Für 1000 Euro sollte ein verhasster Bekannter aus dem Weg geräumt werden. Die beiden Intensivtäter stehen seit Freitag in Kiel vor Gericht

Norderstedt/Kiel. Wie die Staatsanwältin am Freitag Anklage für Anklage im Saal 232 des Landgerichtes in Kiel verliest, all die schwerwiegenden Tatbestände auflistet, derer sich Jan W., 23, und Sascha G., 25, schuldig gemacht haben sollen, da pustet Jan W. die Backen auf, blickt mit hochgezogenen Augenbrauen ins Leere des Gerichtssaals, so als könne er die beachtliche Strecke seiner kriminellen Karriere selbst nicht mehr ganz fassen. Sascha G. dagegen hält die Arme verschränkt und blickt starr ins Nichts. Die beiden arbeitslosen Intensivtäter werden einer beispiellosen Serie von Gewalt in Norderstedt beschuldigt. Ihren Höhepunkt findet die Anklage in dem Tatbestand, Sascha G. und Jan W. seien des versuchten Auftragsmordes schuldig.

Der Prozess in Kiel ist auf mehrere Tage angesetzt, der erste geht allein dafür drauf, um die Anklage und die Vorverurteilungen des Jan W. zu verlesen. Beide Angeklagte wollen sich auf Anraten ihrer Verteidiger noch nicht zu den Vorwürfen äußern. Und so müssen die nüchternen Akten sprechen.

Über Chronologie der Ereignisse steht der schwerwiegende Vorwurf des Auftragsmordes. Laut Staatsanwaltschaft soll sich das so zugetragen haben: Seit geraumer Zeit haben die beiden Angeklagten eine Auseinandersetzung mit einem Jörg A. Was genau zwischen den Angeklagten und ihm vorgefallen sein mag, bleibt am ersten Prozesstag im Dunklen. Doch das gegenseitige Verhältnis mit verhasst zu beschreiben, ist fast untertrieben. Am 2. September 2009 sitzen Jan W. und Sascha G. in der Wohnung von G. an der Segeberger Chaussee. Sie bearbeiten einen gemeinsamen Bekannten, der zu Besuch ist. Sie wollen ihn laut Anklage dazu bringen, den verhassten Jörg A. für sie umzubringen. Jan W. verspricht, eine "scharfe Waffe" für die Tat zu besorgen. Als Lohn für den Auftragsmord sollen Jan W. und Sascha G. dem Bekannten 1000 Euro geboten haben, 100 Euro im Voraus, den Rest nach der Tat. Als der Bekannte den Auftrag vehement ablehnt, versuchen ihn die beiden Angeklagten laut Anklage mit dem Versprechen zu ködern, er könne sich nach dem Mord noch zwei Wochen in Spanien bei einem Strandurlaub auf ihre Kosten ausruhen. Doch auch das kann den Bekannten nicht überzeugen. Er lehnt ab.

In den Tagen danach soll Jan W. versucht haben, bei verschiedenen Treffen den Bekannten doch noch von dem Mordanschlag auf Jörg A. zu überreden, bleibt aber erfolglos. In einer polizeilichen Vernehmung gibt Jan W. später zu Protokoll, dass es diesen Mordauftrag nie gegeben habe. Der besagte Bekannte schulde Sascha G. aus einem Autoverkauf noch Geld, der sage das nur, weil er Angst habe.

Die Angst des Bekannten vor Jan W. und Sascha G. ist berechtigt. Auf die Frage des Richters, ob er in Norderstedt keine Arbeit finden könne, entgegnet Jan W.: "Keine Chance bei den Vorstrafen. Man kennt mich in Norderstedt." Der Adoptivsohn eines Norderstedter Bankkaufmanns ist das kriminelle Schwergewicht unter den beiden Angeklagten. Sein Leben ist von Kindesbeinen an durch Auffälligkeiten, Aggression und Fehlverhalten geprägt. Als Jugendlicher hat er vor dem Busbahnhof in Garstedt andere Jugendliche abgezogen. Von der Gesamtschule Lütjenmoor flog er wegen Gewaltdelikten und weil er Drogen verkauft hatte. Er hat selbst eine Drogenkarriere mit Kokain und Crack hinter sich und deswegen viele Gedächtnislücken, was sein Handeln zwischen 2003 und heute angeht. Im Knast landete er schon dreimal. Er überfiel mit anderen eine Shell-Tankstelle an der Segeberger Chaussee. Er plünderte mehrere Lauben in einer Kleingartenkolonie in Garstedt. Und hehlte mit dem Kupfer, das Russen auf Baustellen und an Häusern erbeutet hatten.

Aggressionstherapien und Aufenthalte in pädagogischen Einrichtungen scheiterten, ein eingesetzter Betreuer ebenfalls, zeitweise nahm Jan W. Ritalin, um sein Verhalten überhaupt beherrschen zu können. Doch selbst das half nichts.

Sascha G. wuchs ohne Vater bei seiner Mutter und Großmutter in Kiel auf. Bedingt durch den Beruf der Mutter tingelt er als Kind und Jugendlicher durch mehrere Bundesländer. Seine Schulkarriere scheitert zunächst in der 8. Hauptschulklasse, später macht Sascha G. den Abschluss nach. Er leidet an Epilepsie, weswegen er angeblich kaum eine Chance auf einen Job habe. Mit einer Freundin hat er heute einen zweijährigen Sohn und lebt von Hartz IV.

In der Anklage, die jetzt in Kiel verhandelt wird, stehen neben dem Vorwurf des Auftragsmordes noch weitere Straftaten, die Jan W. teilweise gemeinsam mit Sascha G. in einem Zeitraum zwischen März und Dezember 2009 verübt haben soll.

Aber im Kern dreht sie sich um die Auseinandersetzung zwischen den beiden Angeklagten und Jörg A. Am 14. August 2009 kommt es vor der Wohnung von Sascha G. zu einer Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und Jörg A. Sascha G. soll Jörg A. gepackt und auf den Boden geworfen haben. Jan W. sei dazugekommen und habe Jörg A. mit einem Knüppel auf den Kopf gehauen. Danach soll sich Jan W. mit dem Knüppel wutentbrannt über das Auto von Jörg A. hergemacht und dabei sämtliche Scheiben durchschlagen und die Motorhaube demoliert haben - ein Schaden von 5000 Euro.

Zwei Tage später will Jörg A. zusammen mit einem Freund und dessen Sohn die Auseinandersetzung mit den beiden Angeklagten klären. Doch kaum in der Wohnung von Sascha G. angekommen, geht die Rangelei wieder los. Die beiden Angeklagten sollen zu einer Schreckschusswaffe und einem Knüppel gegriffen haben.

Bei einer Verfolgungsjagd mit dem Auto wird Jörg A. massiv bedrängt

Nach dem gescheiterten Versuch am 2. September 2009, den verhassten Jörg A. durch einen Auftragsmord beiseitezuräumen, sollen Sascha G. und Jan W. am 19. September 2009 in die Wohnung von Jörg A. eingebrochen sein und dabei die Einrichtung verwüstet haben. Laut Anklage entkamen sie mit 780 Euro Bargeld und Unterlagen, mit deren Hilfe sie Jörg. A. und seine Kinder aufspüren wollten.

Ein letzter aktenkundiger Zwischenfall datiert vom 28. September 2009. Die Angeklagten fahren mit dem Bekannten, den sie für den Auftragsmord gewinnen wollten, in Richtung Hamburg, als sie vor sich Jörg A. in seinem Auto entdecken. Sascha G. und Jan W. fordern den Bekannten am Steuer seines Wagens auf, den vor ihm fahrenden Jörg A. "in den Gegenverkehr zu drängen". Der lehnt das ab, es folgt aber eine halsbrecherische Verfolgungsfahrt, in deren Folge Jörg A. massiv bedrängt wird.