Mit dem Kriminalfall “Tannöd“ nach dem Erfolgs-Roman von Andrea Maria Schenkel eröffnete die “TriBühne“ die neue Theater-Saison.

Norderstedt. Bedrohliches Klappern, bohrendes Pochen, unheilvolles Knarren - schon die Geräusche lassen Unheil ahnen, bevor das Spiel auf der Bühne überhaupt beginnt. Raue, graue Kirchenbänke stehen aufgereiht in einer kargen, schwarz-weiß-grauen Kulisse, in einer Ecke sind sie zu einem Turm gestapelt, der jeden Moment einzustürzen droht. "Herr, erbarme dich unser", beten die Schauspieler, Angst vor dem Unheil liegt in ihren Stimmen.

Eine Stalltür steht einen Spalt auf, an den Wänden hängen Porträts von Menschen, die es nicht mehr gibt. Sie wurden ermordet, mit einer Hacke erschlagen, von wem, ist unbekannt seit Jahrzehnten. Für die Bühne werden sie wieder lebendig, erzählen vom Leid ihres Lebens, von der Dumpfheit auf dem Einöd-Hof Anfang der 50er-Jahre, die dumpfen Parolen des Hitler-Regimes leben hier weiter, erzählen von Gewalt und Vergewaltigung, von unerfüllter Liebe, von Hass und Tyrannei: "Herr, erbarme dich unser."

Mit "Tannöd", dem Erfolgsroman von Andrea Maria Schenkel über einen sechsfachen Mord im bayrischen Hinterkalkfeck, eröffnete das Tournee-Theaterunternehmen Euro-Studio Landgraf die neue Theater-Saison in der "TriBühne" am Rathaus und setzte damit die Qualitätslatte für kommende Aufführungen sehr hoch. Leider wollten nur 200 Zuschauer das Kriminalstück sehen, dessen Geschehen die Autorin von 1922 in die 50er-Jahre verlegte. Regisseurin Maya Franke folgte ihr mit der ungewöhnlich dicht erzählenden Inszenierung.

"Herr, erbarme dich unser" - das Gebet wird immer magischer und zieht die Zuschauer in den Bann und ins mörderische Verbrechen, dass acht Schauspieler in 20 Rollen auf der Bühne ausbreiten. Frauen leiden, Männer brechen in anzügliches Gelächter aus, doch es bleibt ihnen im Halse stecken, zu grausig ist die Tat, obwohl, sie haben es ja immer gewusst, dass dort etwas nicht stimmt auf dem Tannöd-Hof mit dem alten Danner und seiner Tochter Barbara: "Herr, erbarme dich unser."

Die Tochter spielt Susanne Rögner, und ihr gelingt das schauspielerische Kunststück, auch zu reden, wenn sie schweigt. Mit knappen Gesten drückt sie ihre Qual aus, ihre Liebe zum Vater und ihre Rache an ihn. Sie entmachtet den Tyrannen, bringt ihn um den Hof.

Werner Koller ist Danner, ein finsterer Geselle. Er grölt tyrannisch, wütet gegen Gott und die Welt, bringt sein dumpfes Ahnen des Unheils fast physisch über die Rampe.

Einen wahren Seelenspiegel breitet Karin Oehme als alte Dannerin aus. Sie ist das verliebte Mädchen von einst, die geschundene, vom Ehemann geschlagene Frau, die ihre Tochter auf dem Acker zur Welt bringen muss, die Liebende, die sich auch dann noch nicht wehrt, als er die eigene Tochter schändet: "Herr, erbarme dich unser."

Einen kurzen Lichtblick ins grausige Spiel bringen die Freundinnen-Szenen mit Constanze Passin als Barbaras Tochter Marianne und deren Freundin Betty, gespielt von Stefanie Breselow. Doch auch sie lassen in ihrem übermütigen Spiel das aufziehende Unwetter durchscheinen. Das Aufatmen ist kurz, die Katastrophe unausweichlich, dokumentiert in immer wieder abrupt abbrechendem Spiel. Breselow spielt auch Marie, die Magd, die am Abend vor dem Mord auf den Hof zieht und damit in den Tod. Beklemmend, wie sie ihr Spiel von der Unbekümmertheit zur Angst wandelt, und damit die Hoffnungslosigkeit der Menschen auf dem Tannöd-Hof scheinbar laut hinaus schreit: "Herr, erbarme dich unser".