Die Norderstedterin Ingeborg Kohlhardt sucht nach Gleichgesinnten für den Austausch über Kunst, Musik, Literatur und das Leben.

Norderstedt. Da sitzt man nun, allein auf dem Sofa, im Herbst eines langen Lebens, mit all seinen Erfahrungen, den Geschichten im Kopf, den Gefühlen im Bauch, den Leidenschaften im Herzen. Im Fernsehen läuft irgendwas, die Kinder rufen nur noch selten an, die Enkel kommen nur an Weihnachten, und die intensivsten Gespräche führt man noch mit Ärzten und Apothekern.

Man kann da einfach sitzen bleiben und sich abfinden. "Ich aber frage mich: Soll das jetzt alles gewesen sein?", sagt Ingeborg J. Kohlhardt. Die Norderstedter Seniorin ist tief im Rentenalter. Wie tief sagt sie nicht, weil sie nicht einfach als alte Frau abgetan werden möchte. Trotz ihrer vielen Lebensjahre trägt sie nicht khakifarbene Wohlfühlklamotten und Gesundheitsschuhe. Sondern herbstfarbene Mode, kombiniert mit Modeschmuck und darauf abgestimmtes Make-up. Und Gespräche möchte sie nicht über Essen und Trinken führen, sondern lieber über Liszt, Munk, Lenz und die ganze Welt, im geografischen Sinne ebenso wie im metaphysischen. "Und es gibt nichts Schlimmeres als diese ewigen Erzählungen über Enkel und Krankheiten", sagt Ingeborg Kohlhardt.

Die Idee des klassischen Salons soll in Norderstedt zum Leben erweckt werden

Die Seniorin ahnt, dass es in Norderstedt und Umgebung mehr Menschen geben muss, denen es ähnlich geht wie ihr. Die sich austauschen wollen, die das Bedürfnis zum niveauvollen Gespräch verspüren. Die in Kunst, Musik und Literatur zu Hause sind, die die Welt bereist und Lebensweisheit mitgebracht haben, für die das philosophische Gespräch ebenso anregend ist wie für andere ein Bundesliga-Fußballspiel. Ingeborg Kohlhardt möchte diese Menschen zusammen führen. Und damit die Idee des klassischen Salons in Norderstedt beleben. "Es soll eine Runde von Menschen sein, die sich vielleicht alle 14 Tage treffen", sagt die Seniorin. Die Treffen könnten sich um ein Buch, ein Musikstück, ein Bild oder ein gesellschaftliches oder philosophisches Thema drehen. "Nur die Politik und die Religion sollten ausgespart werden. Da gibt es meiner Erfahrung nach nur Streit", sagt Ingeborg Kohlhardt. Sie wünscht sich Kosmopoliten in der Runde, für die die Welt am Tellerrand nicht zu Ende ist, und Migranten, die sich mit ihrem Erfahrungsschatz aus zwei Welten einbringen könnten.

Gesucht wir der vielseitig interessierte "Single-Senior"

Ingeborg Kohlhardt möchte auch ganz bewusst die allein stehenden Senioren ansprechen, die ihren Partner verloren haben. Sie nennt sie "Single-Senioren". Und meint damit betagte Menschen, die vielseitig interessiert, unabhängig und kontaktfreudig sind. Sie selbst ist auch Single - im übertragenen Sinne. "Ich habe einen Freund. Aber der interessiert sich eigentlich nur für Schiffe. In unseren Interessen sind wir sehr verschieden und gehen unsere eigenen Wege."

Es ist nicht so, dass die Seniorin keine Freundinnen hätte, mit denen sie sich austauschen könnte. Doch die leben überall im Hamburger Großraum verstreut. Die Wege sind oft zu weit und mit zunehmendem Alter wird die Fahrerei eben immer beschwerlicher.

Ingeborg Kohlhardt ist in Flensburg groß geworden. Gemeinsam mit ihrem Vater hat sie eine Firma aufgebaut, später ihren Mann geheiratet, der bei der Lufthansa arbeitete. So kam sie zu ihrem Wohnort Norderstedt. "Durch den Beruf meines Mannes haben wir die ganze Welt bereist. Ich kann sagen, ich habe fast alles gesehen", sagt sie.

Wie aus Reiseerinnerungen ganze Vorträge werden könnten

Und kaum an die vielen Reisen erinnert, beginnt Ingeborg Kohlhardt zu erzählen. Wie sie vor vielen Jahrzehnten mit einem Auto mit Flensburger Kennzeichen in Südeuropa unterwegs war und an ihrem Auto plötzlich eine Einladung zum Abendessen unter den Scheibenwischer geklemmt vorfand. "Die Gorch Fock war in der Gegend, und ein Offizier hatte sich über mein Kennzeichen gefreut", sagt die Senioren. An Bord, beim Essen mit den Männern des Segelschulschiffs, erkennt Ingeborg Kohlhardt ein Bild von Adolf Bock, dem Maritimmaler an der Wand der Offiziersmesse. "Über meinen Vater hatte ich den einmal kennengelernt. Wir hatten einen Bock zu Hause an der Wand hängen." Ein Episode, die als Einleitung eines Vortrages über Adolf Bock und die Malerei auf hoher See in einem Treffen des Norderstedter Salons taugen könnte. Ingeborg Kohlhardt: "Wir alle haben solche Episoden erlebt. Wir müssen uns nur erinnern."

Ingeborg Kohlhardt hat so viele Interessen. In der Malerei liebt sie Edvard Munk, Wassily Kandinsky und Franz Marc und die anderen Blauen Reiter. In der Musik sind es die großen Klassiker, Brahms, Bach, Beethoven. "Nichts Atonales. Klassische Musik, die wir alle verstehen", sagt sie. Neben ihrem Bett finden sich gleich mehrere Bücher, die sie alle parallel liest. Gerne Thomas Mann oder Siegfried Lenz, aber mit Vorliebe auch Biografien. Derzeit, ganz aktuell, die von Multitalent Franz Lizst.

Wer Teil des Gesprächskreises werden möchte, erreicht Ingeborg Kohlhardt unter 040/522 24 08 oder unter ibo@wtnet.de per E-Mail.