Erich-Kästner-Regionalschule in Kaltenkirchen ging aus zwei Hauptschulen hervor. Helmut Schmidt kümmert sich besonders um die schwachen Schüler

Heute stehen die großen Flüsse und Gebirge Europas auf dem Stundenplan. Helmut Schmidt entrollt am Ständer die große Landkarte. Auf den Tischen liegen die Arbeitsbögen. Langsam kehrt in der Klasse Ruhe ein. Nach einem kurzen Blick auf die Bögen wissen die Schüler, dass jetzt Konzentration gefordert ist: Wie heißt das Gebirge in Norwegen? Und das auf dem Balkan? Helmut Schmidt geht von Tisch zu Tisch, gibt Tipps und Hinweise. "Die Aufgabe ist nicht leicht", sagt er seinen Schülern.

Flex-Klasse heißt das Projekt, das Schmidt und Sozialpädagogin Sigrid Schulze in der Erich-Kästner-Regionalschule in Kaltenkirchen betreuen. Manchmal kommt eine Lehrerin aus einer Förderschule dazu.

"Im letzten Jahr haben es alle geschafft, das ist ein Riesenerfolg"

Die Schüler der Flex-Klasse absolvieren die achte und neunte Klasse in drei Jahren, um ihre Chancen zu vergrößern, die Schule mit einem Hauptschulabschluss verlassen zu können. Der Älteste ist 19 Jahre alt. "Im letzten Jahr haben es alle geschafft", sagt Schmidt stolz. "Das ist ein Riesenerfolg." In der Region bietet die Erich-Kästner-Schule als einzige die Flex-Klassen an. Sie gehörte auch zu den ersten, die Integrationsklassen einrichtete. "Das ist ein Markenzeichen unserer Schule", sagt Schmidt. "Wir kümmern uns besonders um die Schwachen."

"Und um die Starken!", sagt Schulleiter Uwe Stegemann. Die neue Form der Regionalschule mit Haupt- oder Realschulabschluss ermögliche es auch, die stärkeren Kinder zu fördern. "Ein Kind aus der Orientierungsstufe konnte vor Kurzem zum Gymnasium wechseln", sagt der stolze Schulleiter, der Erfolge wie diese auf die Individualisierung des Unterrichts und ein gutes Lehrerteam zurückführt. "Das sind hoch motivierte Kollegen", sagt Stegemann. "Da gibt es keine Einzelgänger."

Noch lebt die alte Hauptschule unter dem Schuldach

Differenzierung und Individualisierung - das sind Aufgaben, auf die seit der Einführung der Regionalschulen in Schleswig-Holstein großer Wert gelegt wird. Außerdem steht die Erich-Kästner-Schule vor der Herausforderung, zwei Schulen in einer organisieren zu müssen. Erich-Kästner-Regionalschule steht zwar über dem Haupteingang. Doch unter dem Dach lebt noch die alte Hauptschule weiter, bis die letzten Jahrgänge sie verlassen haben und durch die nachwachsenden Klassen der Regionalschule ersetzt worden sind. Im Sommer ist die erste Klasse 7 der neuen Schulform gestartet. In jedem Jahr kann Stegemann neue Realschullehrer begrüßen, die sein Team verstärken.

Der 60-jährige Helmut Schmidt steht für 35 Jahre Erfahrung im Dienst der Hauptschule. "Wir haben uns damals als Brennpunktschule verstanden", sagt er über seine Jahre in der Hauptschule mit vielen Schülern, die er als schwierig bezeichnet. "Viele hielten sich nicht an Regeln, kamen aus zerrütteten Elternhäusern und waren einfach nicht stark genug für die Schule." Klassen mit mehr als 30 Kindern waren der Regelfall. Heute sind es im Schnitt 25.

Leichter sei die Arbeit mit den Schülern nicht geworden, sagt Stegemann. "Sie sind unruhiger. Einige haben Aufmerksamkeitsdefizite. Hinzu kommt der große Einfluss von Medien." Besonders für junge Lehrer sei es manchmal schwierig, sich vor einer Klasse zu behaupten.

Nathalie und Marten wollen den Realschulabschluss

Andererseits ist der erfahrene Pädagoge begeistert über die Jungen und Mädchen, die hartnäckig und ehrgeizig ihre Ziele verfolgen. "Wir haben sehr viele, sehr nette Schüler, die viel Biss haben und den Realschulabschluss machen wollen", sagt Schmidt. Dazu gehören zum Beispiel die beiden Schülersprecher Nathalie Westphal und Marten Klindworth. Beide besuchen die neunte Klasse des Hauptschulzweiges, werden im kommenden Jahr ihren Abschluss absolvieren und danach zur nächsten Schule durchstarten. Noch lieber wäre es Nathalie gewesen, wenn auch sie von Regionalschule mit ihren individuellen Angeboten profitieren könnte, die den Realschulabschluss anbietet. Doch dieser Weg bleibt den nachrückenden Schülern der unteren Klassen vorbehalten.

Schon dreimal hat die Schülerzeitung erste Preise gewonnen

Beide sind mit ihrer Schule, die sie bald verlassen müssen, zufrieden. "Ich fühle mich hier wohl", sagt der 14-jährige Marten. Zwar störe ihn während des Unterrichts oft der Lärm im Klassenraum. Dennoch sprechen er und die gleichaltrige Nathalie von einem friedlichen Miteinander an der Schule. 24 Schüler in einer Klasse - das sei eine gute Zahl, meint Marten.

Auch die zweite Vorsitzende des Elternbeirats, Sabine Behrendt, bedauert, dass die Regionalschule nicht früher eingeführt wurde. Über die Erfolge ihrer Kinder auf der Hauptschule freut sich die Mutter von vier Kindern dennoch: Ihre Tochter, 18, und ihr Sohn, 15, haben sofort nach ihrer Hauptschulprüfung einen Ausbildungsplatz gefunden. Der 13-jährige Filius von Sabine Behrendt ist der erste aus der Familie, der die Vorzüge der Regionalschule kennengelernt hat. Und der elfjährige Sohn wurde im Sommer dort eingeschult. "Ich bin wirklich sehr glücklich mit dieser Schule", sagt Sabine Behrendt.

Die Schule darf sich sogar mit Preisen schmücken. Dreimal hat die Schülerzeitung beim Landeswettbewerb den ersten Preis gewonnen. 44 Seiten ist die kleine Postille stark und erscheint zweimal im Jahr. Zur Redaktion gehören zehn Schüler. Lehrer Heinrich Pantel, der das Projekt seit 15 Jahren betreut, spricht meist ältere Schüler an, die Themen beisteuern. Zudem erscheinen darin Beiträge von Kindern, die sich nachmittags in der Offenen Ganztagsschule als Nachwuchsredakteure versuchen. Früher hieß das Blatt "Schülerzeitung", heute trägt es den Namen "Huups".

Schulleiter Uwe Stegemann hat festgestellt, dass die Akzeptanz seiner Schule in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist. Sein nächstes Ziel ist klar: Er will die Erich-Kästner-Regionalschule in eine gebundene Ganztagsschule verwandeln.

Am kommenden Freitag stellen wir in unserer Serie die Schule im Alsterland vor.