Ein Prozess könnte dazu führen, dass die Stadt noch mehr Fluglärm hinnehmen muss. Ursprünglich wollte sich Norderstedt an einer Klage beteiligen.

Norderstedt. Die Phalanx bröckelt: Norderstedt wird eine Klage gegen den Fluglärm nicht mehr unterstützen. Nachdem schon Quickborn ausgeschert war, hat sich auch die Norderstedter Verwaltung für einen Verzicht entschieden. "Entscheidend war für uns, dass unseren Bürgern nach einem Prozess möglicherweise mehr Lärm droht als bisher", sagt der Sprecher der Stadtverwaltung, Hauke Borchardt, der die Interessen Norderstedts auch in der Fluglärmschutzkommission vertritt. Ursprünglich hatte die Stadt der Interessengemeinschaft Flugschneise Nord, die die Klage einreichen will, finanzielle Hilfe zugesagt. 2000 Euro sollten als Anteil an den geschätzten Verfahrenskosten von rund 10 000 Euro fließen.

Der Verwaltungsrechtler Wilhelm Mecklenburg hatte vor drei Jahren in einem Rechtsgutachten dargelegt, dass die geltenden Bahnbenutzungsregelungen in Fuhlsbüttel nicht rechtsgültig seien. Damit fehle die Grundlage für die ungerechte Verteilung der Starts und Landungen zwischen Hamburg und den Umlandgemeinden. Die Stadt Quickborn hatte zwei weitere Fachanwälte eingeschaltet. Fazit: Zwar könne die Klage erfolgreich sein, weil die Bahnbenutzungsregelung tatsächlich fragwürdig sei. Bei Erfolg vor Gericht wäre eine Neuregelung nötig, die die Umlandgemeinden sogar noch stärker mit Fluglärm belasten könnte.

Norderstedt schließt sich dieser Auffassung an, auch Ellerau und Henstedt-Ulzburg sind abgesprungen. In ihrer Mitgliederversammlung am 3. November will die IG Flugschneise entscheiden, ob sie die Klage im Alleingang durchzieht.

Die GALiN-Fraktion nimmt den Norderstedter Rückzieher mit Bedauern zur Kenntnis. "Wir erwarten, dass Oberbürgermeister Grote jetzt zu seinem Wort steht und die Klage mit einer teilweisen Übernahme der Prozesskosten unterstützt", sagt GALiN-Fraktionschefin Maren Plaschnick. Der 2008 in der Stadtvertretung Norderstedt verabschiedete "Lärmaktionsplan 2013 - Norderstedt lebenswert leise" stelle in seiner Präambel, die von der GALiN-Fraktion initiiert worden sei, ausdrücklich fest: "Auch der Fluglärm verursacht erhebliche Lärmbelastungen. Im Interesse der Norderstedter Bevölkerung ist es daher wichtig, eine spürbare Reduzierung des vom Hamburger Flughafen ausgehenden Fluglärms zu erreichen."

Stadt räumt ein, dass alle bisherigen Bemühungen gescheitert sind

Zwar sei verabredet worden, dass alle betroffenen Umlandkommunen unter Federführung Hamburgs einen gemeinsamen Lärmaktionsplan erarbeiten. Das steht jedenfalls auf der städtischen Homepage unter dem Stichwort "Lärmaktionsplan". Doch im nächsten Satz räume die Stadt gleich ein, dass alle Bemühungen, die Lärmbelastung gerechter zwischen dem Umland und der Metropole zu verteilen, gescheitert seien: "Viel mehr als eine Mitwirkungsveranstaltung für die betroffenen Umlandgemeinden Hasloh, Quickborn und Norderstedt am 30. Oktober 2008 im Norderstedter Rathaus fand bislang jedoch nicht statt". Dabei habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg festgestellt, dass die körperliche Unversehrtheit der Menschen ein hohes, schützenswertes Rechtsgut ist, das Staat und Wirtschaft nicht fahrlässig oder vorsätzlich gefährden dürfen. Auch Nichtstun, also Unterlassung, wie hier durch Hamburg, sei eine solche Gefährdung.

Auch die Linke fordert die Stadt auf, sich weiter an einer Klage zu beteiligen: "Im Vergleich zu anderen, nicht immer sinnvollen Ausgaben wären diese 2000 Euro gut investiert", sagt Fraktionschef Miro Berbig. Nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" müssten Verwaltung und Politiker alle Chancen nutzen, den Fluglärm für die Norderstedter zu reduzieren.

"Wir haben schon einmal erlebt, dass wir mit einer Klage gescheitert sind", sagt SPD-Fraktionschef Jürgen Lange. Die Stadt habe wenig Einfluss auf den Fluglärm, deshalb sei diese Lärmquelle auch ausdrücklich nicht Teil des Lärmaktionsplanes. "Wir sollten nicht vergessen, dass wir ja auch vom Flughafen profitieren. Deswegen sind Gespräche und Verhandlungen der bessere Weg", sagt Lange.

Schumacher (CDU): "Wir sollten den Flughafen nicht als Gegner sehen"

Ähnlich sieht das auch Arne Schumacher (CDU): "Zwar ärgern wir uns über des Flugzeug, das über der Stadt herumkurvt. Aber wir sollten den Flughafen nicht als Gegner sehen. Schließlich bemühen sich die Verantwortlichen, den Fluglärm zu verringern, indem laute Maschinen mehr Start- und Landegebühren zahlen." Positiv sei auch, dass das Nachtflugverbot nicht weiter aufgeweicht worden sei.

Die FDP will die Chancen für eine Klage prüfen. "Wir als Stadt können wenig gegen den Fluglärm tun", sagt FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder. Auch er favorisiert Verhandlungen.