In Norderstedt entsteht für 2,5 Millionen Euro ein Begegnungszenrum. In den Minaretten drehen sich Windräder zur Stromerzeugung.

Norderstedt. Die Moschee der Zukunft entsteht in Norderstedt: Zwei 22 Meter hohe Türme, Ornamente auf der Fassade in Glasoptik, Arkadengang und Atrium: Die neue islamische Begegnungsstätte soll ein architektonisches Prunkstück werden. Mit dem Projekt betritt der Bauherr weltweit Neuland: In den Minaretten, wo sonst der Muezzin zum Gebet ruft, werden sich Windräder drehen. Zwei Rotoren mit einem Durchmesser von jeweils 1,50 Meter Durchmesser sollen Strom erzeugen, der dann ins städtische Netz eingespeist und vergütet wird und einen Teil des Energiebedarfs des neuen Gebäudes decken soll.

"Diese Kombination von Tradition und Moderne und die Ausrichtung an Umweltaspekten gibt es meines Wissens noch nirgendwo", sagt Selcuk Ünyilmaz, Architekt des beeindruckenden Bauvorhabens. Er betont zugleich, dass er viel mehr als ein reines Gebetshaus konzipiert hat. "Wir wollen einen Treffpunkt schaffen, eine Begegnungsstätte für Menschen aller Religionen und Nationalitäten, in der Beratung sowie soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten angeboten werden", sagt Ugur Sütcü vom Vorstand des Vereins, der sich noch stärker als bisher öffnen wolle.

Offenheit, Durchlässigkeit und die Bereitschaft zur Begegnung sollen sich in der Architektur widerspiegeln. Die Fassade wird transluzent - sie lässt das Licht ins Gebäude, versperrt aber im Unterschied zu transparenten Flächen den Blick ins Innere. Reue, Frieden, Glaube und Tugend sind die Worte, die auf der Fassade zu lesen sein werden. Nach Ansicht des Bauherren universale Eigenschaften und die Säulen eines jeden Menschen, unabhängig von der Religionsgemeinschaft. Der Arkadengang wird offen gestaltet ebenso wie der Außenbereich, auf dem im Sommer Stühle und Tische aufgestellt werden. "Hier können die Besucher Tee oder Kaffee trinken und Kuchen essen. Bier und generell Alkohol gibt es bei uns natürlich nicht", sagt Sütcü.

Zwar bekomme der Verein regelmäßig Besuch von Norderstedter Schülern und ihren Lehrern, die sich über die Arbeit des Vereins und den Islam informieren wollen. "Aber die meisten Norderstedter gehen vorbei", sagt der Vorstand. Das sei nicht verwunderlich, schließlich komme beim Anblick des jetzigen Vereinshauses kaum jemand auf die Idee, dass es sich um einen türkisch-islamischen Treffpunkt inklusive Gebetshaus handelt. In der Tat: Das rund hundert Jahre alte Gebäude, das noch das Siegel der Landesbrandkasse trägt, wirkt mit seiner weißen Fassade, dem schwarzen Pfannendach und den Parkplätzen davor eher unscheinbar. Wer näher kommt, entdeckt das Schild "Eyüp Sultan Camii" (Eyüp Sultan Moschee).

"Die Bausubstanz ist nicht mehr gut, vom energetischen Standard ganz zu schweigen. Und das Gebäude entspricht auch nicht mehr den Anforderungen, die gerade unsere jüngeren Mitglieder haben", sagt Architekt Ünyilmaz. Rund 200 offizielle Mitglieder hat der türkisch-islamische Verein in Norderstedt. Nachwuchsmangel gibt es nicht. Aber den Wunsch nach Veränderung. Die Frauen treffen sich jeden Dienstag zum Frühstück, auch an den Wochenenden nehmen die Frauen aktiv am Vereinsleben teil.

"Sie wollen regelmäßige Frühstücks-Treffs und Beratung anbieten, bei Eheproblemen oder Gewalt in der Ehe, beim Deutschlernen", sagt Sütcü. Gedacht ist auch an Nachhilfe für Schüler. "Unsere Sprache wird Deutsch sein, wir verstehen uns als Deutsch-Muslime", ergänzt Ünyilmaz. Und als Norderstedter. Seit 20 Jahren hat der islamische-türkische Verein seine Heimat an der Straße In de Tarpen, im Süden der Stadt, eingebettet ins Gewerbegebiet.

Probleme mit Nachbarn oder Streit gab es bisher nie. "Wir sind doch keine Hardcore-Traditionalisten", sagt Ünyilmaz. Es herrsche friedliche Koexistenz - das hat Politiker wie Verwaltung auch dazu bewogen, das Projekt grundsätzlich gut zu heißen. Zwar überschreiten die beiden 22 Meter hohen Minarette die im Planungsrecht festegesetzte Maximalhöhe von 15 Metern, aber: "Von dieser Festsetzung wurde das Vorhaben befreit, da die beiden Bauwerke im Verhältnis zum Gesamtvolumen eine untergeordnete Bedeutung haben", schreibt die Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr.

Der Komplex besteht aus zwei Teilen und bietet insgesamt eine Nutzfläche von rund 1300 Quadratmetern. Die nach Mekka ausgerichtete Mosche, in dem sich die Muslime zum Gebet treffen und die Kinder und Jugendlichen den Koran kennen lernen, sei mit rund 350 Quadratmetern der kleinere Teil. Dieser eigentliche Moscheebereich wird von einem Gebäuderiegel umschlossen. In diesen Räumen sollen Frauen Beratungs- und Projekträume entstehen. Außerdem sind Räume für ein Café, ein Reisebüro, einen Friseur und Büros geplant.

2,5 Millionen Euro kostet es, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. "Wir sind zuversichtlich, dass wir das Geld aufbringen können", sagt Ugur Sütcü.