GEW will die vom Land verfügten Kürzungen im Bildungsbereich nicht widerstandslos hinnehmen und plant nun Protestaktionen.

Kreis Segeberg. In den Schulen formiert sich der Widerstand gegen den Abbau der Lehrerstellen. Der Kreis Segeberg leidet überdurchschnittlich unter den vom Land verfügten Kürzungen im Bildungsbereich. Grund-, Regional- und Gemeinschaftsschulen müssen seit diesem Schuljahr mit rund 40 Planstellen weniger auskommen.

Die SPD in Itzstedt nimmt die Einschnitte für die Schule im Alsterland (Gemeinschaftsschule Amt Itzstedt) nicht mehr widerspruchslos hin. Ortschef Helmut Thran hat zusammen mit Marc André Ehlers aus Nahe und Diane Brüggemann aus Oering blaue Briefe an die Segeberger Schulrätin Adelia Schuldt übergeben. Sie hat versprochen, die Protestschreiben sofort an Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) in Kiel weiterzuleiten.

An der Schule im Alsterland fehlen acht Planstellen

"Trotz gestiegener Schülerzahlen wurden an der Schule drei Lehrerstellen gestrichen", schreibt Thran. Zum vorigen Schuljahr lernten an der Gemeinschaftsschule 747 Schüler, zum gerade angelaufenen Schuljahr stieg die Zahl auf 825. Das bedeutet, so der SPD-Chef, dass die Schule eigentlich 4,9 Planstellen mehr hätte bekommen müssen. In der Summe fehlten also tatsächlich knapp acht Stellen.

Kürzungen und Streichungen im Wahlpflichtbereich, in der verlässlichen Grundschule, bei Differenzierungs- und Koordinierungsstunden, bei der Sportförderung sowie der Lese- und Rechtschreibförderung seien die Folge. Und das bei bis zu 28 Schülerinnen und Schülern pro Klasse.

"Besonders bedauerlich ist es, dass diese Kürzungen die Schwächsten treffen, die Kinder, die sich nicht wehren können. Sie treffen die Zukunft unserer Gesellschaft", heißt es im Schreiben weiter. In Sonntagsreden werde die Bildungsrepublik proklamiert, und es werde immer wieder zugesagt, bei der Bildung nicht zu sparen, sondern zusätzlich zu investieren. "In der Schulrealität entlarvten sich diese Zusagen als falsch - zumindest in unserem Lande und an unserer Schule", schreibt Thran. Hier stünden mal wieder die Glaubwürdigkeit von Politik und Verwaltung und das Vertrauen der Bürger zu den Politikern auf dem Spiel.

Die Gemeinden hätten trotz angespannter Haushalte und geringer Landesförderung rund 4,5 Millionen Euro investiert, um die Schule im Alsterland mit modernen Unterrichtsmitteln und Räumen auszustatten. Doch diese Kraftanstrengung der Gemeinden zur Bildungsförderung werde durch die Streichung der Lehrerstellen vom Land vollkommen zunichte gemacht. "Stehen Sie zu Ihren Zusagen, nehmen Sie die Einsparung der Planstellen an unserer Schule zurück und weisen Sie unserer Schule die acht fehlenden Lehrerstellen kurzfristig zu", lautet der Appell von Thran an Minister Klug.

"Der Kreis Segeberg musste landesweit am stärksten bluten", sagt Sabine Duggen, Kreis-Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW. Wie im gesamten Land seien auch hier gut fünf Prozent der Lehrerstellen abgebaut worden. Dabei sei die Schülerzahl hier nur um ein Prozent zurückgegangen. "Dadurch mussten die Gemeinschaftsschulen die Differenzierungsstunden von sechs auf drei pro Woche zusammenstreichen. Diese Kürzung trifft die Schulen ins Mark, sind doch Differenzierung und individuelle Förderung Herzstücke dieser Schulform", sagt die GEW-Chefin.

Auch an vielen Grundschulen werde nur noch der Mangel verwaltet. "Die Klassen sind zu groß, es gibt zu wenige Lehrerstunden vor allem für Sonderschullehrer, die die Grundschulkollegen unterstützen sollen", sagen Grundschullehrerin Inge Dutko und Sonderschullehrerin Birgit Engebrecht von der Arbeitsgruppe Prävention und Integration der GEW.

Ministerium geht von durchschnittlich 22 Kindern in einer Klasse aus

Sie habe 32 Schüler einer dritten Klasse in Englisch unterrichtet, damit die Klasse in Deutsch geteilt werden kann. Das Ministerium gehe von durchschnittlich 22 Kindern in einer Grundschulklasse aus und bemesse die Lehrerstunden danach. Sind die Klassen größer, könnten die Schulen die Klassen zwar teilen, hätten aber nicht genug Lehrerstunden dafür. Schleswig-Holstein gelte bisher als Musterländle für Prävention und Integration. "Wenn das so bleiben soll, brauchen wir erheblich mehr Personal", sagt Birgit Engebrecht.

Früher seien nach den Schuleingangs-Untersuchungen fünf bis zehn Prozent der Kinder als nicht schulfähig zurückgestellt worden. Heute werden alle eingeschult, wenn die Eltern nicht anders entscheiden. Dadurch gebe es eine bunte Mischung von leistungsstarken und -schwachen, verhaltensauffälligen und unauffälligen Kindern, Jungen und Mädchen mit speziellem Förderbedarf, beispielsweise ausländische Kinder, die noch nicht ausreichend Deutsch können. "Bei Klassenstärken von 26 und mehr gehen die Stillen unter, die ADHS-Kinder mischen die Klassen auf", sagt Engebrecht.

Zwar hätten die Schulen ein Vertretungskonzept, doch der Notfallplan sei oft bloße Theorie, sagt Dutko, die neidisch nach Hamburg schielt. Da habe man die Klassenstärke auf 19 begrenzt. Ohnehin sei die Metropole für junge Pädagogen attraktiv, viele wanderten ab. "Gerade in den Kreisen Segeberg und Pinneberg, besonders in Norderstedt, haben wir mit diesem Problem zu kämpfen", sagt die Segeberger Schulrätin Adelia Schuldt, die Verständnis für die Sorgen und Kritik der Pädagogen hat. "Zwar hat es uns in diesem Schuljahr besonders hart getroffen, aber vorher mussten auch andere Landkreise erhebliche Einschnitte verkraften", sagt die Schulrätin.

Die Zahl der frühpensionierten Lehrer steigt ständig an

Schon könnten viel Pädagogen die wachsende Arbeitsbelastung kaum noch verkraften. "Die Zahl der Frühpensionierungen steigt ständig, immer mehr Kollegen klagen über das Burn-Out-Syndrom", sagt Sabine Duggen. Inge Dutko ergänzt: "Viele Grundschullehrerinnen reduzierten freiwillig ihre Stundenzahl und verzichten auf Geld und Pension, weil sie einfach nicht mehr können." Zusammen mit Birgit Engebrecht fordert sie kleinere Klassen, behindertengerechte Räume und entsprechendes Material sowie eine Sonderschullehrerin für zwei Grundschulklassen, die in jeder Klasse mit zehn Stunden pro Woche vertreten ist. "Außerdem brauchen wir mehr Zeit, um uns abzustimmen", sagt Inge Dutko. Und Sabine Duggen ergänzt: "Die Einschnitte treffen mal wieder die Kinder, die sowieso keine Lobby haben."

Die GEW will die Kürzungen nicht widerstandslos hinnehmen. Sie plant für Mitte September Protestaktionen.