500 Schüler am Schulzentrum Süd bildeten überdimensionale Aids-Schleife. Im Kreis Segeberg sind 120 Menschen erkrankt, Tendenz steigend

Kreis Segeberg. Aids darf nicht in Vergessenheit geraten. Unter diesem Motto formten am gestrigen Welt-Aids-Tag rund 500 Schüler und Lehrer vom Schulzentrum Süd eine überdimensionale Aids-Schleife - die rote Schleife ist das sichtbare Zeichen für die Solidarität mit Aids-Opfern und denjenigen, die an der Immunschwächekrankheit leiden. Außerdem steht das Symbol für den weltweiten Kampf gegen Aids. Wer die Schleife trägt, bekennt Farbe.

Und das tun die Schüler der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark, früher Realschule im Schulzentrum Süd, schon seit Jahren. Lehrerin Ulrike Pirke thematisiert die Immunschwächekrankheit in ihren Wahlpflichtkursen und arbeitet mit der Michael-Stich-Stiftung zusammen. Die Pädagogin und ihre Schüler haben Patenschaften für Aids-Waisen in Uganda übernommen und ein Schulschwein finanziert. "Miss Piggeldie" hat Junge bekommen, die inzwischen wieder trächtig sind - ein Teil der Tiere wird verkauft, der Erlös kommt ebenfalls den Kindern zugute, deren Eltern an Aids gestorben sind. Weltweit sind etwa 33,4 Millionen Menschen an Aids erkrankt. Etwa 120 davon leben im Kreis Segeberg. Tendenz steigend. Das sind die ernüchternden Zahlen, die das Kreisgesundheitsamt anlässlich des gestrigen Welt-Aidstages herausgegeben hat. Trotz verstärkter Aufklärung meldet das Robert-Koch-Institut im vergangenen Jahr 3000 HIV-neuinfizierte Menschen bundesweit und 100 Neuinfizierte in Schleswig-Holstein.

Das Kreisgesundheitsamt bietet nach wie vor kostenlose anonyme HIV-Tests an, aber immer weniger Menschen nehmen dieses Angebot an: In den bisherigen elf Monaten dieses Jahres haben sich gerade mal 30 Menschen in den Räumen des Gesundheitsamtes in der Segeberger Kreisverwaltung untersuchen und testen lassen. Dr. Sylvia Hakimpour-Zern, Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, ist einigermaßen entsetzt über das geringe Interesse an diesen Untersuchungen: "Hilfe, da geht etwas schief!"

Sie will die Aufklärungspower im Kreis Segeberg verstärken, weil die unsichtbare Gefahr immer noch lauert: In diesem Jahr hat sich in Schleswig-Holstein an jedem dritten Tag jemand mit HIV-Viren infiziert. "Die Gefahr ist also noch längst nicht gebannt", sagt die Amtsärztin.

Warum Aids nicht mehr so stark im öffentlichen Fokus steht, kann Sylvia Hakimpour-Zern nur vermuten: In "Spitzenzeiten", in Zeiten also, als die Medien häufig, auch im Zusammenhang mit prominenten Namen, über Aids und die Folgen berichteten, wurden im Kreisgesundheitsamt noch 200 Untersuchungen im Jahr registriert. Allerdings: Etwa 150 Personen ließen sich in der Außenstelle Norderstedt des Kreisgesundheitsamtes untersuchen. Diese Außenstelle im Ortsteil Friedrichsgabe ist inzwischen geschlossen worden.

Wer sich also einem kostenlosen und anonymen Test unterziehen lassen will, muss nach Bad Segeberg fahren. Eine vorherige Anmeldung unter Telefon 04551/95 13 42 ist nötig. Auch heute noch kommen die meisten Personen, die sich testen lassen wollen, aus Norderstedt. Das liegt einerseits an der Größe der Stadt, andererseits können die Norderstedter sicher sein, dass sie in der Kreisstadt eher nicht erkannt werden. Trotzdem geht die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes davon aus, dass viele Norderstedter ihr Blut in Hamburg auf eine HIV-Infektion überprüfen lassen. Es dauert in jedem Fall etwa eine Woche, bis das Ergebnis vorliegt.

Unter den 1500 Menschen, die im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein mit dem HIV-Virus lebten, sind nach den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts 250 Frauen und fünf Kinder. 180 Personen leiden akut an Aids. Das Infektionsrisiko ist besonders bei homosexuellem Geschlechtsverkehr groß: Unter den Infizierten sind 1000 Männer, die Sex mit Männern hatten, 250 Personen haben sich über heterosexuelle Kontakte infiziert, 35 infizierten sich über Bluttransfusionen, in fünf Fällen haben Mütter den Virus auf ihre Kinder übertragen. Im Jahre 2009 sind in Schleswig-Holstein zehn HIV-Infizierte gestorben, seit Beginn der Epidemie 750.

Im Kreis Segeberg fällt nach Angaben von Sylvia Hakimpour-Zern etwa alle zwei Jahre ein HIV-Test positiv aus - zuletzt Anfang dieses Jahres. Über die Zahl der Todesfälle im Kreis Segeberg ist wenig bekannt. Zumindest in den letzten Jahren ist kein Todesfall bekannt geworden, der auf eine HIV-Infektion zurückzuführen ist. "Das lässt sich aus den uns vorliegenden Totenscheinen aber auch nicht eindeutig erkennen", sagt die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes.

Mit einem Aktionstag im Foyer des Kreistagssitzungssaales versuchte das Gesundheitsamt am Welt-Aids-Tag, die Menschen im Kreis für die Gefahr der Ansteckung zu sensibilisieren. Schulen aus dem Kreis Segeberg haben jederzeit die Möglichkeit, über das Kreisgesundheitsamt einen Aids-Präventionsparcours anzufordern. Schüler von Klasse sieben an haben dabei die Chance, auf spielerische Weise die Gefahren von HIV und Aids kennenzulernen. Schulen, die Interesse haben, können sich unter Telefon 04551/95 13 42 beim Kreisgesundheitsamt in Bad Segeberg melden. An einem landesweiten Wettbewerb zur Gestaltung von Kondomverpackungen haben auch zahlreiche Schüler aus dem Kreis Segeberg teilgenommen, gewonnen haben diesen Wettbewerb jedoch Schüler aus anderen schleswig-holsteinischen Landesteilen.