Die Geschäftsführung von Johnson & Johnson hat das Ziel, Norderstedt zum “Hochleistungs-Standort“ innerhalb des Konzerns machen.

Norderstedt. Schlechte Nachrichten ist Norderstedt von seinem größten Arbeitgeber nicht gewohnt. Johnson & Johnson Medical an der Robert-Koch-Straße ist einer der führenden Hersteller von chirurgischem Nahtmaterial auf der Welt. Kaum ein Arzt, der die Menschen nicht mit Nadel und Faden aus Norderstedt zusammen flickt. "Deswegen haben wir auch sehr verwundert die Gerüchte zur Kenntnis genommen, dass der Standort plötzlich gefährdet sein soll", sagt Maria-Johanna Schaecher. Die Diplom-Kauffrau und Diplom-Psychologin ist eine der Geschäftsführerinnen bei dem Medizintechnik-Hersteller.

Doch für die Gerüchte gab es harte Fakten. Zu Beginn des Jahres hatte Johnson & Johnson die Entlassung von 400 Mitarbeitern in der Produktion bekannt gegeben. Unter den Mitarbeitern kursierte die Nachricht, dass die amerikanische Konzernmutter langfristig von seinen 24 Produktionsstandorten weltweit die Hälfte abbauen möchte. Die Entlassungen in Norderstedt sahen viele als deutliches Signal dafür, dass es Norderstedt treffen würde.

Maria-Johanna Schaecher und ihre Kollegin aus der Geschäftsführung, Sonja Willems wollen diese Gerüchte zerstreuen. Der Standort Norderstedt müsse sich einem starken internationalen Wettbewerb stellen. Und dafür müsste sich an seinen Strukturen einiges ändern. "Ich sage immer, wir müssen fit für Olympia werden", sagt Schaecher. Die Strategie der Geschäftsführung sei es, aus Norderstedt den unangefochtenen Hochleistungs-Standort in der Medizintechnik innerhalb des Johnson & Johnson-Konzerns zu machen. Die Formel dafür besteht aus den Bestandteilen Automatisierung, Effizienzsteigerung und High-Tech.

"Die Ethicon hat in ihrer über 50-jährigen Firmengeschichte Produktionslinien aufgebaut, die einen geringen Grad an Automatisierung aufweisen. Das Setup stammt teilweise aus den 60er-Jahren und ist völlig unmodern", sagt Schaecher. Diese Linien seien nicht mehr konkurrenzfähig auf dem globalen Arbeitsmarkt. Deswegen wird die Produktionslinie 5 für chirurgisches Nahtmaterial nach Juarez in Mexiko verlagert. Etwa 200 Norderstedter Mitarbeiter verlieren ihren Job. Für die betroffenen Mitarbeiter ist das schlimm. Aus Sicht der Geschäftsführung geht aber an der Maßnahme kein Weg vorbei, um den gesamten Standort zukunftsfähig zu machen.

"Wir benötigen den frei werden Raum in der Produktion, um eine neue, integrierte Produktionslinien mit einem hohen Anteil an High-Tech zu installieren, die uns die Herstellung von innovativen Produkten ermöglicht", sagt Sonja Willems. Auf diese Weise hätte Norderstedt bereits ein Produkt aus einem französischen Konzernbereich übernommen.

Die eingeschlagene Strategie bedeute, dass sich der Standort einer ständigen Entwicklung unterziehen müsse. Das Alleinstellungsmerkmal für Norderstedt sei dabei die konzernweit einzigartige Verbindung zwischen den Anwendern und der Produktion. Mit dem European Surgical Institute (ESI) gebe es in Norderstedt eine der wichtigsten Fortbildungseinrichtungen für Chirurgen in Europa. 15 000 Mediziner würden hier im Jahr die Anwendung von Medizin-Produkten aus Norderstedt erlernen und über ihre Erfahrungen aus der Praxis berichten. Diese Erkenntnisse würden direkt in der Produktion einfließen.

Ein Beispiel für ein High-Tech-Produkt, das ganz der ausgegebenen Strategie der Geschäftsführung entspricht, sei das "Physio-Mesh". Stefan Uhrlandt, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung: "Ein Netz für die Behandlung von Leistenbrüchen, sogenannten Hernien, hier speziell Narbenhernien." Das transparente High-Tech-Netz sei im Dialog mit Ärzten und Patienten entwickelt worden und gleiche in seinen Eigenschaften exakt der Bauchwand. Das Netz sei für den Arzt einfach zu verarbeiten, es verkürze die Liegezeiten für Patienten in der Klinik und sorge für ein weitgehend beschwerdefreies Leben danach, sagt Uhrlandt.

Das Netz wurde gerade erst eingeführt und entwickle sich zum besten Produkt am Markt. Die Branche geht davon aus, dass Ethicon europaweit schon einen Millionenumsatz mit dem Physiomesh gemacht hat. "Wir kommen mit der Produktion gar nicht nach", sagt Sonja Willems. 120 Arbeitsplätze hätte das "Physio Mesh" in Norderstedt bereits geschaffen.

Es werde in Zukunft mehr hoch qualifizierte Arbeitsplätze und weniger niedrig qualifizierte geben, sagt Sonja Willems. "Wir wollen so viele Mitarbeiter wie möglich bei diesem Prozess mitnehmen und durch ständige Fortbildung fit machen. Bei Neueinstellungen schauen wir besonders auf die zukunftsfähigen Qualifikationen", sagt Willem. Das Ziel aller Anstrengungen sei es, der "Premium-Standort" innerhalb des Johnson & Johnson-Konzerns zu werden.