Der Prozess um zwei Norderstedter Kriminelle vor dem Landgericht Kiel ist beendet - Freispruch. Die Grenze zur Strafbarkeit wurde nicht erreicht.

Norderstedt/Kiel. Die Anklage war massiv: versuchte Anstiftung zum Mord. Doch am Ende eines wochenlangen Prozesses (wir berichteten) konnte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht in Kiel die angeklagten Norderstedter Jan W., 23, und Sascha G., 25, nicht überführen: Freispruch. Trotzdem muss Jan W. jetzt für drei Jahre hinter Gitter. Der Mann mit der immensen kriminellen Energie hatte so viele Delikte auf dem Kerbholz, dass die Anklageverlesung beim Prozessauftakt am 4. März bereits länger als eine halbe Stunde gedauert hatte. Sascha G., der Jan W. lange Zeit als Untermieter beherbergte und einige Taten gemeinsam mit ihm beging, kam mit einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung davon.

Jan W. und Sascha G. haben 2009 eine verachtungswürdige Strecke an Straftaten in Norderstedt hinterlassen. Die beiden lagen seit geraumer Zeit mit einem Jörg A. im Zwist. Am 2. September 2009 bearbeiten sie in der Wohnung von Sascha G. an der Segeberger Chaussee einen Bekannten. Jan W. will ihm eine "scharfe Waffe" besorgen, mit der dieser Jörg A. töten soll. 1000 Euro und zwei Wochen Urlaub in Spanien soll es dafür geben. Der Bekannte ist entrüstet und lehnt ab. Soweit die Anklage.

"Die Situation war so weit von einer Gefährdungslage entfernt, dass die Grenze zur Strafbarkeit nicht erreicht war", sagt die Pressesprecherin und Richterin am Landgericht, Rebekka Kleine. Der potenzielle Täter habe weder eine Waffe bekommen noch Geld, noch habe er sein Opfer in irgendeiner Weise bedroht. Die Staatsanwaltschaft, der Richter und selbstredend auch die Verteidigung kamen wohl einhellig zu dem Schluss, dass es sich bei dem Versuch zur Anstiftung eines Mordes eher um einen geschmacklosen Spruch als um einen ernst gemeinten Mordauftrag gehandelt hatte.

Bleiben die restlichen Anklagepunkte, die gesammelt vor dem Landgericht gelandet waren. Jan W., der Adoptivsohn eines Norderstedter Bankkaufmanns, ist das kriminelle Schwergewicht der beiden Angeklagten. Sein Leben ist von Kindesbeinen an durch Auffälligkeiten, Aggression und Fehlverhalten geprägt. Als Jugendlicher hat er vor dem Busbahnhof in Garstedt andere Jugendliche abgezogen. Von der Gesamtschule Lütjenmoor flog er wegen Gewaltdelikten und weil er Drogen verkauft hatte. Er hat selbst eine Drogenkarriere mit Kokain und Crack hinter sich und deswegen viele Gedächtnislücken, was sein Handeln zwischen 2003 und heute angeht. Im Knast landete er schon dreimal. Er überfiel mit anderen eine Shell-Tankstelle an der Segeberger Chaussee. Er plünderte mehrere Lauben in einer Kleingartenkolonie in Garstedt. Und hehlte mit dem Kupfer, das Russen auf Baustellen und an Häusern erbeutet hatten.

Nun muss Jan W. also erneut für drei Jahre ins Gefängnis. "Die Urteilsbegründung ist ein Ritt durch das Gesetzbuch", sagt Rebekka Kleine. Diebstahl, Nötigung, Sachbeschädigung, Einbruch, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung und unerlaubter Schusswaffenbesitz - alles ist dabei. Und vieles davon hängt mit der Dauerfehde zusammen, die Jan W. mit Jörg A. pflegt.

Sascha G., der vor zwei Jahren Vater geworden ist und die etwas bessere Sozialprognose von den beiden hat, wurde lediglich wegen Einbruchs und vorsätzlicher Körperverletzung zu der Bewährungsstrafe verurteilt. Er wuchs ohne Vater bei seiner Mutter und Großmutter in Kiel auf. Bedingt durch den Beruf der Mutter tingelt er als Kind und Jugendlicher durch mehrere Bundesländer. Seine Schulkarriere scheitert zunächst in der 8. Hauptschulklasse, später macht Sascha G. den Abschluss nach. Er leidet an Epilepsie, weswegen er angeblich kaum eine Chance auf einen Job habe. Mit seiner Freundin und dem kleinen Sohn lebt er in Norderstedt und von Hartz IV.

Für Jan W. beginnt unter Freiheitsentzug nun die vielleicht letzte Chance, sein Leben doch noch in den Griff zu bekommen. Bisher haben Aggressionstherapien, Aufenthalte in pädagogischen Einrichtungen und auch ein eingesetzter staatlicher Betreuer keinerlei Wirkung auf ihn gehabt.