtern, die mit einer doppelten Lärmbelastung leben müssen. Ihr Pech: Der Flughafen bezahlt keine Schallschutzfenster. "Wir wohnen 150 Meter außerhalb der Schallschutzzone", sagt Koch. Die Analyse bestätigt, was er empfindet: Wo er wohnt, ist die Lärmkennziffer (LKZ) hoch. Das ist eine Messeinheit, die sich aus dem Dezibel-Wert und der Zahl der Betroffenen errechnet. "Die Lärmkennziffer ist für uns die Grundlage für Lärmschutzmaßnahmen", sagt Brüning. Hoch ist die LKZ auch an den Kreuzungen Ulzburger Straße/Rathausallee und Ulzburger Straße/Langenharmer Weg sowie am westlichen Ende der Rathausallee.

Dort ist, so Ganter, der Schallschutz schon relativ gut, da die Häuser noch relativ neu seien. "Da die Ulzburger Straße zwischen Rathausallee und Harckesheyde ohnehin neu gestaltet wird, werden wir dabei auch gleich den Lärmschutz verbessern", sagt Brüning. Schwieriger sei das schon entlang der B 432. Hier könne lärmmindernder Asphalt eingebaut werden. Die Stadt hat den Belag auf der Poppenbütteler und der Niendorfer Straße eingebaut und getestet. Die Erfahrungen sind gut: Die Rollgeräusche seien um vier bis sieben Dezibel leiser geworden, die Belastung in diesen Abschnitten insgesamt um drei bis vier Dezibel gesunken. "Mehr Minderung lässt sich nur durch Lärmschutzwände erreichen", sagt Anne Ganter. Sinkt der Lärm um zwei bis drei Dezibel, klingt das nach wenig, doch der Effekt ist so groß, als wenn nur noch halb so viele Fahrzeuge auf der Straße fahren.

Zweite größere Anti-Lärm-Maßnahme ist das Lkw-Lenkungskonzept. Ziel des Projektes, das im Lärmminderungsplan steht, aber noch nicht abgearbeitet ist, ist der Plan, die Laster aus den bewohnten Bereichen zu verdammen. "Es reicht aber nicht, Schilder aufzustellen, die die Durchfahrt verbieten. Gerade Fahrer aus dem Ausland orientieren sich an ihren Navis und ignorieren die Hinweise", sagt Brüning. Maßnahmen machten nur Sinn, wenn sie auch Erfolg bringen.

Den erhofft sich die Stadt von den geplanten Tempo-30-Zonen, die entlang der Grundschule an der Niendorfer Straße und auf der Poppenbütteler Straße zwischen Lindenweg und dem Einkaufszentrum Immenhof eingerichtet werden sollen.

Gewachsen sind die Lärmbelastungen durch Flug- und Schienenverkehr. Unter Fluglärm leiden 3000 Norderstedter, 500 mehr als vor fünf Jahren. U-Bahn und AKN belasten 1700 Bürger, 1300 mehr als 2007. "Das liegt daran, dass die Züge jetzt häufiger fahren, und auch der Flugverkehr hat zugenommen", sagt Brüning. Um 40 Prozent seien die nächtlichen Lärmbelastungen zurückgegangen. Allerdings müssen noch immer 17 800 Norderstedt mit 45 Dezibel zur Ruhe kommen - ab diesem Wert wird der Schlaf gestört.

Die Stadt wird die Lärmkarten an das Land weiterleiten, das möglichst von allen Kommunen Lärmaktionspläne haben will. Über weitere Maßnahmen gegen den Lärm in Norderstedt will die Stadt wieder mit den Bürgern diskutieren.