Die Kreuzkröte muss umgesiedwelt werden. Sie bekommt eine neue Heimat, damit mehr Strom aus Windkraft nach Süden weitergeleitet werden kann.

Norderstedt. Der Verzicht auf Atomstrom aus deutschen Kraftwerken und der Ausbau erneuerbarer Energien, vom Bund einvernehmlich beschlossen, wirken sich bis nach Norderstedt aus. Das Umspannwerk in Friedrichsgabe wird erweitert. Auf gut sieben Hektar, einer Fläche, die etwa zehn Fußballplätzen einschließlich Nebenanlagen entspricht, werden zwei weitere Transformatoren gebaut. Außerdem wird die Überlandleitung, die vom Umspannwerk ins niedersächsische Dollern führt, aufgerüstet. Künftig werden 380 statt 220 Kilovolt nach Südwesten transportiert. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 50 Millionen Euro.

Vom Leitungsbau sind die Norderstedter allerdings nicht betroffen: Die Trasse verlässt schon nach wenigen Metern die Stadt und den Kreis Segeberg und verläuft Richtung Quickborn. "Der Ausbau ist nötig, damit wir den Strom aus erneuerbaren Energien, vor allem die Windkraft, von den Anlagen an der Nordsee nach Süden transportieren können", sagt Katja Horenk, Projektleiterin bei 50Hertz Transmission - das Unternehmen ist für die Baumaßnahme verantwortlich. Außerdem diene die Erweiterung dazu, die Stromversorgung für die Menschen im Hamburger Norden sicherzustellen. Sie werden vom Umspannwerk in Friedrichsgabe mit Energie versorgt.

Allerdings schiebt sich das Umspannwerk mit seiner neuen Fläche nun ins Kampmoor. "Das Kampmoor ist ein wichtiger Amphibienlebensraum, in den nicht weiter eingegriffen werden sollte, nachdem durch die Zerstörung und Zerschneidung von Kampmoor-Biotopen durch die neue Schnellstraße zur Autobahn bereits eine erhebliche Schädigung erfolgt ist", sagt Herwieg Niehusen vom Norderstedter Ortsverband im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der sich gegen den Bau im Kampmoor ausgesprochen hatte - vergeblich. Doch mit der Genehmigung wurde der Bauherr zu Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet.

Die Kreuzkröten mussten umgesiedelt werden. Nun haben die Kröten, die europaweit unter Schutz stehen, eine neue Heimat im Glasmoor gefunden. Bis es soweit war, musste die Landschaft entsprechend hergerichtet werden. Rund 215 000 Euro hat 50Hertz Transmission investiert, damit sich die Amphibien in ihrer neuen Umgebung östlich der Schleswig-Holstein-Straße wohl fühlen - ein in Schleswig-Holstein einmaliges Artenschutzprojekt. "Die Kreuzkröten brauchen kleine Teiche mit sandiger Umgebung, wo sie sich eingraben können, sowie Feldsteine oder umgekippte Baumwurzeln, um sich zu verstecken", sagt Ute Ojowski, Projektmanagerin der Ausgleichsagentur Schleswig-Holstein GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Stiftung Naturschutz, die wiederum das Glasmoor betreut (s. Info-Kasten).

Seit 2009 sind die Bagger auf der Fläche im Einsatz, um eine rund 45 Hektar große Fläche artgerecht zu gestalten. Die Arbeiter haben rund 400 Quadratmeter Laichgewässer geschaffen und Mini-Dünen aufgeworfen. Eine ehemalige Kieskuhle wurde von Bäumen befreit. "Wir haben immerhin 143 Tonnen Findlinge und jede Menge Baumstubben als Rückzugsmöglichkeiten eingebracht", sagt die Biologin Ojowski. Die Pflege des neuen Amphibien-Wohngebietes überlassen die Menschen den Tieren: Galloway-Rinder und eine kleine Herde Konik-Hengste halten die Pflanzen kurz.

"Vor einigen Wochen war der Erfolg unseres Artenschutzprojektes erstmals hörbar: Die ersten Kreuzkrötenmännchen quakten lautstark um die Gunst der Weibchen", sagt die Projektmanagerin. Damit es soweit kam, hat sich das Team mächtig ins Zeug gelegt. Die Mitarbeiter haben im Kampmoor und in den Kieskuhlen der Umgebung, beispielsweise in Tangstedt-Wilstedt, Laich der Froschlurche gesammelt. Erwachsen geworden sind die Tiere in der Aufzuchtstation der Stiftung in Kiel. Nachdem die Umgebung artgerecht hergestellt war, hat die Stiftung 9500 daumennagelgroße Kreuzkröten aus der Nachzucht im Glasmoor in die Freiheit entlassen. Wir freuen uns, dass dieses Projekt erfolgreich anläuft und wir für unseren Eingriff in den Naturhaushalt des Kampmoores einen adäquaten Ausgleich schaffen können", sagt Katja Horenk von 50Hertz Transmission. Nachwuchs wird es aber erst im nächsten Jahr geben, wenn die Kröten geschlechtsreif sind.