Die Suchtberatungsstellen der ATS machen diese Woche mit Veranstaltungen auf das Schicksal von Kindern aus suchtbelasteten Familien aufmerksam

Norderstedt. Trinkende Eltern und leidende Kinder - auch in Norderstedt ist das kein Randphänomen. Statistisch leben in Deutschland insgesamt 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche, deren Eltern alkoholabhängig sind. Beinahe jedes sechste Kind ist demnach betroffen. Das Projekt "Kleine Riesen" der Norderstedter Beratungsstelle der ambulanten und teilstationären Suchthilfe Süd (ATS), in dem Kinder aus suchtbelasteten Familien Zuflucht und Hilfe finden, hat allein im vergangenen Jahr 38 Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 18 Jahren bereut. Über die Dunkelziffer in Norderstedt lässt sich nur mutmaßen.

Bundesweit machen in dieser Woche Verbände und Beratungsstellen auf die Situation von Kindern aus Suchtfamilien aufmerksam. Die Aktionswoche steht unter der Schirmherrschaft der Schauspielerin Katrin Sass und läuft parallel zur "Children of Alcoholics Week", die in den USA und in Großbritannien seit Jahren etabliert ist.

"Wir nutzen diese Woche auch, um auf die lokalen Angebote für Kinder aus suchtbelasteten Familien aufmerksam zu machen", sagt Dr. Hans-Jürgen Tecklenburg, Leiter der ATS. Kern dieses Angebotes ist das Projekt "Kleine Riesen", das von der Stadt Norderstedt mit etwa 33 000 Euro jährlich finanziell unterstützt wird. In verschiedenen Altersgruppen finden traumatisierte Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien hier Unterstützung und jede Menge Raum für Rückzug und Besinnung. "Das Projekt soll dazu beitragen, den Suchtkreislauf, der in vielen Familien seit Generationen besteht, zu durchbrechen", sagt Tecklenburg. Kinder aus diesen Familien haben ein vielfach höheres Risiko, in Abhängigkeit zu geraten, als Kinder aus intakten Familien.

Mit Veranstaltungen in Norderstedt, Quickborn und Tornesch beteiligt sich ATS an der bundesweiten Aktionswoche. Das Interesse am Thema ist riesengroß. Für einen Projekttag an der Realschule Garstedt gab es an der Schule so viel Interesse, dass ein zweiter Tag geplant werden musste. Die Schüler werden nun am Mittwoch und Donnerstag den Film "Mein Freund Arno" sehen können. Der Film erzählt einfühlsam die Geschichte des elfjährigen Arno, der mit seiner alleinerziehenden, alkoholkranken Mutter zusammenlebt. Nach dem Film sollen die Jugendlichen einen Handlungsfaden erarbeiten, wie sie Mitschüler aus suchtbelasteten Familien unterstützen können. Hilfe statt Ausgrenzung ist das Prinzip. Eindrucksvoll wird für die Schüler auch das Gespräch mit einer Betroffenen sein. Ein heute erwachsenes "Kind" berichtet in der Schule an beiden Tagen über das Familienleben mit Alkoholikern.

In der ATS-Beratungsstelle in Tornesch (Bahnhofsplatz 4) lädt die Suchthilfe für Donnerstag, 17. Februar, um 19 Uhr zu einem Vortragsabend zum Thema "Kinder stärken - wenn Eltern suchtkrank sind" ein. Die ATS-Mitarbeiterin Ronja Plew wird über "Stressfaktoren, Bewältigungsstrategien, Ressourcen und Hilfsmöglichkeiten von Kindern aus suchtbelasteten Familien" informieren. "Diese Kinder entwickeln oft eine Überlebensstrategie, die es ihnen ermöglicht, die belastende Situation zu kompensieren", sagt Plew. Einen sehr intimen Einblick in das Leben von Kindern aus suchtbelasteten Familien bietet die Veranstaltung der ATS in der Quickborner Stadtbücherei heute, von 18 Uhr an (Bahnhofstraße 100). Gelsen wird der Text "Johanna" von Christian Mohr, der gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus dem Projekt "Kleine Riesen" entwickelt wurde. Außerdem werden in der Stadtbücherei Bilder und Texte der "Kleinen Riesen" ausgestellt, die im Zusammenhang mit der Arbeit in den Einzel- oder Gruppenkontakten in dem Projekt entstanden sind. Daneben sind auch Fotos aus der Gruppenarbeit zu sehen. Der Eintritt ist frei.