In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren erstmals alle Fraktionen der Kaltenkirchener Stadtvertretung gemeinsam die Amtsführung von Stefan Sünwoldt (SPD)

Kaltenkirchen. Auf die Klatsche folgte das Schweigen. Mit gesenktem Blick und in sich zusammen gesunken ließ Kaltenkirchens Bürgermeister Stefan Sünwoldt (SPD) die verbale Prügel über sich ergehen. In der Stadtvertretung reagierte er mit keinem einzigen Wort. Der Vorgang im Ratssaal war einmalig in der Geschichte der mittlerweile fünf Jahre andauernden Querelen zwischen dem Verwaltungschef und dem Kommunalparlament. In einer gemeinsamen Erklärung sind alle Fraktionen auf Distanz zum Bürgermeister gegangen. Gemeinsam wiesen sie eine Bemerkung Sünwoldts zurück, der nach der letzten Sitzung des Hauptausschusses von einem "Spaltpilz" gesprochen hatte.

Mit dieser gemeinsamen Erklärung hat der Streit um die Amtsführung des Verwaltungschefs eine neue Qualität erreicht. Nicht nur seine Dauergegner von CDU und FDP attackierten Sünwoldt, sondern auch die gesamte Riege seiner eigenen Parteifreunde von der SPD. Um zu verdeutlichen, dass die Kritik aus allen Fraktionen kommt, übernahm Bürgervorsteherin Elke Adomeit die Aufgabe, die Erklärung zu verlesen.

Anlass für die spektakuläre Erklärung während der letzten Sitzung der Stadtvertretung in diesem Jahr war eine Auseinandersetzung im Hauptausschuss in der vergangenen Woche. Das wichtigste politische Gremium der Stadt nach der Stadtvertretung hatte über den Haushalt 2011 debattiert und unisono der von Sünwoldt geforderten Aufstockung der Mittel für sein Personal um 116 000 auf knapp fünf Millionen Euro nicht zugestimmt.

Daraufhin mit Blick auf das Verhältnis zwischen Politik und Bürgermeister gesagt: "Das war wieder der übliche Spaltpilz." Nach Berichten der "Segeberger Zeitung" hat er darüber hinaus per Mail seinem Ärger über seine sozialdemokratischen Parteifreunde freien Lauf gelassen. Die Niederlage im Hauptausschuss sei eine seiner schwärzesten Stunden in Kaltenkirchen gewesen. Von seinen Parteifreunden sei er sehr enttäuscht.

Diese Bemerkung zielte offenbar auch in Richtung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Georg Loger, der nach einem Streit mit Sünwoldt über die Wirtschaftsförderung im vergangenen Sommer erstmals einen Bruch mit dem Bürgermeister erkennen ließ und ankündigte, keine Vier-Augen-Gespräch mehr mit Sünwoldt zu führen.

In der gemeinsamen Erklärung der Stadtvertreter heißt es jetzt: "Lange haben wir geschwiegen, weil wir Schaden von der Stadt abwenden wollten. Jetzt ist das Maß voll." Und weiter: "Unsere Verantwortung für die künftige Entwicklung zwingt uns zu strikter Ausgabendisziplin. 27 Millionen Schulden der Stadt müssen langfristig abgebaut werden. Für die Wahrnehmung dieser Verantwortung als Spaltpilze diffamiert zu werden, ist eines Bürgermeisters unwürdig (...). Wir sind es inzwischen Leid, immer wieder von einem ,Neuanfang' in der Zusammenarbeit zwischen der Stadtvertretung und dem Bürgermeister zu hören. In den letzten fünf Jahren hat es schon mehrere ,Neuanfänge' gegeben. Möge der Bürgermeister seine Pflicht als Chef der Rathausverwaltung wahrnehmen."

Nach der Sitzung zeigte sich Sünwoldt unbeeindruckt von der Kritik aus den Fraktionen. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung dankte er den Stadtvertretern für ein Jahr, das bis auf wenige Ausnahmen zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung ruhig verlaufen sei. Das Jahr habe gezeigt, dass man vernünftig zusammen arbeiten könne, sagte Sünwoldt der Norderstedter Zeitung.

Zum Inhalt der Erklärung wollte er sich nicht äußern. "Ich nehme das zur Kenntnis", sagte der Bürgermeister. Auf die Frage, ob er sich mit der Kritik befasse, antwortete er: "Nein."

Er sei von der Erklärung überrascht worden, sagte Sünwoldt. Für ihn stelle sich jetzt die Frage, in welcher Rolle die Bürgervorsteherin die Erklärung verlesen habe. Der Bürgermeister bezeichnete das Verhalten von Elke Adomeit als "irritierend und befremdlich".

Sünwoldt sorgt mit seiner Amtsführung und seine Äußerungen seit seiner Vereidigung immer wieder für Streit. Viele Politiker werfen ihm vor, die Verwaltung nicht effizient zu leiten und regelmäßig die Stadtvertretung zu brüskieren. Vor wenigen Monaten hatte Sünwoldt in einem Interview angekündigt, in zwei Jahren für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Ob er dabei auf die Hilfe der SPD zurückgreifen werde, hatte er offen gelassen.