Die Vorstände des Kreisverbandes treten zurück. Auslöser der Krise ist eine Diskussion um die Frauenquote. Niemand weiß, wie es weitergeht.

Kreis Segeberg. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein könnten die Grünen im nächsten Jahr gut abschneiden: Bis zu 19 Prozent der Wählerstimmen, besagen die Wahlprognosen. Vor dem allgemeinen Hoch gehen die Grünen im Kreis Segeberg in die Knie: Der Kreisverband versinkt im Chaos. Die beiden Kreisvorsitzenden werfen hin und treten zurück, Mitglieder üben Kritik an der Frauenquote, die Gründung weiterer Ortsverbände klappt nicht, herausragende Köpfe fehlen. Niemand im Kreisverband weiß, wie es weitergeht.

Bis zum 29. Oktober lief im Kreisverband noch vieles glatt. Ein neuer Ortsverband in Norderstedt ließ bei vielen Grünen Hoffnungen aufkeimen, aber die Nominierung der Landtagskandidaten und der Delegierten für den Landesparteitag lief anschließend aus dem Ruder. Seitdem geht es im Kreisverband drunter und drüber. Sprecher und Geschäftsführer Jürgen Kaldewey trat zurück, weil er nicht zum Landtagskandidaten gewählt wurde, seine Frau Ulrike, ebenfalls Sprecherin und damit Kreisvorsitzende der Grünen, gab gestern ihren Rücktritt bekannt, weil sie sich nicht "mühsamen Diskussionen über Quotierungen" unterwerfen will.

Auslöser für den Eklat bei den Grünen war ein Antrag von zahlreichen Mitgliedern der Kreisverbände Segeberg, Plön und Stormarn während der Grünen-Tagung in der Segeberg Jugendakademie. Darin wollen 21 Frauen und Männer die Frauenquote für die Nominierungs- und Wahlversammlung aufzuweichen und die Freigabe der Delegiertenplätze für den Landesparteitag zu erreichen. Der Antrag der "Grünen-Rebellen" traf auf vehemente Gegenwehr. Nach dieser Abstimmung wurden mit vielen Sitzungsunterbrechungen stundenlang diskutiert und gewählt - und zwar nach diesem Muster: Männer kandidieren auf geraden Plätzen, Frauen auf ungeraden, wenn sie wollen, auf allen Plätzen, beginnend bei Nummer eins. Vakante Frauenplätze dürfen nicht durch Männer besetzt werden, sie werden vorläufig frei gehalten. Für den Landtag sollten nur Frauen kandidieren. Dieser Teil des Frauenstatuts konnte allerdings nicht eingehalten werden, weil es für zwei Wahlkreise (Segeberg-Ost und Segeberg-West) keine Kandidatinnen gab. Hier wurden Peter Stoltenberg (Ost) und Andreas Lübker (West) trotz Frauenstatus gewählt.

Ulrike Kaldewey, seit fünf Jahren zusammen mit ihrem Mann Jürgen Sprecherin und Vorsitzende des Kreisverbandes, ist frustriert über das Verhalten anderer Mitglieder: "Ich bin den Grünen beigetreten, um die Vielfalt unserer Erde zu erhalten, dafür stehe ich. Wenn ich mich dazu aber mühsamen Diskussionen über Quotierungen unterwerfen muss, die je nach Situation nur halbherzig umgesetzt werden, möchte ich lieber einen anderen Weg gehen."

Ihren Parteiaustritt verkündete gestern auch Nadine Sievert aus Kaltenkirchen. Sie sieht sich als Frau diskriminiert, "weil man bei den Grünen immer noch auf sein Geschlecht reduziert wird". Die Befähigung der Kandidaten spiele keine Rolle. Sie spricht von einer "fanatischen Art und Weise", wie während der Mitgliederversammlung in Bad Segeberg mit den männlichen Parteikollegen umgegangen worden sei.

Katrin Schmieder, frisch gekürte Landtagskandidatin aus Norderstedt, fühlt sich "jeden Tag durch neue Dinge überrascht". Als Mitglied des neuen Norderstedter Ortsverbandes sind ihr viele der schwelenden Probleme noch nicht bekannt, aber sie steht zum Frauenstatut: "Ich sehe keine Gründe, davon abzurücken."