Sportverein meldet zum 30. September alle Mannschaften vom Spielbetrieb ab. Ob ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist noch unklar

Kisdorf. Der gefiederte Albtraum ist zwar nur ein Geschöpf der Fantasie. Doch wer sich erst mal in den fiktiven Krallen des Pleitegeiers befindet, hat ein ganz reales Problem: die Finanzen. So wie der Sport-Club Kisdorf. Der 870 Mitglieder starke Verein mit elf Sparten wird zum 30. September alle Mannschaften vom Spielbetrieb abmelden.

Parallel dazu reicht der vom Amtsgericht Norderstedt eingesetzte Insolvenz-Sachverständige Jürgen Holst von der Hamburger Sozietät Diestel & Partner beim Amtsgericht Norderstedt sein auf Basis der vom SCK zur Verfügung gestellten Zahlen erstelltes Gutachten ein. Nach Durchsicht der Unterlagen entscheidet dann der zuständige Richter, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Verhandlungsmasse gar nicht erst angeschoben wird. Der letzte Akt des Verfahrens wäre die Löschung des SC Kisdorf aus dem Vereinsregister durch das Amtsgericht Kiel.

Der kommissarische Vereinschef Claus Rath, der nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Günter Klemm Mitte August und dem kurzfristigen Rückzug der Stellvertreter als 4. Vorsitzender an die Spitze des Klubs aufrückte, sieht keine Alternative zur zweiten Variante. "Der SCK hat kaum Sachvermögen - und das Geld auf unserem Konto reicht nicht einmal für zwei Bier im Klubhaus. Ich habe in den vergangenen Wochen zusammen mit Kassenwart Werner Franke und Kassenprüfer Günther Deike Akten gewälzt, Protokolle gelesen, die Ausgaben durchforstet und eine Vollkostenkalkulation erstellt. Der SC Kisdorf ist zahlungsunfähig und überschuldet - das ist Fakt."

Die Verbindlichkeiten bewegen sich laut Rath im fünfstelligen Bereich; hinzu kämen selbst im Fall eines rigiden Sparkurses pro Quartal Schulden in Höhe einer mittleren vierstelligen Summe. "Das ist ein Fass ohne Boden. Der Sportbetrieb ist defizitär, und nun wird leider das letzte Kapitel in der Geschichte des SC Kisdorf geschrieben."

Amtsgericht prüft, ob möglicherweise ein Strafverfahren eingeleitet wird

Wie aber konnte es dazu kommen? "Der harte Schnitt, zu dem wir nun gezwungen sind, ist die Folge vieler Versäumnisse in der Vergangenheit. Ein Sportverein lässt sich nicht mehr so führen wie noch in den 70er- oder 80er-Jahren. Man braucht Leute im Hintergrund, die sich unaufgeregt mit den Finanzen befassen. Die Entscheidung, im November 2010 ein Steuerbüro damit zu beauftragen, sich um die Buchhaltung des SCK zu kümmern, ist sechs Jahre zu spät getroffen worden."

Das finanzielle Debakel des SC Kisdorf hat eine längere Vorgeschichte: "Die Kassenprüfer haben in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass sich der Verein am Rande der Zahlungsunfähigkeit befindet, sie sind aber weitestgehend ignoriert worden", so Claus Rath, "das Amtsgericht Norderstedt wird nun sicherlich prüfen, ob es in diesem Zusammenhang Versäumnisse gegeben hat, die möglicherweise ein Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung nach sich ziehen können und wer für die entstandenen Verbindlichkeiten haftet."

Übungsleiterhonorare haben sich seit 2005 verdoppelt

Als Kostentreiber hat der 46 Jahre alte Rath, der bei der Firma Jungheinrich als Serviceleiter für den Bereich Schleswig-Holstein arbeitet, unter anderem die großen Sparten Fußball, Handball und Basketball identifiziert. "2005 haben wir 40 000 Euro für Übungsleiterhonorare ausgegeben, inzwischen hat sich der Betrag verdoppelt. Das ist logisch; wer leistungsorientiert Sport treiben möchte, muss qualifizierte Trainer beschäftigen. Dem gegenüber steht eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge im Jahr 2010 um 4 Euro - das kann sich so nicht rechnen."

Ein weiterer Schlag ins Kontor: Die Tanzsparte, die seit März 2010 ihr Domizil im Saal an der Dorfstraße hat und zunächst kostendeckend arbeitete, hat inzwischen 50 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Hinzu kommt die Miete für die Räume, in denen erst seit Mai 2011 Gesundheitssport betrieben wird.

Leidtragende des Dilemmas sind Betreuer, Trainer und Aktive - insbesondere die Verbandsliga-Fußballmannschaft. Die Elf von Trainer Sven Firsching wird am Sonntag um 15 Uhr beim TuS Garbek definitiv ihr letztes Match in der zweithöchsten schleswig-holsteinischen Klasse bestreiten. Das Viertelfinale im Kreispokal Segeberg gegen die Kaltenkirchener TS am Mittwoch, 28. September, auf dem Sportplatz Strietkamp, ist das Abschiedsspiel vor eigenem Publikum.

Hans-Otto Woroniak, Vorsitzender des Kreisfußballverbandes Segeberg: "Der SC Kisdorf wäre nach Abmeldung des Teams erster Absteiger aus der Verbandsliga Süd-West. Sollte der Verein aufgelöst werden, dürften die Fußballer sofort für andere Vereine auflaufen."

In Kisdorf wird weiterhin Sport getrieben werden

Anders ist die Lage für die Handballfrauen des SC Kisdorf, die zusammen mit dem SV Henstedt-Ulzburg eine Spielgemeinschaft bilden; das erste Team tritt in der dritthöchsten deutschen Klasse, der 3. Liga Nord, an. Partnerverein SVHU und der Handballverband Schleswig-Holstein haben signalisiert, den Fall SCK wohlwollend zu prüfen; demzufolge ist kaum zu befürchten, dass die Mannschaften der HFHUK abgemeldet werden. Glück im Unglück haben auch die Fußball-Jugendteams des SC Kisdorf, die seit einigen Jahren mit dem TSV Kattendorf kooperieren. Sie dürfen weiterhin wettkampfmäßig auf Torejagd gehen.

Die gute Nachricht trotz aller Hiobsbotschaften: In Kisdorf wird auch in Zukunft Sport getrieben werden. Bürgermeister Reimer Wisch: "Wir fühlen uns vor allem gegenüber den etwa 500 Kindern und Jugendlichen des SCK verpflichtet." Die Gemeinde, die den Verein zuletzt jährlich mit etwa 75 000 Euro unterstützte, hat versicherungstechnisch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Übungsleiter ehrenamtlich weiterhin ein geregeltes Jugendtraining anbieten können.

Die Fußballsparte ist schon einen Schritt weiter. Claus Rath: "Es gibt Bestrebungen, einen neuen Verein zu gründen, der dann in der Saison 2011/2012 den Spielbetrieb aufnehmen könnte." Wenn auch nur in der Kreisklasse D, der untersten Klasse in Schleswig-Holstein...