Runder Tisch will junge Leute für die Arbeit in der Altenpflege begeistern. In Schleswig-Holstein fehlen derzeit fast 1000 Pflegekräfte.

Norderstedt. Wir brauchen eine breit angelegte Pflege-Offensive für Norderstedt. Das forderten der örtliche Seniorenbeirat, der Sozialausschuss, Vertreter der Alten- und Pflegeheime, der ambulanten Pflegedienste und die Leiterin der neuen Altenpflegeschule, Gabriele Lengefeldt, in einem Gespräch mit der Norderstedter Zeitung. "Bundesweit haben wir eine Million Pflegekräfte, für die nächsten Jahre fehlen 400 000. Für Schleswig-Holstein liegt der Bedarf jenseits von 1200, ausgebildet werden aber nur 400", sagte Gunnar Löwe, Leiter des Altenpflegeheims Scheel und Landesvorsitzender im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Auch als Heimleiter spüre er den Mangel an Fachkräften, es gebe kaum noch Bewerbungen.

"Wir müssen einfach mehr junge Menschen für diesen Beruf begeistern, in die Schulen gehen und aktiv werben. Das funktioniert aber nur, wenn sich das Image wandelt", sagte Hans Jeenicke vom Seniorenbeirat, maßgeblicher Initiator des Runden Tisches. Altenpflege sei körperlich anstrengend, alte Menschen müssten gewaschen, gefüttert, ihnen müsse bei der Toilette und beim Anziehen geholfen werden - dieses Berufsbild halte sich noch immer hartnäckig in vielen Köpfen. "Es stimmt aber schon lange nicht mehr", sagte Gabriele Lengefeldt, Leiterin des Instituts für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF), das in Norderstedt neu eröffnet hat. Das Bildungsinstitut der Diakonie bildet schwerpunktmäßig künftige Altenpflegekräfte aus.

Durch das hohe und weiter steigende Alter der Heimbewohner würden die Einrichtungen zunehmend zu Intensivstationen. Die Arbeit erfordere ein hohes Maß an medizinischen Kenntnisse und Administration. Der Wandel zeige sich auch daran, dass Altenpflege vom sozialen zum Heilberuf umgewidmet worden sei. "Die Ausbildung ist viel professioneller geworden. Pflegkräfte müssen heute auch Blutdruck messen und Blut abnehmen können", sagte Lengefeldt. Und sehr genau hinsehen, um frühzeitig beispielsweise Wundliegen oder die Folgen von Diabetes erkennen zu können.

"Wir haben lange dafür gekämpft, dass in Norderstedt wieder Altenpflegekräfte ausgebildet werden", sagte Jeenicke. Der Seniorenbeirat sehe es als eine seiner vordringlichen Aufgaben an, alten Menschen das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Und dazu zählten ausreichend Heimplätze und eine kompetente Betreuung. Wermutstropfen ist, so Jeenicke, dass die Ausbildung vom Land bisher nicht gefördert wird und viele Altenpflegeschüler die Kosten von 290 Euro pro Monat selbst zahlen müssen.

"Wir waren mehrfach in Kiel und haben für das IBAF in Norderstedt die gleiche Förderung und Behandlung wie für die anderen 17 Altenpflegeschulen in Schleswig-Holstein gefordert. Aber bisher gibt es keine Bereitschaft, am jetzigen Fördersystem etwas zu verändern", sagte Ute Algier, Vorsitzendes des Sozialausschusses in Norderstedt. Aus Landessicht sei es vertretbar, wenn es keine Altenpflegeschule im Kreis Segeberg gibt. Schließlich könnten Interessierte ja nach Bargteheide oder Neumünster ausweichen. Für Norderstedt komme erschwerend hinzu, dass viele Pflegekräfte durch die Nähe zu Hamburg in die Metropole wechselten und so die Lücke hier vergrößerten.

"Wir haben eine grandiose Zukunft vor uns und werden bestimmt einen Arbeitsplatz finden. Außerdem finde ich es toll, älteren Menschen einen schönen Lebensabend zu ermöglichen", sagte Sally-Ann Rohr. Die 19-jährige Norderstedterin ist eine von 14 Schülern, die sich am IBAF zu Altenpflegern ausbilden lassen. Mitschülerin Nathalie Marnitz, 19, hat während eines Praktikums festgestellt, dass ihr der Umgang mit älteren Menschen Spaß macht. Sie möchte sogar langfristig in einem Sterbehospiz arbeiten.

Doch die gute Perspektive ist nur ein Aspekt, der die Altenpflege attraktiv macht. "Interessant sind auch die vielen Möglichkeiten, sich weiter zu qualifizieren - bis hin zu einem Master-Studium", sagte Löwe. Die Vergütung sei in den vergangenen Jahren angehoben worden, durchschnittlich verdienen die Pflegekräfte im nördlichsten Bundesland zwischen 2200 und 2300 Euro brutto im Monat.

Sorgen macht Löwe allerdings die Ausbildungsvergütung: "Die lastet bisher einseitig auf den Alten- und Pflegeheimen, und zwar nur auf denen, die die Vergütung freiwillig zahlen." Sie kalkulierten die Kosten in die Pflegesätze. Dadurch zahlten letztlich die Bewohner die Ausbildung. Und die Einrichtungen, die durch die Vergütung höhere Pflegesätze hätten, hätten einen Wettbewerbsnachteil. "In unserer Branche sind Kosten für die Ausbildung überhaupt nicht vorgesehen. Wenn wir ausbilden, ist das unser Vergnügen, und wir bleiben auf den Ausgaben sitzen", sagte Susanne Piazza vom Norderstedter Pflegedienst Claussen. Und der Medizinische Dienst der Krankenkassen, die Pflegekassen und die Heimaufsichten beteiligten sich bisher überhaupt nicht an der Ausbildungsvergütung, obwohl gerade diese Institutionen einen erheblichen Bedarf an Pflegekräften hätten. "Wir müssen das System auf eine Umlagefinanzierung umstellen, an der sich alle beteiligen, die auf gut ausgebildete Altenpflegekräfte angewiesen sind", forderte Löwe. Alle zahlten in einen Topf, aus dem dann die Azubis ihr Geld bekommen.

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