Trotz steigender Gewalttaten bleibt das Personal knapp. Die Gewerkschaft kritisiert die Landesregierung: “Das ist alles auf Kante genäht.“

Kreis Segeberg. Immer mehr Gewalt, immer mehr Einsätze, doch das Personal bei der Polizei bleibt knapp. "Das ist alles auf Kante genäht", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Kreis Segeberg, Reimer Kahlke. Die Anforderungen an die Beamten haben in den vergangenen Jahren derart zugenommen, dass bereits über Einschränkungen der Aufgaben nachgedacht wird.

Beispiel Prävention: Im Direktionsbereich, zu dem die Kreise Segeberg und Pinneberg gehören, sind dafür fünf Beamte vorgesehen, die bei ihrer Arbeit in den Schulen von Kollegen aus den Stationen unterstützt werden. "Wir werden wohl gezwungen, in diesem Bereich zu reduzieren", sagt Kahlke. Die Stelle eines Präventionsbeauftragten in Norderstedt sei bereits weggefallen, nachdem der Beamte in Pension gegangen sei.

Beispiel Einsatztraining: Im vergangenen Herbst war die Personaldecke der Polizei so dünn, dass nach einer Anordnung der Behördenleitung nicht alle Polizisten das gesetzlich vorgeschriebene Einsatztraining absolvieren durften, sondern den täglichen Dienst sicherstellen mussten. Beim Einsatztraining üben Polizisten Selbstverteidigung, Festnahmetechniken und auch das Verhalten in Extremsituationen - zum Beispiel bei Amokläufen in Schulen.

751 Beamte sind für die Schutzpolizei in der Direktion Segeberg tätig, 91 arbeiten bei der Kripo. Dass es mehr werden, glauben nicht einmal mehr die größten Optimisten in den Dienststellen. Nach dem jüngsten Sparpaket der Landesregierung, das vergangene Woche beschlossen wurde, sind die Beamten schon froh, dass kein Personal abgebaut werden muss. Dafür müssen die Polizisten künftig bis zum 62. Lebensjahr und damit zwei Jahre länger arbeiten und bekommen keine Zuschüsse bei Jubiläen mehr. Außerdem soll der alljährliche Tag der Landespolizei wegfallen und das Landespolizeiorchester abgeschafft werden.

Selbst wenn mehr Stellen geschaffen würden, könnte das Land sie vermutlich nicht besetzen. Bei der Polizei gehen mehr Beamte in Pension als ausgebildet werden. Für die Direktion bedeutet das laut Kahlke, dass bereits in diesem Jahr 24 Schutzpolizisten gehen, aber nur 16 kommen werden. Bei der Kripo beträgt das Verhältnis vier zu zwei. "Wie wir das ausgleichen sollen, wissen wir noch nicht", sagt der Gewerkschafter.

In den Leitstellen müssen genauso viele Disponenten arbeiten wie zuvor

Nach seiner Einschätzung hat sich auch die Hoffnung zerschlagen, dass durch die Zusammenlegung von 15 auf vier zentrale Einsatzleitstellen landesweit 40 Polizisten für den Dienst auf der Straße frei werden. Vor wenigen Wochen hat die Polizei die Einsatzzentrale in Bad Segeberg geschlossen. Seitdem werden die Einsätze für die Kreise Segeberg, Pinneberg und Dithmarschen in Elmshorn abgewickelt. Die ersten Erfahrungen belegen laut Kahlke jedoch, dass in den Leitstellen genauso viele Disponenten arbeiten müssen wie zuvor. Kahlke: "Das Spiel geht plus minus Null aus."

Warum hat die Polizei immer mehr zu tun? "Das größte Problem ist die wachsende Gewaltbereitschaft", sagt Kahlke. "Bei vielen Einsätzen reicht ein Streifenwagen nicht mehr aus." Außerdem nehme die Zahl der sogenannten geschlossenen Einsätze zu. Dann werden Beamte aus den örtlichen Dienststellen zu Einsatzzügen oder Hundertschaften zusammen gezogen, um Demonstrationen zu begleiten, Fußballkrawalle zu verhindern oder bei Volksfesten für Ordnung zu sorgen. Hinzu kommen die Bekämpfung der Rockerkriminalität und demnächst die Public Viewings zur Fußballweltmeisterschaft. Selbst bei den jährlichen Vatertagsveranstaltungen ist die Sicherheit nicht mehr ohne ein großes Polizeiaufgebot zu gewährleisten. Beim Treffen Hunderter betrunkener Segeberger auf der Backofenkoppel waren in diesem Jahr 70 Polizisten im Einsatz und nahmen 18 Männer fest.

Zweites Problem: "Die Ermittlungen werden komplizierter." Für immer mehr Verfahren sei ein DNA-Beweis erforderlich, der jedoch nur mit großem Arbeitsaufwand zu bewältigen sei. Das Landeskriminalamt in Kiel werde inzwischen derart mit Proben überschwemmt, dass die Bearbeitung bei nicht allzu dringenden Fällen Jahre betrage. Vor kurzem habe das LKA nach vier Jahren angefragt, ob die Kriminalisten die DNA-Spur noch untersuchen soll oder ob sich der Fall erledigt habe. "Wenn die antworten, haben wir manchmal die Akten gar nicht mehr", sagt der GdP-Chef.

Kahlke befürchtet, dass das Sparen bei der Landespolizei weitergehen wird - auch wenn er angesichts der Verschuldung des Landes dafür ein gewisses Verständnis aufbringt. Nächster Schritt könnte das Ende für das Dienstgebäude der Autobahnpolizei in Bad Segeberg sein. Dort sollten die Beamten einziehen, die für die Autobahnen 20 und 21 zuständig sind. Doch der Bau dürfte kaum noch finanzierbar sein, sodass die Autobahnpolizisten vom Direktionsgebäude an der Dorfstraße erst einmal quer durch die Stadt fahren müssen, bevor sie die Autobahn erreichen.

Kahlkes Kollege Manfred Brodersen vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) spricht von "prekären und aktuellen Personalproblemen", die sich auf die Motivation und die Arbeitszufriedenheit der Beamten auswirkten. Die Norderstedter Kripo müsse mit weniger Polizisten auskommen, sodass die Qualität der Arbeit leide. "Man stößt an seine Grenzen", sagt Brodersen. "Manchmal müssen wir den Bürgern sagen: Mehr geht nicht." Nach Einbrüchen überlasse die Kripo inzwischen den uniformierten Kollegen die Tatortarbeit. Für Befragungen bei Nachbarn bleibe kaum noch Zeit.

Mit Überstunden kann die Polizei ihre Probleme nicht lösen. "Die werden nicht mehr bezahlt", sagt Brodersen. "Die müssen wir abbummeln."