Ein Leitbild soll in Norderstedt Ziele und Grundsätze definieren. Gemeindewehrführer Joachim Seyferth kritisiert mangelnde Fitness seiner Kameraden

Norderstedt. Geschmeckt hat es allen, doch so manch altgedienter Feuerwehrmann blickte ein wenig überrascht auf den Teller. Hähnchenbrust in Joghurtsoße mit Gemüse und Reis stand auf dem Speiseplan der Jahreshauptversammlung der Norderstedter Gemeindewehr - vorbei die Zeiten mit Schnitzel und Bratkartoffeln. Ein kleiner Hinweis von vielen, dass bei der Feuerwehr ein neuer Wind weht. Als nach dem Imbiss ein Management-Trainer das neue "Leitbild" der Feuerwehr vorstellte, wurde auch dem letzten der ehrenamtlichen Helfer klar, dass die Führung um Gemeindewehrführer Joachim Seyferth mit modernen Konzepten die Zukunft plant.

Norderstedt wird zu den ersten Feuerwehren bundesweit gehören, die in einem Leitbild ihre Ziele definieren und Grundsätze der Arbeit festlegen wird. Nicht einmal die Hamburger Berufsfeuerwehr hat sich bislang zu einem vergleichbaren Konzept durchringen können. Außer neuer Technik seien neue Ideen gefragt, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, rief Seyferth seinen Kameraden zu, die mit zurückhaltendem Applaus auf die Leitbild-Pläne reagierten. Er bezeichnete den Wechsel von einer fachlichen zu einer emotionalen Führung innerhalb der Wehr als dringend erforderlich. Außerdem müsse die Feuerwehr Standards für den Umgang zwischen den Mitgliedern festlegen.

Wie wichtig ihm dieser Aspekt ist, ließ Seyferth bei der Bemerkung durchblicken, dass mit ihm in den vergangenen Wochen in einer Art und Weise umgegangen worden sei, "wie man es sich nicht wünscht". Damit spielte Seyferth auf die teilweisen heftigen Angriffe gegen die Leitstelle an, die zu seinem Verantwortungsbereich gehört (Seite 1).

Er betonte: "Das ist nicht allein das Leitbild der Führung, sondern von uns allen." Einzelheiten des Leitbilds werden demnächst in kleinen Runden innerhalb der Feuerwehr diskutiert. "Es kann sein, dass der Feuerwehrdienst nicht mehr so ist, wie er mal war", sagte Management-Trainer Carsten Kremke, der das Konzept vorstellte.

In seinem Jahresbericht kritisierte Seyferth das wachsende Anspruchsdenken vieler Bürger bei einem Feuerwehreinsatz. "Wie viele Bürger können nach einem selbst verschuldeten Wasserschaden im Keller noch ein Wischtuch in die Hand nehmen und ihren eigenen Keller trocken wischen?", fragte er.

Die Freiwilligen Feuerwehren der Stadt blicken auf ein vergleichsweise ruhiges Jahr zurück. Die Zahl der Einsätze ging um zehn Prozent auf 881 zurück. Besonders die Zahl der Klein- und Entstehungsbrände nahm deutlich ab. Dagegen blieb die Zahl der aktiven Feuerwehrleute mit 310 nahezu konstant.

Zu den spektakulärsten Einsätzen gehörte ein Feuer in einer Tiefgarage an der Ulzburger Straße im Juli. 30 Menschen mussten morgens um 4 Uhr ihre Wohnungen verlassen. Zu einem Großeinsatz wurden die Helfer auch gerufen, als am 27. September in großen Teilen der Stadt der Strom ausfiel.

Zwar ging Seyferth nicht direkt auf die Entscheidung ein, Hähnchenbrust mit Reis auffahren zu lassen. Doch er ließ keinen Zweifel daran, dass er die Fitness seiner Kameraden für unverzichtbar hält. Seyferth appellierte an die Eigenverantwortung der Mitglieder, ihre körperliche Leistungsfähigkeit sicherzustellen, um den Anforderungen bei Einsätzen gerecht zu werden.

"Es ist beispielsweise besorgniserregend, wenn der Durchgang in der Atemschutzübungsstrecke abgebrochen werden muss, weil der junge Kamerad die erforderlichen körperlichen Voraussetzungen nicht erfüllt", schrieb der Gemeindewehrführer in seinem Jahresbericht. Geplant sei ein Angebot für einen regelmäßigen Dienstsport, der von einem qualifizierten Übungsleiter fachlich begleitet wird. Bei der Suche nach Hallenkapazitäten sei die Feuerwehr auf die Unterstützung der Stadt angewiesen.

Auf der Tagesordnung der Versammlung standen außerdem zahlreiche Ehrungen. Acht Jahre lang haben Bernd Krohn und Michael Warncke sich als Ausbilder in der Jugendfeuerwehr engagiert. Dafür wurden sie vom Kreisjugendfeuerwehrwart mit der Leistungsspange der Deutschen Jugendfeuerwehr in Bronze ausgezeichnet. Die Jugendfeuerwehr Norderstedt hatte diese Ehrung beantragt. Auch Stefan Kruse wird diese Auszeichnung erhalten. Er war nicht zur Versammlung erschienen. Der stellvertretende Gemeindewehrführer Niels Ole Jaap und der neue Wehrführer aus dem Stadtteil Glashütte, Lars Hartmuth, Ortswehrführer Glashütte, wurden zu Brandmeistern befördert.