Michael Stamp ist Autor der Bühnenfassungen am Kalkberg in Bad Segeberg. Jedes Jahr bringt er Jung und Alt zum Lachen und Staunen.

Bad Segeberg. Vor seinem Einfallsreichtum ist niemand sicher. Schon gar nicht er selbst. Der letzte Gag ist Michael Stamp erst kurz vor der Premiere eingefallen. Er hat ihn per SMS an den Schauspieler Mola Adebisi geschickt, der damit wiederum den Regisseur konfrontierte. Norbert Schultze jr. fand ihn gut - und wenig später lachten 7500 Menschen über den Scherz. So einfach ist es, Karl-May-Stücke zu schreiben. So einfach? Natürlich nicht. Aber Michael Stamp denkt eben immer mit. Der 42 Jahre alte Redakteur der "Segeberger Zeitung" hat Karl May sozusagen verinnerlicht. Vor Ehrfurcht erstarrt aber ist er nicht: Als Autor der Bühnenfassung ist Michael Stamp ein Karl-May-Umdichter.

Anders geht es nicht. Originalgetreu lässt sich kein Stück des bekannten Schriftstellers auf die Bühne bringen. Da muss schon einiges getan werden, um daraus gute Familienunterhaltung zu machen. Für "Winnetou II" zum Beispiel ließ sich Michael Stamp den Schauplatz New Orleans einfallen, obwohl Old Shatterhand in der Karl-May-Originalversion dort tatsächlich nur ganz kurz auftaucht. Mehrere Versatzstücke aus verschiedenen Erzählungen verdichtete der Segeberger Autor schließlich zu einer schlüssigen Handlung. Gemixt mit Jazz aus New Orleans und Mariachi-Klängen aus Mexiko ist daraus ein schwungvolles Stück geworden, das nur noch entfernt an das Karl-May-Original erinnert. Und die Figur der Voodoo-Priesterin Marie Laveau, gespielt von Dunja Rajter, kommt bei den Erzählungen von Karl May natürlich schon gar nicht vor. Aber sie passt exakt in das New-Orleans-Kolorit. So viel dichterische Freiheit muss sein. Herr May hätte damit sicher gut leben können. Da ist sich sein Segeberger Autoren-Kollege recht sicher.

Er schafft es, rund 100 Personen und viele Tiere auf der Bühne zu bewegen

Michael Stamp hat mittlerweile viel Erfahrung im Schreiben von Karl-May-Bühnenstücken. Er schafft es, rund 100 Personen und viele Tiere auf der Bühne zu bewegen. Er hat den Blick auf das große Ganze und auf die Details, er kann einzelne Szenen zu einer plausiblen Handlung verweben. Auf die Idee, ein eigenes Textbuch einzureichen, hat ihn ein Kollege gebracht. Nach der Lektüre einer Karl-May-Kritik von Michael Stamp gab er seinem Mitarbeiter den Tipp, es doch selbst mal mit dem Schreiben einer Bühnenfassung zu versuchen. Das war bereits 1993.

Zunächst griff die Kalkberg GmbH seine Idee nicht auf, aber 1998 klappte es: Michael Stamp schrieb die Bühnenfassung für "Unter Geiern" mit Horst Janson als Old Shatterhand und Gojko Mitic als Winnetou. 1999 musste er aussetzen, weil Regisseur Pierre Brice seine eigene Autorin mitbrachte, aber seit dem Jahr 2000 greifen alle Regisseure auf seinen Einfallsreichtum und seine Erfahrung zurück.

Die Idee für den "Pudding" hatte Filmregisseur Serge Nicolaescu

Schon im Frühling reicht Michael Stamp Vorschläge für Stücke ein, die im kommenden Jahr gespielt werden könnten. Wenn der Aufsichtsrat der Kalkberg GmbH sich dann auf ein Stück festgelegt hat, beginnt die Arbeit. Ungefähr im Oktober legt der Autor die Strukturen des Stückes fest, im Dezember und Januar beginnt die intensive Arbeit an dem Stück, die ihren Höhepunkt mit der Abgabe der ersten Fassung am 15. Januar erreicht. Zwischendurch nimmt er zwei Wochen Urlaub, um sich auf das Schreiben der Dialoge zu konzentrieren. Parallel dazu listet Michael Stamp die Bühnenbilder auf sowie die Bühnenkomposition mit allen Effekten, damit sich Bühnenbildner und Pyrotechniker an die Arbeit machen können. Für die diesjährige Inszenierung hatte er zum Beispiel die Idee, mit einem kleinen Felsplateau eine künstliche Bühnenmitte zu schaffen. Der "Pudding", wie er von den Mitwirkenden liebevoll genannt wird, hat sich als ein dramaturgisch wertvoller Griff erwiesen, weil auf ihm einige Szenen in den Mittelpunkt gerückt werden und die Bühne optisch interessanter wirkt. Schon im vergangenen Jahr hatte Stamp diese Idee. Damals konnte sie jedoch nicht verwirklicht werden, weil ein großer Treck die Kurven sonst nicht geschafft hätte. Die Idee für den "Pudding" hatte übrigens erstmals der rumänische Filmregisseur Serge Nicolaescu, der vor 20 Jahren einige Karl-May-Stücke in Bad Segeberg inszenierte.

Zurücklehnen kann sich der Autor dann allerdings noch längst nicht. Denn immer wieder muss er den Text anpassen - weil sich bei den Proben zum Beispiel Lücken ergeben, die beim Schreiben nicht zu erkennen waren. Und manchmal auch, weil Gaststars engagiert werden, denen der Text auf den Leib geschrieben werden muss. 2009 zum Beispiel musste Stamp "semmelroggen"; er schrieb Old Shatterhand kurzerhand heraus aus dem Stück und Martin Semmelrogge hinein. Er gab dem Schurken Cornel Brinkley mehr Raum und mehr Text. Er erinnert sich auch an eine Liebesszene mit Wayne Carpendale, der im Jahr 2003 den Old Surehand verkörperte: Er musste sie während der Proben mit dem Kugelschreiber verlängern.

Die Gags, ohne die eine Karl-May-Aufführung in Bad Segeberg nicht funktionieren würde, spricht Michael Stamp auf sein Smartphone, wenn ihm etwas einfällt. Vieles aber kommt ihm beim Schreiben auch spontan in den Kopf. Für "Winnetou II" erfand er zum Beispiel den sächselnden Arzt Doc Murksheimer - es lag also nahe, auf den Fundus von Arztwitzen zurückzugreifen. Michael Stamp weiß natürlich, dass manche erwachsene Zuschauer einige Gags überzogen finden, aber er gibt zu bedenken, dass er auch für Kinder schreibt. "Einiges, was in den Nachmittagvorstellungen gut funktioniert, kommt abends nicht so gut an."

Autor Michael Stamp genießt zurzeit die aktuelle Karl-May-Saison

Für 2013 wird Michael Stamp das Stück "Unter Geiern - der Geist das Llano Estacado", mit dem er vor 14 Jahren am Kalkberg debütierte, schreiben. In einer neuen Fassung, versteht sich. Die Grundidee steht, aber konkret hat er noch nichts festgelegt. Es gibt ja auch einige Unwägbarkeiten: Wer spielt im nächsten Jahr den Winnetou? Welche Gaststars werden für das Stück eingekauft? Der Autor lässt das auf sich zukommen und genießt zunächst die aktuelle Karl-May-Saison: Hin und wieder mischt er sich unter die Zuschauer, um mal zu sehen, ob die Schauspieler sich noch eng an seine Vorlage halten.