Seit 25 Jahren fährt der Norderstedter Gerd Meincke jedes Jahr nach Kramarzyny, um der Familie Kapottich zu helfen. So auch in diesem Jahr.

Norderstedt. Kinderfahrräder, Spielbälle, Schuhe und vor allem Kleidungsstücke hat Gerd Meincke wieder einmal auf seinen Anhänger geladen. Seit mittlerweile 25 Jahren fährt der Norderstedter Rentner nach Polen, um dort Hilfsgüter zu verteilen. "Ursprünglich ging alles über die deutsch-polnische Gemeinde", sagt Meincke, der in Hinterpommern geboren wurde.

In der Anfangszeit fuhr er gemeinsam mit anderen Freiwilligen mit einem großen Lastkraftwagen Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel und anderes in polnische Kindergärten, Krankenhäuser und Seniorenheime. "Sie hatten dort damals so gut wie gar nichts", erzählt Meincke, der sich noch gut daran erinnert, dass zu der Zeit sogar Toilettenpapier in Polen knapp war: Er bekam vor dem Gang zum Klo vom Krankenhaus-Chef persönlich eine Rolle in die Hand gedrückt.

Mit den ersten Transporten nach Polen lernte er auch die Familie Kapottich kennen, der er nun erneut Spenden vorbeigebracht hat. "Damals übernachteten wir bei der Familie und wurden dort auch verpflegt", erinnert sich der Norderstedter. "Und obwohl die Familie arm war, bekamen wir zum Abschied noch polnischen Wodka geschenkt, den wir allerdings an der westdeutschen Grenze verzollen mussten."

Nachdem die Initiative der deutsch-polnischen Gemeinde nicht mehr weitergeführt wurde, entschied sich Meincke, privat Spenden für die Familie Kapottich zu sammeln. Einmal im Jahr fährt er seitdem mit seinem eigenen Anhänger nach Polen, um das Gesammelte abzugeben. Diesmal hatte er vor allem Kleidungsstücke in den Umzugskartons auf seinem Anhänger. Diese hatte er in seiner Verwandtschaft gesammelt, abgeholt und gelagert. Zum Teil sind neue Kleidungsstücke oder Tischdecken dabei, die den Besitzern einfach nicht gefielen.

Die Söhne arbeiten im Westen und fahren jedes Wochenende nach Hause

In der vergangenen Woche machte sich der Rentner auf den Weg nach Kramarzyny (Kremerbruch), das ehemals zu Deutschland gehörte. In der Familie besitzt jedes Familienmitglied auch noch zwei Pässe, einen deutschen und einen polnischen. "Alle drei Söhne arbeiten im Westen und fahren jedes Wochenende nach Hause", erzählt Gerd Meincke. "Nach Hause" heißt auf einen alten Bauernhof mitten im Nirgendwo. "Wenn ich dort bin, ist es, als sei die Zeit stehen geblieben", sagt er. Die Landschaft sei wunderschön, allerdings liege der kleine Ort so abgeschieden, dass er sich nicht vorstellen könne, dort zu leben.

"Mit 450 Euro im Monat muss die Familie auskommen, das ist so gut wie unmöglich", sagt Meincke, der inzwischen mit der Familie gut befreundet ist. Die Spenden, die er dort hinfährt, werden innerhalb der Großfamilie verteilt. Die Kinderfahrräder sind für die Enkel der Familie. "Noch nie haben sie gesagt, dass ihnen etwas nicht gefallen hat", sagt Gerd Meincke.

War der Weg in der Anfangszeit vor 25 Jahren mit Grenzüberquerungen und schlechten Straßen noch ein richtiges Abenteuer, so legt der Rentner jetzt die etwa 750 Kilometer in der Regel ganz entspannt zurück. Trotz 25-jähriger Erfahrung braucht er aber immer noch eine Straßenkarte. "In all den Jahren hat sich so viel verändert", sagt Meincke. "Zum Glück sind die Straßen besser geworden."

Für den guten Zweck machte er sich morgens um 8 Uhr auf den Weg und war dann den ganzen Tag unterwegs. Trotz Karte verfuhr er sich in der Gegend von Stettin und legte zusätzliche 150 Kilometer zurück, bis er das kleine Dorf in der Nähe von Bytów fand. Gelohnt hat sich der Ausflug in den Osten: "Die Familie freut sich jedes Mal, wenn sie meine Sachen bekommen", sagt Meincke, der jetzt wieder anfangen kann, für das nächste Jahr zu sammeln.