Immer mehr Menschen wollen bei den Grünen aktiv werden, doch in vielen Kommunen gibt es gar keine Ortsverbände

Kreis Segeberg. Die grüne Welle rollt und rollt. Die Grünen können sich vor Zuspruch kaum retten und werden bundesweit schon fast als zweitstärkste politische Kraft gesehen. An der Parteibasis sorgt die Entwicklung einerseits für Freude, andererseits für Kopfzerbrechen. "Wird sind auf eine solche Euphorie nicht vorbereitet", sagt Grünen-Kreisgeschäftsführer Jürgen Kaldewey. Im Kreis Segeberg fehlen vor allem Ortsverbände, in denen die Neumitglieder aktiv werden können. Das allerdings soll sich im nächsten Jahr ändern.

Eka von Kalben, Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein, kann sich vor Anfragen kaum retten. 1800 Mitglieder hat der Landesverband derzeit. "Und es werden täglich mehr", sagt die Parteivorsitzende, die vor allem die Kommunalwahlen im Jahr 2013 als große Herausforderung ansieht. Auch sie gibt zu, dass die schleswig-holsteinischen Grünen von der Entwicklung überrascht worden sind, zumal das Wahlergebnis bei der Landtagswahl 2009 bereits nahezu verdoppelt werden konnte.

Die Neumitglieder setzen sich nach ihren Beobachtungen aus einem Mix von Studenten und Menschen zusammen, die bereits älter als 40 Jahre sind. "Das sind viele Leute, die schon lange mit den Grünen sympathisieren, aber sich erst jetzt aktiv einbringen wollen."

Tatsächlich gehe der Trend hin zu einer aktiven Mitgliedschaft. Viele Neumitglieder hätten beim Landesverband bereits angefragt, ob sie geschult werden können. "Sie sind bereit, Posten zu übernehmen und in die aktive Politik zu gehen", sagt Eka von Kalben.

Der Kreisverband Segeberg will in den nächsten Monaten neue Ortsverbände gründen, um auch in den Kommunen präsent zu sein. Denn daran hat es zuletzt gehapert. Der Ortsverband Henstedt-Ulzburg, einst eine Grünen-Hochburg im Kreis, soll im nächsten Jahr neu gegründet werden. Erste Gespräche mit neuen Mitgliedern hätten bereits stattgefunden, sagt Geschäftsführer Kaldewey aus Seedorf, der zusammen mit seiner Frau Ulrike auch die Sprecher-Doppelspitze des Kreisverbandes bildet. An dieser Konstellation zeigt sich deutlich, dass die Arbeit der Grünen im Kreis Segeberg bisher häufig vom Engagement einzelner Personen abhängig war. Beim Wegfall dieser Personen sind häufig gleich ganze Ortsverbände eingestampft worden - wie in Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen.

In Norderstedt arbeiten die Grünen mit der GALiN (Grüne Alternative Liste in Norderstedt) zusammen, die demnächst mit Anette Reinders - sie wird seit einem halben Jahr als Mitglied des Grünen-Kreisverbandes geführt - sogar eine hauptamtliche Stadträtin stellt. "Wir sehen für die Zukunft aber auch wieder einen Grünen-Ortsverband im Konsens mit der GALiN", sagt Jürgen Kaldewey.

Stark vertreten sind die Grünen in Alveslohe und in Wahlstedt, in Seedorf bilden sie zusammen mit der SPD und einem CDU-Abtrünnigen sogar die Mehrheitsfraktion. In Henstedt-Ulzburg hatten sich die Grünen vor der jüngsten Kommunalwahl mit der WHU abgesprochen, nicht mit einer eigenen Liste anzutreten.

Jürgen Kaldewey ist darauf bedacht, dass die Grünen nicht den Weg der FDP gehen, die nach den jüngsten Wahlerfolgen auf allen Ebenen im Kreis Segeberg kaum noch wahrgenommen wird. Der Aufbau der Grünen soll deshalb auch behutsam erfolgen. Das ist allerdings auch gar nicht anders möglich: "Ehrlich gesagt, wir haben noch zu wenig Leute, um alle Ämter besetzen zu können", stellt der Kreisgeschäftsführer fest. In der Vergangenheit hätten die Grünen jedoch auch viel bewegen können, ohne Mitglieder in den Ortsparlamenten zu haben. Nach Angaben Kaldeweys hat der Grünen-Kreisverband derzeit 93 Mitglieder. "Die Zahl steigt, aber nicht so boomartig, wie es die Beliebtheit der Partei auf Bundesebene vermuten lässt." Eine Besonderheit in der Partei ist die Stellung des Fraktionsvorsitzenden im Kreistag: Arne Hansen führt zwar die Fraktion, ist selbst aber aus Protest gegen die Afghanistan-Politik aus der Partei ausgetreten.

Die Direktkandidaten für die nächste Landtagswahl will der Kreisverband erst spät besetzen. Schwierigkeiten, geeignete Kandidaten zu finden, befürchtet Jürgen Kaldewey nicht.

Der Landtagswahl sieht Landesvorsitzende Eka von Kalben gelassener entgegen als den nächsten Kommunalwahlen. Schon jetzt habe in der Partei die Auseinandersetzung mit dem Wahlprogramm begonnen. "Dabei werden wir nicht mehr versprechen, als wir halten können", sagt die Grünen-Chefin. "Wir haben bis jetzt eine sehr reelle Oppositionspolitik geleistet." Vor einer Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein scheuen sich die Grünen nach Angaben ihrer Vorsitzenden nicht. "Wir haben genug ministeriable Personen in unserem Kreis", sagt Frau von Kalben. Zu diesem Personenkreis gehört auch die Kielerin Monika Heinold, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Landtag. Sie war lange die "Vorzeige-Grüne" im Kreis, bevor sie von Hardebek aus privaten Gründen nach Kiel gezogen ist. An ihr wird auch das personelle Dilemma des Kreisverbandes deutlich: Als sie hier noch aktiv war, waren die Grünen zwischen Bad Segeberg und Norderstedt präsent. Die Lücke, die sie hinterlassen hat, konnte bis heute noch nicht wirklich geschlossen werden.