Mit seinem neuen Nachwuchskonzept setzt der Bundesliga-Klub neue Maßstäbe

Nun also auch der HSV. Nachdem sich der FC St. Pauli mittels einer Anleihe acht Millionen Euro bei seinen Fans pumpte, um den Stadionneubau und die Umbauten am Trainingsgelände zu finanzieren, trommelt nun der Bundesliga-Dino bei seinen Anhängern, um den "HSV-Campus" im Volkspark zu realisieren. 12,5 Millionen Euro sollen so in Steine statt in Beine fließen. Es wäre verwunderlich, würden die 70 000 Mitglieder und Millionen Sympathisanten nicht in die Fananleihe investieren.

Denn: Das neue Projekt des Bundesliga-Dinos setzt in vielerlei Hinsicht Maßstäbe und bezeichnet einen Paradigmenwechsel. Schon seit Jahren, ja, Jahrzehnten hinkte die Nachwuchsarbeit der Hamburger der Konkurrenz hinterher. Voller Neid schaute man auf die Bayern, wo immer wieder selbst ausgebildete Talente - wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller oder Holger Badstuber - zu festen Größen im Profikader heranwuchsen. Man bewunderte Barcelona, wo Top-Stars wie Iniesta, Xavi und Messi schon in jungen Jahren zusammen spielten und längst die Klub-DNA in ihrem Körper tragen.

Nur passiert ist - nahezu nichts. Zuletzt verschlang der Unterbau des HSV jährlich fünf Millionen Euro, ohne den gewünschten Ertrag abzuwerfen.

Mit dem Umzug des Jugendinternats, der B- und A-Junioren sowie der U23-Mannschaft des HSV von Norderstedt zum Volkspark erwacht der Klub endlich aus der Schockstarre. Der Verein hat verstanden, welche Strukturen in einem modernen und erfolgreichen Klub erforderlich sind und macht Ernst mit dem Bekenntnis zu einer nachhaltigen Jugendförderung. Die Nähe zu den Profis wird den Jugendlichen einen zusätzlichen Motivationsschub geben, weil das Ziel, einmal mit den Profis bei einem Bundesliga-Spiel auflaufen zu dürfen, greifbarer, realistischer wird. Umgekehrt steht der Nachwuchs unter stärkerer Beobachtung und Kontrolle.

Mit dem für alle zugänglichen Begegnungszentrum am Rande des Stadions vollendet der HSV zudem den letzten Schritt, im Volkspark eine neue Heimat des Vereins zu schaffen, nachdem der Klub in den 90er-Jahren ohne sein Rothenbaum-Stadion seine Seele verloren zu haben schien. Während viele Vereine mit ihren sich ähnelnden Fußballarenen an Kontur verlieren, wird der HSV-Campus identitätsstiftend wirken und ergänzt das Angebot für die HSV-Interessierten mit dem Museum, dem Stadionrestaurant "Raute". Überspitzt formuliert: Vom Kleinkind, das die Fußballschule besucht, bis zum Greis, der sich seinen Ruheplatz auf dem HSV-Friedhof aussucht, wird in naher Zukunft jede Altersklasse bedient.

Die Neubauten allein werden allerdings nicht ausreichen, um den Verein auf Dauer wieder in die internationale Spitze zu führen, wie es der Vorsitzende Carl Jarchow formulierte. Der Verein braucht auch im Jugendbereich top ausgebildete Trainer und vor allem Kontinuität. In der Vergangenheit wechselte die Führung im Nachwuchs fast so häufig wie der Trainerposten bei den Profis. Es reicht heute längst nicht mehr, die Körper der Jugendlichen auf Höchstleistung zu trimmen und dabei den Geist zu vernachlässigen. Nur wer als Persönlichkeit reifen kann, wird in der Lage sein, Verantwortung in einer (Fußball-)Gruppe zu übernehmen, nicht nur auf dem Rasen. Wer bereits im Jugendfußball mental auf Stresssituationen vorbereitet wird, kann später die Spitze im Hochleistungssport erreichen. Und nur wer abseits des Fußballs Werte vermittelt, die über die Bedeutung eines prall gefüllten Girokontos eines Profifußballers hinausgehen, darf sich am Ende tatsächlich "Ausbildungsverein" nennen.

Es wäre deshalb sinnvoll, im HSV-Campus nicht nur über Gastronomie und Konferenzräume nachzudenken, sondern auch über eine Schule.