Familien fühlen sich in Harksheide besonders wohl. Und einmal im Jahr übernehmen 1000 Narren das Zepter

Er hat sein Herz an die Scholle verloren. Wenn Claus-Dieter Harms von seiner Scholle spricht, meint er Harksheide. Daran lässt der 53-Jährige keinen Zweifel. Im geografisch längsten Norderstedter Stadtteil ist er geboren und aufgewachsen. Sein Berufsleben klammert das alte und das moderne Harksheide.

In der Stonsdorferei hat der Norderstedter Industriekaufmann gelernt und hineingeschnüffelt in alte Braukunst. Denn in den Firmenräumen an der Stormarnstraße wurde ein Getränk gebrannt, das weit über die Grenzen Norderstedts hinaus bekannt ist: "Echt Stonsdorfer", heißt der Kräuterlikör, der dem Gewerbegebiet und dem Stonsdorfer Weg seinen Namen gegeben hat.

Später wechselte Harms zu einem internationalen Unternehmen, das nur wenige Meter von seiner Lehrstelle entfernt seinen Sitz hat und durch gleichermaßen luftige wie markante Architektur besticht: Lufthansa lässt in den gläsernen Baum mit den runden Türmen am Schützenwall seine Tickets abrechnen.

Da ist Harms zuständig für die Logistik und viel in der Welt herumgekommen. "Das war zwar interessant. Ich wollte aber immer so schnell wie möglich zurück", sagt der Mann, der die Gemeinschaft und die gute Nachbarschaft schätzt. Freunde und Familie, der Ur-Harksheider, hat reichlich davon. Sein Opa führte den Bauernhof an der Ecke Steindamm/Falkenbergstraße. Da hat er die Großfamilie erlebt, drei Generationen lebten unter einem Dach. Noch heute wohnt er mit Frau und zwei Kindern dort und genießt die Beschaulichkeit im zweitältesten Norderstedter Stadtteil, der allerdings früher nicht den besten Ruf genoss. Die Harksheider galten als arm, die Garstedter, so erinnern sich alte Harksheider, hätten mit dem Spruch geprahlt: "Aus Harksheide holen wir uns die Knechte und Mägde." Und dem langjährigen SPD-Stadtvertreter Gerhard Rudolph wird folgender Satz zugeschrieben: "Durch Harksheide musst du schnell durchfahren, sonst klauen sie dir die Räder." Rudolph wohnt in Glashütte.

Schon immer konkurrierten die beiden größten Norderstedter Stadtteile Garstedt und Harksheide um die Vorherrschaft. Und ausgerechnet da heiratet der Harksheider Harms eine Frau aus Garstedt. "Klappt prima", lacht er. Natürlich gebe es einen freundschaftlichen Wettbewerb unter den Ortswehren und den Sportvereinen. Harms muss es wissen, lange hat er für TuRa Harksheide gekickt und ist noch immer Chef der Freiwilligen Feuerwehr Harksheide. "Wir sind beispielsweise mit der Familie Berg von der Garstedter Wehr seit Langem eng befreundet", sagt Harms, der auch ein Spektakel mit aus der Taufe gehoben hat, das zumindest im Kreis Segeberg seinesgleichen sucht: die Feuernacht. Jedes Jahr amüsieren sich rund 1000 alte und junge Narren beim Fasching in der Mehrzweckhalle. Schon der Vorverkauf der begehrten Tickets gerät regelmäßig zur fröhlichen Party. Und so mancher hatte schon nachts seinen Stuhl vor den Eingang der alten Feuerwache gestellt und geduldig auf Einlass gewartet.

Viel intimer, aber hochklassig geht es im "Music Star" zu - Wolfgang Sedlatschek und der Verein "Musik-Werkstatt" haben den kleinen Live-Musik-Klub am Harksheider Markt zu einem Treffpunkt von Bands aus aller Welt entwickelt. Und der Macher, der sich selbst als "musikverrückt" bezeichnet, bringt auch außerhalb des Musikkellers den Stadtteil zum Klingen: mit dem Musikfestival "Kulturwerk am See" und in den Vorjahren mit "Rock am Markt". Vielleicht sind das zwei Farbtupfer, die den Unterschied zu den anderen Stadtteilen markieren. Wer die Bewohner fragt, erfährt überall, dass sie den dörflichen Charakter, die Nähe zur Natur, die gute Nachbarschaft und das städtische Angebot schätzen.

Das sind Argumente, die Evelyne Behrens und ihre Familie für Harksheide begeistert haben. Die 38-Jährige ist im Stadtteil aufgewachsen, ist mit ihren Freunden durch den Stadtpark getobt, ehe ihr, wie so vielen Jugendlichen, Norderstedt zu eng und zu bürgerlich wurde. Die Großstadt musste es sein, doch dann zog es sie wieder zurück "aufs Land", in die Nähe ihrer Eltern.

Ihr Mann Kay, 38, hat Kindheit und Jugend in Hamburg-Niendorf verbracht. "Ein Stadtteil, der ähnlich reizvoll ist", sagt er und hat sich dennoch dem Wunsch seiner Frau gebeugt, mit Tochter Luna, 12, ein modernes Reihenhaus am Schafgarbenweg zu beziehen. "Hier ist das soziale Gefälle geringer als in Hamburg. Die Infrastruktur stimmt, Schulen und Kitas sind in der Nähe", sagt Kay Behrens, der beruflich oft nach Köln muss und die Nähe zum Flughafen schätzt. Und Luna hat es nicht weit zum Reiten. "Ich könnte mir kein besseres Zuhause vorstellen", sagt die Schülerin.

Harksheide hat auch durch ein Großereignis an Popularität gewonnen, das zwischen April und Oktober rund 600 000 Menschen in den Stadtteil locken soll: die Landesgartenschau. Besonders pikant daran ist, dass der Seepark, der mit Wasserski-Anlage, Naturbad und Rundweg eine der Hauptattraktionen darstellt, nicht zu Harksheide, sondern noch zu Glashütte gehört. Das verraten jedenfalls die Ortsgrenzen auf den städtischen Plänen, die es zwar offiziell nicht mehr gibt, die aber zumindest in den Köpfen vieler Norderstedter noch existieren.

Von der Landesgartenschau profitiert auch das Gewerbegebiet Stonsdorf. Für die Gartenschau werden die Verkehrsführungen optimiert. Zwischen dem Kreisverkehr am Langenharmer Weg und der Stormarnstraße wird eine Verbindungsstraße zwischen dem Famila-Markt und den Anlagen der Magnus Mineralbrunnen gebaut. Die neue Straße mündet in einem neuen, 35 Meter im Durchschnitt messenden Kreisverkehr auf der Stormarnstraße. Die Kreuzungen mit dem Schützenwall werden aufgeweitet, mit Abbiegefahrstreifen und Ampelanlagen versehen. Das Teilstück des Schützenwalls zwischen Stormarnstraße und Langenharmer Weg wird eine Einbahnstraße in Richtung Süden.

Die Baumaßnahmen sind auch im Sinne der Unternehmen, die seit Langem über kaputte und zu schmale Straßen sowie fehlende Fußwege klagen. "Ungeklärt ist bisher allerdings der Plan, die Kreuzung Poppenbütteler Straße/Langenharmer Weg umzulegen und den Langenharmer Weg von der Ostseite her zu schließen. Die Firmen Coba Baeck und Magnusquelle befürchten, dass ihr Zulieferverkehr erheblich beeinträchtigt wird. Hier wird es weitere Gespräche mit den Planern geben", sagt Gerd Cordsen, Sprecher der Interessengemeinschaft Stonsdorf, die sich im Frühjahr gegründet hat und auch Einfluss auf die Gestaltung des Schützenwalls nehmen will. Ziel sei, den Lkw-Verkehr besser fließen zu lassen "Dieses Gewerbegebiet ist das älteste in Norderstedt, und die Nachteile sind gravierend: enge Straßen, besonders Schützenwall, schlechte Anbindung an das ÖPNV-Netz, besonders für Schichtarbeiter, alter und wenig attraktiver Gebäudebestand, erhebliche Leerstände, teilweise mehr als zehn Jahre", sagt Cordsen. Er habe den Eindruck, dass sich die Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EgNo) auf den Nordport und den Wirtschaftsverbund Nordgate konzentriert und das Gewerbegebiet Stonsdorf vernachlässigt habe.

Leerstände gibt es auch im jüngeren und größten Norderstedter Gewerbegebiet entlang der Oststraße. "Leer stehen die ehemaligen Verteilzentren von Otto-Versand und C&A. Aber so, wie es aussieht, dürften wir spätestens zum Frühjahr zumindest für ein Objekt wieder einen neuen Nutzer haben", sagt Marc Mario Bertermann, Geschäftsführer der EgNo. Er bezeichnet die Leerstände als normal. "Das Gewerbegebiet dürfte die größte Wertschöpfung in der Stadt haben", sagt Bertermann. Viele Logistik-Unternehmen haben dort ihren Sitz, die Handelskette Rewe verteilt von Norderstedt aus die Waren in Norddeutschland, VW/Audi und van Houten ebenfalls. Insgesamt sind rund 220 Firmen mit 6000 Mitarbeitern an der Oststraße angesiedelt. "Die Mieten an der Oststraße sind relativ günstig, und mit wilhelm.tel haben wir hier ein Hochleistungs-Datennetz. Gerade für Betriebe, die starten, gibt es hier gute Bedingungen", sagt Norbert Schneider, 57, Sprecher der Projektgruppe. Weitere internationale Betriebe wie St. Gobain/de Beer (vormals Winter), die Diamantschleiwerkzeuge herstellen, Wellenstein, Miles sowie Johnson & Johnson erledigen ihre Geschäfte von Harksheide aus.

Auch die Stadtplaner haben Harksheide im Fokus. Geplant sind mehrere kleine, aber feine Maßnahmen. "Wir sind dabei, den Bereich um die fünf Hochhäuser am Falkenhorst attraktiver zu gestalten", sagt Baudezernent Thomas Bosse. Gemeinsam mit den Anwohnern seien Projekte wie ein mit Wasserrosen bedeckter "Monet-See", Wände für Graffiti-Sprayen, ein Spielplatz und eine Skater-Anlage geplant.

Offiziell gibt es die Stadtteile nicht mehr, sondern nur noch Norderstedt. Dennoch sehen sich viele noch als Garstedter, Glashütter, Friedrichsgaber und Harksheider. In einer Serie stellen wir die Stadtteile vor, im letzten Teil beleuchten wir Norderstedt-Mitte.