In der Jungengruppe des Frauenhauses arbeiten Fünf- bis Zehnjährige ihre Gewalterfahrungen auf. Es fehlt oft das männliche Vorbild.

Norderstedt. Es gibt Jungen, die haben es früh in ihrem Leben mit Gewalt zu tun. Entweder verbaler, schlimmstenfalls körperlicher Gewalt. Manchmal werden sie geprügelt, manchmal prügeln sie sich mit anderen. Viele dieser Jungs haben keinen Vater mehr, sie leben allein mit ihrer Mutter. Es fehlt das männliche Vorbild. Die Mütter bleiben überfordert zurück.

Das Frauenhaus Norderstedt hat dieses Problem in konzentrierter Form. Mit den Frauen in Not, die mit ihren Söhnen im Frauenhaus Asyl finden. Für die Jungen fehlen die männlichen Bezugspersonen.

Mit zwölf Jungen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren startete das Frauenhaus deswegen 2004 die Jungengruppe mit dem Sportpädagogen Ghasem Spili, der auch in Hamburg etliche vergleichbare Projekte mit Jugendlichen initiiert hat. Spili beherrscht Judo und Ju-Jutsu. Während des Trainings mit den Jungen trägt er einen Judogi, den schneeweißen Kampfanzug der Judoka. Das sorgt für Respekt bei den Jungs, die in ihm nicht nur den Lehrer, sondern auch eine Mischung aus Vaterersatz und großem Bruder sehen.

In der Gruppe setzen sich die Jungen mit den Themen Gewalt und Männlichkeit auseinander, mit Begriffen wie Respekt, Toleranz, Ehrgefühl und Selbstwertgefühl. Mit den Jungen wird ein gesundes Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein erarbeitet. Die Aggressionen der Jungs, aber auch der ganz natürliche Bewegungs-Drang bekommen in Rollenspielen und auch im Kampf Junge gegen Junge ein Ventil. Doch es ist ein Gerangel nach klaren und fairen Regeln. Die Jungs lernen, wie sie ihre Kraft kontrolliert einsetzen, wie sie fair bleiben im Clinch. Begriffe wie Gewinnen, Verlieren, Männlichkeit, aber auch Weinen bekommen in Rollenspielen eine Bedeutung für die Jungen. Spilis Motto ist das "Siegen, ohne zu kämpfen". In einem Ringkampf kann der eine Junge gewinnen, weil er stark und fair gekämpft hat. "Aber auch der Verlierer gewinnt - weil er die Größe und den Mut hatte, rechtzeitig aufzugeben", sagt Spili.

Kodokan lehrt Frauen kostenlos die Kunst der Selbstverteidigung

Das Training erweitert die Fähigkeit der Jungs, sich in bestehende Angebote und Gruppen zu integrieren und dabei Regeln und Grenzen zu setzen und zu achten. Parallel zum Training bietet Kerstin Jordan-Bruns für die Eltern der Jungen Einzel- oder Gruppengespräche in einem separaten Raum und monatliche Elternabende an.

Das Angebot ist mittlerweile gut etabliert und wird intensiv genutzt. Im Jahr 2010 hat die Jungengruppe insgesamt 36 Trainingseinheiten gehabt. Insgesamt 18 Jungen nahmen teil, durchschnittlich besuchten neun Jungen die Treffen. An den Elterngesprächsangeboten zeitgleich zur Jungengruppe nahmen insgesamt 15 Eltern teil, auch die Elternabende wurden in der Regel von 15 Eltern besucht.

Finanziert wurde die Jungengruppe 2010 durch das Jugendamt der Stadt Norderstedt, das Frauenhaus und Elternbeiträge. Der Jugendhilfeausschuss hat jetzt einstimmig die weitere Förderung der Jungengruppe beschlossen. Dem Träger des Angebotes, dem Diakonischen Werk Hamburg-West/Südholstein, soll für die Jahre 2012 und 2013 jeweils Zuschüsse in Höhe von 3210 Euro pro Jahr gewährt werden. Einzige Auflage an den Träger ist die Erwartung des Ausschusses, dass vom Allgemeinen Sozialen Dienst Jungen vorrangig mit aufgenommen werden.

Die Eltern berichten von den positiven Auswirkungen der Jungengruppe auf ihre Kinder. An den Elternabenden wurden die Inhalte der Jungengruppe, Wahrnehmungen des Trainers und das Verhalten der Kinder in der Gruppe besprochen. Ghasem Spili sei es gelungen, die Eltern als Experten für die eigene Familiensituation anzusprechen, sie an pädagogische Themen heranzuführen, um daraus mit ihnen Lösungsstrategien für den Alltag zu entwickeln.