Die Quickborner Interessengemeinschaft will die derzeitige Bahnbenutzungsregeln kippen. Die Norderstedter sagen Unterstützung zu.

Norderstedt. "Die Hoffnung auf weniger Fluglärm hat enorm Auftrieb bekommen", sagt Hans Schwarz, Vorsitzender der Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz (NIG). Was ihn positiv stimmt, ist ein Beschluss der Interessengemeinschaft (IG) Flugschneise Nord. Die Organisation, die 300 Fluglärm-Gegner rund um Quickborn vereint und eng mit der NIG kooperiert, will gegen den Hamburger Senat klagen.

Einstimmig beauftragten die insgesamt 45 Mitglieder, die am Donnerstagabend zur Versammlung gekommen waren, den Vorstand, diese Klage vorzubereiten. Ziel ist es, die geltende Bahnbenutzungsregeln (BBR) des Hamburger Flughafens zu kippen, die aus Sicht der Fluglärmgegner einseitig die schleswig-holsteinischen Kommunen Quickborn, Hasloh, Norderstedt, Ellerau und Henstedt-Ulzburg benachteiligen. Jahr für Jahr wird fast die Hälfte aller Starts und Landungen von und nach Fuhlsbüttel über die nördliche Landebahn abgewickelt. "Wir leiden besonders, weil mehr als 70 Prozent der Maschinen über Norderstedt hinweg starten, und Starts mehr Lärm verursachen als Landungen", sagt NIG-Chef Schwarz.

Die Norderstedter wollen die Nachbarn aus Quickborn bei ihrer Klage unterstützen. "Allerdings können weder IG noch NIG klagen, sondern nur Einzelpersonen", sagt Schwarz. "Wir haben die Klage zwei Jahre zurückgehalten und auf die Verhandlungen zwischen Kiel und Hamburg gesetzt", sagt Eberhard von Lany, Vorsitzender der IG Flugschneise Nord. "Aber wie lange wollen wir noch verhandeln? Wir fühlen uns mittlerweile an der Nase herumgeführt." Bei seinem Amtsantritt 1999 hieß es, es müssten dicke Bretter gebohrt werden, sagte von Lany. "Aber offenbar ist der Bohrer kaputt, sonst müsste doch nach zwölf Jahren Bohren endlich mal ein Loch im Brett sein."

Die Fluglärm-Gegner setzen nun die juristische Bohrmaschine an und wollen vor dem Hamburger Verwaltungsgericht klagen. Ihr Bohrfutter liefert der renommierte Verwaltungsrechtler Wilhelm Mecklenburg aus Pinneberg, der gerade für die vorzeitige Neuwahl des Landtages in Schleswig-Holstein sorgte und die Gegner der Westumgehung in Pinneberg vertritt. Er sagt: "Die Klage macht Sinn." Bereits 2008 hatte Mecklenburg in einem 70-seitigen Rechtsgutachten nachgewiesen, das die praktizierte BBR nicht mehr gültig sei. Dies soll jetzt gerichtlich bestätigt werden. Zwei weitere juristische Stellungnahmen, die die Stadtverwaltung Quickborn eingeholt hat, bestätigen diese Rechtsauffassung.

Die Fluglärmgegner haben lange auf den Verhandlungsweg gesetzt

Und auch Hamburg nimmt die bevorstehende juristische Auseinandersetzung sehr ernst. Bereits 2009, kurz nachdem die Klageschrift von Mecklenburg vorlag, hat Hamburg bei der Deutschen Flugsicherung eine neue Regelung für die Flugrouten angemeldet, um gewappnet zu sein, falls die Fluglärm-Gegner vor Gericht Recht bekommen sollten.

Zudem bestätigt eine Sprecherin der Behörde für Wirtschaft und Verkehr Mecklenburg in einem Schreiben, dass diese nach der Klageandrohung 2009 vorsorglich eine "interne Stellungnahme erarbeitet (habe), in dem die Fragen zur Rechtmäßigkeit der BBR erörtert wurden". Mecklenburg dürfe diese Expertise aber nicht einsehen.

Von Lany hatte noch mal das Vorgehen der IG seit 2008 nachgezeichnet. Danach suchten die Fluglärmgegner lange den Verhandlungsweg, schalteten das Verkehrsministerium Kiel als Vermittlerin ein und formulierten vor genau zwei Jahren einen Neun-Punkte-Plan, den alle fünf betroffenen Kommunen unterzeichneten. Kernforderung ist die Begrenzung auf höchstens 60 000 Flüge pro Jahr in Richtung Norden (2010: 67 397) und 35 Prozent aller Flugbewegungen (2010: 44 Prozent).

Enttäuscht sind die IG-Mitstreiter von Bürgermeister Thomas Köppl. Dieser habe ihr Anliegen immer wieder torpediert, zuletzt indem er auf die Gremien Quickborns sowie auf Norderstedt und Ellerau eingewirkt habe, diese Klage nicht finanziell zu unterstützen. "Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir die Klage nur nach vorheriger Prüfung der Erfolgsaussichten unterstützen werden", sagt Hauke Borchardt, Sprecher der Norderstedter Stadtverwaltung. Nach einem Gespräch mit Quickborns Bürgermeister habe man sich dessen Meinung angeschlossen. Zwar könnten die Bahnbenutzungsregeln zu Fall gebracht werden. Doch es bestehe die Gefahr, dass eine neue Regelung die Umlandbewohner noch stärker mit Fluglärm belastet als bisher.

Die Gemeindevertreterin Elisabeth von Bressensdorf (CDU) aus Henstedt-Ulzburg kündigte an, dass ihre Gemeinde mit Sicherheit die Klage mitfinanzieren werde. Auch Hasloh will die Klage mittragen. Mit 14 000 Euro sei die Kasse der IG Flugschneise Nord ausreichend gefüllt, um die von Anwalt Mecklenburg prognostizierten Prozesskosten von rund 10 000 Euro zu bezahlen. Der Jurist will keine Vorhersage wagen, wie der Rechtsstreit ausgeht. "Aber dass es so extrem bleibt wie jetzt, dass eine Startbahn praktisch unbenutzt ist, halte ich doch für sehr unwahrscheinlich."