Von Januar bis Juli gab es bereits 521 Landungen nach 23 Uhr in Fuhlsbüttel. Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz sammelt Unterschriften

Norderstedt. Statt mehr Nachtruhe droht den Menschen in Norderstedt und den anderen vom Fluglärm betroffenen Städten und Gemeinden im Umland mehr Lärm aus der Luft. "Die Bundesregierung will das Luftverkehrsgesetz ändern und das Nachtflugverbot generell aufheben", sagt Hans Schwarz von der Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz (NIG). Die NIG sammelt weiter Unterschriften gegen die Pläne.

Hans-Walter Schmatz war für die Initiative nach Berlin gefahren, um mit zwölf Vertretern bundesweiter Bürgerinitiativen gegen Fluglärm im Bundeskanzleramt insgesamt 46 000 Protest-Unterschriften an den zuständigen Referatsleiter zu übergeben (wir berichteten). Nun will die NIG fleißig weiter sammeln und ihren Teil dazu beitragen, dass die magische Marke von 50 000 Unterschriften zusammenkommt.

Schmatz steht in engem Kontakt zu den Mitstreitern aus anderen Bundesländern und überlegt, ob die Gegner eines Luftverkehrs rund um die Uhr die Bundestagsfraktionen, eventuell auch die Parteien auf Länderebene, in ihren Widerstand einbeziehen sollten. "Immerhin besteht die Gefahr, dass unsere Unterschriften-Ordner im großen anonymen Bundeskanzleramt dahin dämmern und irgendwann verschwinden", sagt Schmatz, der sich durch Aussagen von Grünen-Chef Cem Özdemir bestätigt fühlt. Özdemir habe im TV gesagt, am Nachtflugverbot müsse festgehalten werden. Außerdem müsse der Luftverkehr mit den gleichen Steuern und Gebühren belastet werden wie andere Verkehrsträger auch.

Hier habe der Flughafen Hamburg erheblichen Nachholbedarf, sagen die Fluglärmgegner und verweisen auf die letzten Zahlen. Von Januar bis Juli gab es 521 Landungen nach 23 Uhr in Fuhlsbüttel, deutlich mehr als im Vorjahr. Im gesamten Jahr 2009 landeten 579 Maschinen nach 23 Uhr. Die Fluggesellschaften ignorieren die Nachtflugbeschränkungen zwischen 23 und 6 Uhr zunehmend. Zwischen 23 und 24 Uhr gilt die sogenannte Ausnahmeregelung, die Airlines können ohne Ausnahmegenehmigungen landen, müssen aber doppelte Landegebühren zahlen. In zwölf Fällen wurde Bußgeld verhängt, zwischen 150 und 180 Euro.

"Das sind doch Peanuts für die Fluggesellschaften, die sie gern in Kauf nehmen", sagt NIG-Sprecher Schwarz. Da sei deutlich mehr drin, und wenn fünfstellige Summen fällig würden, hätte das auch erzieherischen Wert.

Einen anderen Weg schlägt die Bundesvereinigung gegen Fluglärm vor. Sie will mit einem Antrag für die nächste Sitzung der Fluglärmschutzkommission ein Landeverbot für alle durchsetzen, die die Vorgaben ignorieren. Das soll für einzelne Flüge gelten, aber auch für Fluglinien insgesamt, wenn sie innerhalb von drei Monaten mit mindestens zehn Maschinen außerhalb des zulässigen Zeitfensters gelandet sind und der Luftaufsicht nicht spätestens 30 Minuten vor der voraussichtlichen Landezeit die "Unvermeidlichkeit der Verspätung" mitgeteilt haben. Die ist beispielsweise bei wetterbedingten oder technischen Problemen gegeben.

Die Bundesvereinigung verweist darauf, dass die Fluglärmschutzkommission einen entsprechenden Beschluss schon im Dezember 2006 gefasst habe. Anlass sei der massive Missbrauch der generellen Verspätungsregeln durch mehrere Fluggesellschaften gewesen. Angesichts der aktuellen Zahlen sei es nun nötig, Verstöße mit Landeverboten zu ahnden. Gespräche mit den Verspätungssündern, wie sie der Fluglärmschutzbeauftragte angekündigt habe, bringen nach Auffassung der Bundesvereinigung nichts. Auch nach dem Beschluss der Kommission Ende 2006 habe der Fluglärmschutzbeauftragte Gespräche geführt. "Ein nachhaltiger Erfolg war offenbar nicht zu verzeichnen, eine Neuaufnahme oder Wiederholung ist folglich ohne Sinn", heißt es im Antrag, der der Norderstedter Zeitung vorliegt. Wenn die für den Flughafen zuständige Hamburger Wirtschaftsbehörde wieder nur "sanktionslose Gespräche" führt, verliere sie entscheidend an Glaubwürdigkeit. Nur drastischere Maßnahmen wie Landeverbote könnten den Fluggesellschaften den "Ernst der Situation unmissverständlich deutlich machen".