Bildungsminister Ekkehard Klug verteidigt bei einem Redaktionsbesuch die geplanten Veränderungen im schleswig-holsteinischen Schulsystem

Norderstedt. "Wir wollen das Schulsystem nicht ins Wanken bringen", sagte Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) während eines Besuches bei der Norderstedter Zeitung. Die Schulen sollen in Zukunft selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Der Minister verteidigt die von der schleswig-holsteinischen Regierungskoalition geplante Novelle des Schulgesetzes. Der Entwurf sieht vor, dass die Gymnasien verschiedene Bildungsgänge bis zum Abitur anbieten können (G8 und G9), außerdem sollen die 134 Gemeinschaftsschulen und 61 Regionalschulen im Lande mittelfristig miteinander verschmelzen.

2008 wurde in Schleswig-Holstein von der Koalition aus CDU und SPD das "Turbo-Abi" (G8) eingeführt, Haupt- und Realschulen sind zu Regional- oder Gemeinschaftsschulen verschmolzen. Jetzt will die CDU/FDP-Landesregierung nach Protesten von Eltern und Schülern zum kommenden Schuljahr neben dem gymnasialen "Turbo-Abi" nach acht Jahren die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ermöglichen. Außerdem sollen sich Regional- und Gemeinschaftsschulen einander annähern: Den Gemeinschaftsschulen soll die Binnendifferenzierung nach Haupt- und Realschule, wie sie an den Regionalschulen praktiziert wird, freigestellt werden.

Es hagelt Kritik: Eine Volksinitiative startete eine Unterschriftsaktion für einen verbindlichen festgelegten Schulfrieden bis 2013. Auch ein Volksbegehren mit anschließendem Volksentscheid steht im Raum.

Bildungsminister Ekkehard Klug hat, wie er gegenüber der Norderstedter Zeitung erklärte, nicht vor, den Schulen im Lande zu diktieren, was sie machen sollen. "Die Schulen sollen selbst entscheiden", betonte der Minister. "Ich bin überzeugt, dass dann am Ende optimale Ergebnisse herauskommen." Als letzte Instanz solle das Kieler Ministerium nur dann entscheiden, wenn sich Schulleiter, Schulkonferenz und Schulträger nicht auf ein gemeinsames Ergebnis einigen können.

Den Vorwurf der Kritiker, hier würden parteipolische Machtkämpfe ausgetragen, weist Ekkehard Klug zurück. Es gehe jetzt um das Aufarbeiten von gemachten Erfahrungen, wobei jeder Schule ein großer Gestaltungsspielraum gegeben werde.

Trotz unterschiedlicher Schulsysteme in den Bundesländern - aktuell plant Niedersachsen die Zusammenfassung von Haupt- und Realschulen zu Oberschulen - sieht der schleswig-holsteinisches Bildungsminister keinen Anlass für ein übergreifendes Bundes-Schul-Rahmengesetz. Wichtig aber sei eine bessere Abstimmung zwischen den Ländern, um Schülern den Umzug in ein anderes Bundesland zu erleichtern.

"Natürlich wird bei Kamingesprächen der Landesminister über eine Kompatibilität gesprochen, aber es gibt ja schon jetzt relativ detaillierte Vorgaben von der Grundschule bis zur höheren Stufe, die bundesweit gelten." Eine "Bundesagentur für Bildung" lehnt der schleswig-holsteinische Bildungsminister ab.

Ekkehard Klug, der sein Abitur 1974 am Gymnasium Wellingsdorf in Kiel gemacht hat, kündigte auch an, dass die ebenfalls 2008 eingeführten prophylaktischen Prüfungen an Gymnasien wegfallen sollen. Gymnasiasten sollen mit der Versetzung in Klasse zehn wieder automatisch den Hauptschul- und mit der Versetzung in die elfte Klasse den Realschulabschluss erhalten. Die Prüfungen seien ein "riesiger Aufwand", es habe viele Klagen darüber gegeben. Prüfungen werde es nur noch bei Nichtversetzung geben. Klug: "Darüber herrscht allgemeine Erleichterung, Kritik an der geplanten Neuregelung habe ich nicht gehört."

Kritik aber schlägt dem Bildungsminister angesichts der Pläne entgegen, in den nächsten zehn Jahren 3650 der 23 000 Lehrerstellen in Schleswig-Holstein zu streichen. Ekkehard Klug begründet das mit dem demografischen Faktor: In den nächsten beiden Schuljahren würden landesweit zunächst jeweils 300 Lehrerstellen gestrichen, da es 6100 und 6300 Schüler weniger geben werde. "Danach müssen wir uns Jahr für Jahr die aktuellen Entwicklungen ansehen." Im Übrigen müsse das Land Schleswig-Holstein sparen.

Zunächst aber sollen die Gymnasien im Land zusätzliche Lehrerstellen bekommen, weil sie nach Angaben des Ministers wegen der Einführung des "Turbo-Abis" Nachholbedarf haben.

Schülern aus Norderstedt und Umgebung, die in Hamburg zur Schule gehen wollen, macht Bildungsminister Klug Hoffnungen: Bei den Verhandlungen für das im vergangenen Jahr gekündigte Gastschulabkommen gehe es am 19. November in die nächste Runde. Klug hofft auf eine schnelle Einigung, stellt aber auch klar, dass die Vorstellungen der Hansestadt nicht denen des Landes Schleswig-Holstein entsprächen.

Hamburg wolle einen freien Zugang schleswig-holsteinischer Schüler für seine Schulen, das sei aber nicht im Sinne der Kieler Regierung. "Wenn Schleswig-Holstein keine Steuerungsmöglichkeiten mehr hat, können die Schulen in Norderstedt und Umgebung nicht mehr vernünftig planen." Der Minister befürchtet einen Ansturm auf die Schulen der Hansestadt, wenn Hamburg die bisherige Ausgangsbasis verlässt. "Wir brauchen so schnell wie möglich klare Verhältnisse."