Die Stadtvertretung diskutiert über den Beitritt zu abgeordnetenwatch.de. Unser Test zeigt nun, welche Politiker angemeldet sind.

Norderstedt. Transparenz ist ein Stichwort, das sich in fast allen Parteiprogrammen finden lässt. Viele Bürger beklagen dennoch den fehlenden Draht zu den Politikern und Abgeordneten, fühlen sich nicht genug eingebunden, wollen mehr als nur alle paar Jahre wählen dürfen.

Angetreten, um diesen Anspruch mit Leben zu füllen, sind einst Boris Hekele und Gregor Hackmack. Sie gründeten im Dezember 2004 abgeordnetenwatch.de , seitdem machen dort der Deutsche Bundestag, das EU-Parlament, acht Landtage und auch immer mehr Kommunen mit. Auch in Luxemburg und Österreich gibt es das Projekt, Anfragen kommen zudem aus Tunesien, Slowenien, den USA, Indien und Mexiko. Auf der Internetplattform können Bürger den Abgeordneten öffentlich Fragen stellen, auch das Abstimmungsverhalten der Politiker und ihre Nebeneinkünfte werden offengelegt.

Als erste Gemeinde in Schleswig-Holstein ist bereits der Segeberger Kreistag eingestiegen; auch die Norderstedter Stadtvertretung könnte schon bald folgen. "Bürgerbeteiligung wollen irgendwie immer alle, aber wenn es an die Umsetzung geht, hinken wir immer hinterher", sagt Miro Berbig, Vorsitzender der Norderstedter Fraktion Die Linke. Deshalb wird auf Antrag seiner Partei der Hauptausschuss am heutigen Montag über einen Beitritt Norderstedts zu dem Projekt beraten.

Gero Storjohann will Anfragen des Bürgers am liebsten per Post

Im Segeberger Kreistag läuft abgeordnetenwatch.de hervorragend. Ein Großteil der Bürger-Fragen werden schnell beantwortet. Spitzenreiter ist Peter Säker (SPD), erster stellvertretender Kreispräsident; drei Fragen hat er erhalten, maximal zwei Tage brauchte er für die Beantwortung. Besonders lobenswert findet er das nicht: "Das gehört sich ja wohl so. Wenn ich gefragt werde, antworte ich auch." Von dem Projekt an sich ist er mittlerweile überzeugt. "Ich habe mich damit befasst und finde es sehr sinnvoll. Es ist nicht der einzige, aber ein einfacher Weg, um die Abgeordneten zu befragen."

So offen wie er handhaben nicht alle Politiker die Anfragen der Bürger. Gero Storjohann (CDU) vertritt im Deutschen Bundestag den Wahlkreis Segeberg-Stormarn-Nord. Fragen auf abgeordnetenwatch.de beantwortet er entweder gar nicht, oder er verweist auf seine offizielle Postanschrift im Deutschen Bundestag. Genauso handhabt es Rolf Koschorrek (CDU), der im Wahlkreis Steinburg-Dithmarschen Süd zur Bundestagswahl antrat. SPD-Bundestagsabgeordneter Franz Thönnes hingegen beteiligt sich an dem Projekt. Seine Antwort-Quote liegt bei annähernd 100 Prozent. Mehr als 70 Fragen beantwortete er seit 2005 ausführlich und mit ergänzenden Hinweisen. Allerdings hat die Qualität einen Preis, meist dauert es mehrere Wochen, bis der Bürger eine Antwort erhält.

Wesentlich schneller ist Katja Rathje-Hoffmann. Auch sie bezieht persönlich Stellung, entschuldigte sich gar, als es aufgrund der Sommerpause einmal ein paar Tage länger dauerte. Bei einer Abendblatt-Testfrage zum Weiterbau der A 20 reagierte die Landtagsabgeordnete für Norderstedt und Umgebung noch am selben Tag. Damit war sie die einzige, die innerhalb einer Woche öffentlich auf abgeordnetenwatch.de antwortete. Angeschrieben wurden neben Rahtje-Hoffmann die Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann, Franz Thönnes, Rolf Koschorrek sowie die Landtagsabgeordneten Axel Bernstein und Volker Dornquast. Rolf Koschorrek und Gero Storjohann reagierten jeweils mit Standardschreiben, in denen um eine erneute Anfrage im Abgeordnetenbüro gebeten wird.

Katja Rahtje-Hoffmann unterstützt abgeordnetenwatch.de. Verständnis hat sie aber für nicht antwortende Abgeordnete, besonders wenn es sich um ehrenamtliche Politiker handelt. "Ehrenamtliche Politiker nach Feierabend für so etwas einzuspannen, ist unmöglich. Die haben mit Ausschüssen und Partei- und Gremienarbeit genug zu tun", sagt sie. Abgeordnetenwatch.de auf kommunaler Ebene überfrachte das Ehrenamt.

Miro Berbig ist anderer Meinung. Für seinen Antrag auf der heutigen Sitzes des Hauptausschusses sieht er gute Chancen. "Gegen die Sache an sich kann keiner etwas haben", sagt er. Vor allem die Idee eines virtuellen Wählergedächtnisses hält er für sinnvoll.

So könnten die Erfüllung der Wahlversprechen endlich wirksam kontrolliert werden und zudem die Politiker an ihren öffentlich dokumentierten Aussagen gemessen werden. Die Kosten für die Eingliederung der Stadtvertretung belaufen sich laut Berbig auf 100 Euro im Monat. So viel benötigten die Betreiber, um die entstehenden Kosten für beispielsweise die Moderation und Überprüfung der Fragen zu decken. "Wenn die Stadt nicht mitmacht, werden wir versuchen, das Geld anders aufzubringen", sagt er. Besonders in Kommunen, wo es um konkrete Entscheidungen und weniger um Ideologie gehe, sei eine Plattform wie abgeordnetenwatch.de besonders geeignet.