Eine Leihgabe im Stadtmuseum dokumentiert das Schicksal der Vertriebenen Friedrun Törber-Friederici

Norderstedt. Der Topf ist schwer, sein Stahl vielleicht einen Zentimeter dick. Noch schwerer aber macht ihn die Geschichte, die auf ihm lastet.

Der Topf ist ein Ausstellungsstück. Er steht in der Nissenhütte im Stadtmuseum Norderstedt. Auf dem kleinen Herd wartet er. So, als wäre die Hausfrau nur mal eben einkaufen gegangen.

Die Hausfrau heißt Friedrun Törber-Friederici, ist 83 Jahre alt und lebt heute in Garstedt. Den Topf hatte sie Manfred von Essen für eine Ausstellung geliehen. Aber eigentlich möchte sie ihn schon längst wieder zurückhaben. Denn sie kocht sehr gerne mit ihm.

Der Topf ist fast so alt wie das Leben der Friedrun Törber-Friederici lang. Er war Zeuge des Vertriebenenschicksals der Norderstedterin, die eigentlich eine Schlesierin ist. "Meine Eltern führten ein großes Gut in Dittersdorf in Ober-Schlesien, 108 Kilometer von unserer Hauptstadt Breslau entfernt", sagt Friedrun Törber-Friederici, die ihren Mädchennamen an den ihres Mannes angehängt hat, damit die Friedericis nicht ganz verschwinden. Und weil sie stolz ist auf ihre Familiengeschichte.

Den Topf hatte die Mutter von Friedrun Törber-Friederici in einer Fabrik in der Nähe von Dittersdorf gekauft. "Vor dem Krieg wurden dort Badewannen hergestellt. Im Krieg die Kanonenrohre für die Panzer", sagt die 83-Jährige. Wenn in der Fabrik Ausschussware produziert wurde, schnitt man die Stahlrohre in Stücke, setzte einen Boden drunter und einen Deckel drauf - und fertig war der Topf. "Wir kochten fast alles in dem Topf. Und als wir los mussten, nahmen wir ihn mit", sagt Friedrun Törber-Friederici.

Die russische Armee stand im Februar 1945 noch acht Kilometer von Dittersdorf entfernt. Da wurden auf dem Gut der Friedericis die Gespanne fertiggemacht, die Siebensachen wurden zusammengekramt, und zusammen mit den Bauern des Gutes, des Dorfes und vielen anderen deutschen Zivilisten ging es in Richtung Südwesten, in Richtung Bayern. "Meine Mutter war die Treckführerin. Und der Topf leistete uns auf der Flucht gut Dienste", sagt Friedrun Törber-Friederici. Es geht über das Erzgebirge und durch das Vogtland, mit Karren aus der Tiefebene Ober-Schlesiens, also ohne Bremsen. "Wir fuhren 30 bis 50 Kilometer, jeden Tag. Es war ein hartes Los."

Das Ziel heißt schließlich Kulmbach in Franken. Dort landet die ehemalige Tochter eines Gutsbesitzers, dessen Großvater in Breslau eine Klinik aufgebaut hatte, als ein 17-jähriges Mädchen, das ihr altes Leben verloren hatte und nicht wusste, was die Zukunft für sie bringen würde. Friedrun Törber-Friederici: "Wir waren die verlorene Generation."

Lange hofft die Familie, eines Tages wieder das Gut in Dittersdorf führen zu können. Sie schicken Friedrun Törber-Friederici zur Landwirtschaftslehre nach Niedersachsen. Doch als sie einsehen muss, dass es ein Zurück kaum geben wird, sattelt sie auf Sportwissenschaften um. "Ich studierte und spezialisierte mich auf Behindertensport. Es gab ja so viele Männer, die aus dem Krieg verstümmelt zurückkamen", sagt die 83-Jährige. Später arbeitet sie aber auch auf einem Gymnasium als Lehrerin.

Auf Langeoog, wo die Sportwissenschaftlerin jahrelang den Strandsport organisiert, lernt Friedrun Törber-Friederici schließlich einen Hamburger Apotheker kennen, der am Schulterblatt in der Hansestadt eine Apotheke in langer Familientradition führt. "So hat es mich nach Hamburg und dann - auf der Suche nach einem Haus - nach Norderstedt verschlagen", sagt Friedrun Törber-Friederici.

Ihr Mann ist mittlerweile verstorben, die Apotheke führt der gemeinsame Sohn. Die 83-Jährige lebt allein und pflegt die Erinnerungen an Schlesien. Eine Karte ihrer alten Heimat hängt an der Wand. In Schuhkartons sammelt sie die vielen Fotos ihres langen Lebens.

Ihren Topf möchte sie so schnell wie möglich wiederhaben. Wahrscheinlich, um ein Schlesisches Himmelreich zu kochen, das schlesische Traditionsgericht aus geräuchertem Schweinebauch mit Backobst, Zimt und Zitronenschale.