Der “Music Star“ ist für Bands aus aller Welt zu einer festen Adresse geworden. Er setzt alles daran, dass es auch 2011 so bleibt.

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Kurz vor Weihnachten haben die vier Ladys von "Winterbloom" aus Boston/USA den Reigen internationaler Musiker, die seit vielen Jahren im Norderstedter Live-Musik-Klub "Music Star" gastieren, für 2010 beendet; am 15. Januar eröffnet Tish Hinojosa, US-amerikanische Musikerin mit mexikanischen Wurzeln, die prall gefüllte Konzertsaison 2011. Die Norderstedter Zeitung sprach mit Wolfgang Sedlatschek, seit nunmehr 13 Jahren musikalischer Mastermind des "Music Star" - und, wie er selbst sagt, "musikverrückt".

Norderstedter Zeitung:

Wolfgang Sedlatschek, wenn Ihnen in der Silvesternacht die berühmte gute Fee erschienen wäre, welchen musikalischen Superstar hätten Sie sich auf die Bühne des "Music Star" gewünscht?

Wolfgang Sedlatschek:

Keinen, bei uns spielen genau die Bands, die ich mag.

Wirklich kein Wunsch?

Sedlatschek:

Na gut, dann würde ich mir einen Auftritt von Neil Young gewünscht haben.

Rückblickend auf das Konzertjahr 2010, welcher Musiker; welche Band, die bei Ihnen in Harksheide gespielt hat, hat Sie besonders beeindruckt?

Sedlatschek:

Ach, wo fange ich da an... "Girls, Guns & Glory" waren sehr gut, "Headwater" auch. Ray Bonneville war wieder überzeugend, wie auch Tommy Womack. Wir hatten aber auch wieder etwa 50 Prozent Musiker, die 2010 zum ersten Mal bei uns waren, und die fast durchweg klasse waren.

Sie haben doch längst eine innige, sehr persönliche Beziehung zu vielen der Musikern, oder?

Sedlatschek:

Natürlich, wir kennen viele Musiker inzwischen sehr gut, viele wohnen, wenn sie in Norderstedt sind, bei meiner Frau und mir im Haus.

Es ist einfach toll, im "Music Star" spielen die Idole meiner Jugend. Deshalb bin ich bei der Auswahl der Musiker auch diktatorisch! (lacht).

Die anderen Vereinsmitglieder akzeptieren das. Iain Matthews hat mir, als er im Herbst bei uns war, Platten von ihm signiert, die ich mir mit 17 Jahren gekauft habe.

Apropos Verein: Seit drei Jahren steht der Verein "Musik-Werkstatt" hinter dem "Music Star", der seit 2009 auch offizieller Kulturträger in Norderstedt ist. Was hat sich für Sie, gerade auch finanziell, verändert?

Sedlatschek:

Wir haben gut 100 Vereinsmitglieder. Die Arbeit wird auf mehrere Schultern verlagert. Manche kümmern sich bei fast jedem Konzert um den Aufbau. Durch die Vereinsbeiträge wird das finanzielle Risiko abgemindert. 2010 sind wir bei plus minus Null gelandet. Es bleibt aber auch in diesem Jahr die Frage, ob wir mit dem Geld hinkommen. In diesem Jahr haben wir als Kulturträger erstmals 2000 Euro von der Stadt bekommen.

Gibt es andere Sponsoren oder Geldgeber?

Sedlatschek:

Ehrlich, da kommt leider ganz wenig. Wir hatten zum Beispiel bei unserer Bank angefragt, ob wir als Verein die Kontoführungsgebühren sparen können. Am Ende kam raus, dass wir nur die Hälfte zahlen sollen. Unmöglich, finde ich. Alle reden in Norderstedt über Stadtmarketing. Mitschnitte unserer Konzerte spielt sogar die BBC - wir machen also reichlich Stadtmarketing. Der Name Norderstedt wird im Ausland bekannt gemacht.

Manch einer in Norderstedt sagt, im "Music Star" treffe sich nur die alternative, linke Szene der Stadt.

Sedlatschek:

Dieses Image ist falsch. Ja, Miro Berbig (Fraktionschef der Partei Die Linke im Rat, die Red.) macht bei uns Ansagen, weil er gut reden kann. Aber wir haben inzwischen mehr Vereinsmitglieder aus dem CDU-Lager als von den Linken.

Fast scheint es, als gelte für Sie der Satz vom Propheten, der nichts zählt im eigenen Land. Zu Ihren Konzerten kommen Fans extra aus Berlin oder sogar aus Holland und Frankreich - aber die Norderstedter selbst ziehen Sie nach so vielen Jahren nicht in Massen an. Woran liegt das?

Sedlatschek:

Generell ist Norderstedt wohl ein schwieriges Pflaster. Wir haben ein tolles Publikum, das ganz gezielt zu uns kommt. Es ist aber auch ein verwöhntes, anspruchsvolles Publikum. Wir wollen als Verein die große Bandbreite der Musik und die hohe Qualität der Konzerte erhalten.

Auf Mainstream werden Sie ergo auch in Zukunft nicht setzen?

Sedlatschek:

Ich habe musikalisch einen hohen Anspruch. Es gibt Musiker, die sich für einen Auftritt bewerben, die bereits Preise bekommen haben - und die können nicht mehr als drei Akkorde auf der Gitarre. Von der sogenannten Hamburger Musikszene, die große Hallen füllt, halte ich ganz wenig.

Trotzdem haben Sie offensichtlich nie Probleme, genug Musiker nach Norderstedt zu holen?

Sedlatschek:

Gar nicht. Es ist längst so, dass die Musiker von sich aus fragen. Wir selbst müssen nicht mehr werben. In der Musikszene funktioniert die Mund-zu-Mund-Propaganda. Es hat sich seit Langem rumgesprochen, dass es hier eine gute Auftrittsmöglichkeit gibt. Jeden Tag kommen Anfragen. Es werden doch immer weniger Klubs, in denen diese Musiker spielen können. Da gibt es auch ein klares Nord-Süd-Gefälle: Bands, die hier bei uns vor 50 Leuten auftreten, füllen in Süddeutschland Hallen mit mehreren Hundert Menschen.

Inwieweit steht das Konzert-Programm für 2011?

Sedlatschek:

Bis Mai sind die Termine geplant. Wir schieben aber immer wieder Konzerte zusätzlich ein.

Wird es das von Ihnen organisierte Musikfestival "Kulturwerk am See" auch im Jahr der Landesgartenschau geben?

Sedlatschek:

Ja, und zwar am 4. Juni auf dem Gelände des Betriebshofes vor dem Gartenschaugelände. Das machen wir so, weil wir weiterhin kein Eintrittsgeld nehmen wollen. Spielen werden beim Open-Air-Festival unter anderem die "David Celia Band" und "Rube Dee And The Snakehandlers".

Vermittelt haben wir zudem tolle Straßenmusiker, die auf dem Gartenschaugelände tagsüber von 11 bis 17 Uhr an verschiedenen Orten spielen.

Und sie blicken in Sachen Konzertplanung schon über das Jahr der Gartenschau hinaus?

Sedlatschek:

Wir arbeiten derzeit daran, etwas im künftigen Kulturwerk am See stattfinden zu lassen. So könnte dort 2012 ein Bandwettbewerb für junge Bands über die Bühne gehen. Mindestens vier Veranstaltungen im Jahr wollen wir dort unterbringen. Das Festival "Kulturwerk am See" hat ab 2012 seinen Platz auf der Waldbühne des Gartenschaugeländes.

Und immer mit Wolfgang Sedlatschek mittendrin?

Sedlatschek:

Das ist und bleibt alles mein Hobby. Das Abmischen der Konzerte, die Zusammenschnitte der Videos, die wir ins Internet stellen, das mache ich alles selbst.

Sie haben einmal gesagt, das alles ginge nur, weil Sie ein bisschen verrückt seien. Musikverrückt?

Sedlatschek:

Ja, ganz klar, ich habe halt Glück. Aber ich vergesse dabei nicht, dass solche top acts auch nur bei uns spielen, weil wir generell ja Kultur verlieren. Für viele Mitmenschen hierzulande ist Kultur nur noch das, was die Volksverblödungsmaschinerie Tag für Tag erbricht. Die sind nicht mehr in der Lage, sich auf etwas Neues einzulassen. Was nicht in den Charts ist, ist schlecht. Was keinen Eintritt kostet ebenso. Ich versuche mit meinen beschränkten Möglichkeiten, ein klein wenig gegenzusteuern.

Das Interview führte Bernd-Olaf Struppek