Der Streit um Bürgermeister Stefan Sünwoldt irritiert die Kaltenkirchener. Die Norderstedter Zeitung hat die Kirche, den Seniorenbeirat und den Bund der Steuerzahler befragt und mit Bürgern der Stadt gesprochen.

Die Ausschüsse tagen in bewährter Routine. Im Rathaus amtiert ein Übergangsbürgermeister, und die Kontrahenten halten still. "Es läuft", hat der stellvertretende Bürgermeister Karl-Heinz Richter über die Arbeit in der Verwaltung gesagt. Nach der großen Redeschlacht um Bürgermeister Stefan Sünwoldt (SPD) in der Stadtvertretung herrscht jetzt scheinbar Ruhe im politischen Geschäft der 20 000-Einwohner-Stadt. Der Streit hat die Kaltenkirchener wahlweise verstört oder empört. Doch hinter den Kulissen beginnen bereits die Vorbereitungen für die Fortsetzung der Auseinandersetzung. Hinter den Kulissen stellen sich Sünwoldt-Gegner und Sünwoldt-Kritiker und Sünwoldt selbst auf einen Wahlkampf ein, der am 8. Mai in eine Entscheidung münden, die in die Geschichte der Stadt eingehen wird. Die Kaltenkirchener müssen entscheiden, ob der umstrittene Sozialdemokrat im Amt bleibt oder ob er seinen Job verliert.

Der Dauerzoff zwischen dem Bürgermeister und seien Kritikern aus den Fraktionen von FDP und CDU hat viele Bürger irritiert. Sie fragen sich nicht nur, welcher Seite sie glauben sollen. Viele Bürger verstehen nur mit Mühe, warum sich die Kontrahenten derart heftig attackiert haben, wieso der Konflikt eskalieren konnte und welche Wirkung er nach innen und außen nach sich ziehen wird. Die Norderstedter Zeitung hat die Kirche, den Seniorenbeirat und den Bund der Steuerzahler befragt und mit Bürgern der Stadt gesprochen.

Pastorin Susanna Kschamer wünscht sich eine Lösung, bei der alle Seiten ihr Gesicht wahren können. Sie beginnt ihren Beitrag mit Fragen:

"Ist hier Kaltenkirchen oder leben wir in Schilda? Solche und ähnliche Äußerungen höre ich bei Gesprächen im Supermarkt und in der Stadt und auch bei kirchlichen Veranstaltungen immer wieder. Und dann versucht man sich zu erklären, wie es dazu kommen konnte. ,Der Bürgermeister hat die Stadt Kaltenkirchen und ihre Besonderheiten nie ernst genommen' oder ,Den haben die Politiker vor Ort hier doch gar nicht richtig empfangen, sondern ihm von Anfang an Steine in den Weg gelegt', heißt es dann. ,Der hat doch gar nicht die Fähigkeiten für dieses Amt' oder ,Die alteingesessenen Politiker haben ihm gar keine Chance gelassen zu zeigen, was er kann.'

Auch mich macht ratlos, was aus dem Rathaus zu hören ist. Besonders weil ich alle Beteiligten an diesem Konflikt bei diversen Gesprächen und gemeinsamen Projekten als engagierte und ernsthafte Kommunalpolitiker bzw. Kommunalpolitikerinnen kennengelernt habe. Da würde ich mir wünschen, dass es einen neuen, konstruktiven und gemeinsamen Weg zum Wohl von Kaltenkirchen geben könnte.

Im Moment sieht es leider nicht so aus, als ob das noch möglich wäre. Aber vielleicht gibt es noch einen Weg, bei dem nicht eine Partei als Verlierer da steht und das Gesicht verliert. Auch für die ,Gewinner' und insbesondere für die Stadt Kaltenkirchen hat so eine Lösung in der Regel einen hohen Preis.

Auch die Bibel kennt Streit, der ein weiteres gedeihliches Zusammenwirken unmöglich macht. Im Alten Testament lässt Abraham seinen Neffen Lot die Wahl, ob er in das Land zur Rechten oder in das Land zur Linken ziehen will, als es immer wieder Streit zwischen ihren Hirten um die knappen Weideplätze gab und eine Trennung daher unausweichlich wurde. Hoffentlich findet sich eine ähnlich weise Lösung für die Stadt Kaltenkirchen. Sucht der Stadt Bestes! Diese Aufforderung aus dem alttestamentlichen Buch Jeremia, die man auf einem Wandbehang im Rathaus lesen kann, möge dabei allen Beteiligten eine Leitlinie sein."

Der Vorsitzende des Seniorenbeirats, Klaus Stuber, hofft, dass die Entscheidung am 8. Mai eine bereinigende Wirkung haben wird. Er schreibt:

"Grundsätzlich sehe ich die derzeitige Stimmung in der Stadt Kaltenkirchen auf des Messers Schneide - die derzeitigen Auswirkungen erscheinen grenzwertig und gespalten.

Nach Abzug des ersten Pulverdampfes über den in unserem Kreis einmaligen Vorgang wird sicher auch ein Lehr- und Lernprozess über praktizierte Demokratie in Gang gesetzt, der sowohl die Politik, die Verwaltung, aber insbesondere die Bürger fordert, da selbige nun am 8. Mai eine Entscheidung treffen müssen. Weiterhin wird wohl das (staats)bürgerliche Verantwortungsbewusstsein eher gestärkt, als dass ein innerer Rückzug in die Verweigerungshaltung und damit Abstinenz bei der Wahl zu erwarten ist. Solch ein ,Gewitter' kann auch eine bereinigende Wirkung haben und birgt zudem die Chance, künftig anders miteinander umzugehen und die Zusammenarbeit zwischen Ehrenamt und Hauptamt in Kaltenkirchen optimaler zu gestalten - und zwar unabhängig vom Ausgang des Urnenganges.

In der Außenwirkung sehe ich nun eher ein Aufatmen, da - unabhängig vom Ausgang am 8. Mai - die Chance zur Beendigung eines schwelenden Lähmungsprozesses besteht und Kaltenkirchen damit in der Zukunft weniger mit sich selbst beschäftigt ist."

Rainer Kersten vom Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein beschäftigt sich mit den Kosten von 110 000 Euro, die bei einer Abwahl Sünwoldts anfallen würden:

"Aus der Ferne lässt sich nicht beurteilen, welche Vorwürfe gegen den Kaltenkirchener Bürgermeister tatsächlich zutreffen und wie schwerwiegend diese sind. Grundsätzlich sollte ein Abwahlverfahren aber ein seltener Ausnahmefall bleiben. Nur wenn sich ein Bürgermeister mit der Amtsführung tatsächlich vollkommen überfordert zeigt und dadurch schwerer Schaden für die Stadt zu befürchten ist, sollte zu diesem Mittel gegriffen werden. Politische Meinungsverschiedenheiten und persönliche Animositäten rechtfertigen dagegen keine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode.

Parteien und Bürger, die mit der Amtsführung nicht einverstanden sind, können bei der nächsten regulären Wahl Alternativkandidaten aufstellen. Im Rahmen des Wahlkampfes kann dann um die Zustimmung der Wähler gestritten werden. Für uns bleibt zweifelhaft, ob die Differenzen zwischen Bürgermeister und Stadtvertretung nicht eine Fortsetzung der Wahlperiode über die verbleibenden zwei Jahre ermöglichen würden. Ein solches Vorgehen würde dem Steuerzahler viel Geld ersparen und dazu beitragen, dass alle Kräfte in Politik und Verwaltung sich auf die dringenden anstehenden Sachprobleme konzentrieren."