Der kauzige Norderstedter lebte 13 Jahre auf einer Koppel an der Straße Harthagen und starb in einem Bauwagen. Polizisten brachen die Tür auf.

Norderstedt. "Es tut mir leid, dass das Leben dieses Mannes so tragisch enden musste", sagt Dieter Deppert. Der 68 Jahre alte Pensionär aus Norderstedt ist wahrscheinlich der letzte Mensch, der Ernst K. gesehen und mit ihm gesprochen hat. Der kauzige Einsiedler, etwa 70 Jahre alt, starb einsam und allein in einem uralten, nicht beheizten Bauwagen auf einer Koppel an der Straße Harthagen in Norderstedt. Hier hatte er 13 Jahre lang gehaust.

Die Todesursache ist unklar, für Dieter Deppert jedoch steht fest: "Der Mann ist erfroren, wahrscheinlich schon während der ersten Kältewelle Anfang Dezember." Der Norderstedter Hobby-Pferdezüchter erinnert sich: "Am 28. November, wenige Tage vor meinem Kurzurlaub in Dänemark, habe ich ihm Brot gebracht und einige Worte mit ihm gewechselt. Er fragte nur, ob ich noch ein paar Eier für ihn hätte."

Zwei Tage nach Weihnachten schaute Deppert wieder nach dem Mann. Er klopfte und rüttelte an der Tür, er rief den Namen - keine Antwort. Die rostigen Fahrräder, mit denen Ernst K. bei seiner Suche nach für ihn verwertbaren Dingen unterwegs gewesen war, lehnten völlig verschneit an einem Baum, alte Plastiktüten hingen an den Lenkern. Rund um den Wagen lagen Müllhaufen.

"Da schöpfte ich Verdacht", erzählt Dieter Deppert. "Ich habe die Polizei angerufen." Innerhalb kurzer Zeit kam ein Streifenwagen mit zwei Beamten der Norderstedter Wache. Ein Polizist klopfte, dann riss er die von innen mit einem Draht befestigte Tür auf.

"Drinnen war es dunkel", berichtet Deppert. Er stand neben dem Polizisten, als dieser mit einer Taschenlampe ins Innere des primitiven, nicht isolierten Bauwagens leuchtete. An einer Wand lehnte eine ausgediente Matratze, an der anderen sollten ein Stapel Zeitungen wohl die Kälte abhalten.

"Mir stockte der Atem", so Deppert. "Es roch nach Verwesung. Das erste, was ich sah, war ein Arm. Der zeigte senkrecht zur Decke. Die Finger waren skelettiert."

Hierfür glaubt Dieter Deppert eine Erklärung zu haben: "Die Ratten haben ganze Arbeit geleistet." Davon ist auch Bauer Klaus Mecklenburg überzeugt: "Wir haben eine Rattenplage in Norderstedt. Überall habe ich Gift gestreut. Aber die Viecher scheinen dagegen immun zu sein - und sie vermehren sich unglaublich schnell."

Der 45 Jahre alte Landwirt lebt auf einem Hof mit 60 Hektar Land am Rantzauer Forstweg. Mit der Milch von 25 Kühen und der Vermietung von Boxen für Pensionspferde verdient er seinen Lebensunterhalt. Mecklenburg ist auch Pächter der Koppel, auf der der Bauwagen steht. Sein Vater Heinz, 79, hatte dem Einsiedler die Erlaubnis erteilt.

Den Bauwagen hatte Mecklenburg vor etwa 13 Jahren von Udo Mau bekommen. 40 Jahre hat der heute 86-Jährige einen Gartenbaubetrieb geführt. Auf seinem Grundstück standen einige Bauwagen für die Arbeiter. "Eigentlich wollte ich die Wagen entsorgen", erinnert sich Udo Mau. "Aber dann fragten die Mecklenburgs nach, ob sie einen haben könnten. Ich hatte nichts dagegen. Den Einsiedler kannte ich nicht."

Ein altgedienter Norderstedter Polizist, dem der Eigenbrötler im Rantzauer Forst hin und wieder über den Weg lief, erinnert sich: "Das war ein harmloser Typ. An den Bushaltestellen hat er immer die Papierkörbe durchstöbert. Manchmal hat er die Leute verschreckt."

Bauer Mecklenburg hat den Toten anders in Erinnerung: "Seine Psyche war angeschlagen, manchmal ist er ausgetickt. Er ging mit dem Knüppel auf die Leute los, die auf dem Hof ihre Pferde stehen hatten." Trotzdem durfte K. einige Zeit im Schafstall des Bauern nächtigen. Das hörte auf, als Udo Mau seinen Bauwagen zur Verfügung stellte.

"Wir haben den sogar noch auf die Koppel geschleppt", sagt Klaus Mecklenburg. Die Post für den Mann lieferte der Briefträger auf dem Hof ab, Altbauer Heinz Mecklenburg schob sie dann unter die Tür des Bauwagens.

Der Bruder des Toten wohnt in Berlin. Der kümmert sich jetzt um die Beerdigung von Ernst K. Ob der Einsiedler von Norderstedt auf dem Ohlsdorfer Friedhof seine letzte Ruhe findet? Hier hat Ernst K. früher als Friedhofsgärtner gearbeitet.