Nach heftigem Streit steht der Grenzstein von 1782 wieder da, wo er hingehört - an der Ulzburger Straße 453

Norderstedt. "Dieser Stein hat eine Geschichte, die sich gut als Vorlage für einen Krimi eigenen würde", sagte Norderstedts Stadtpräsidentin Kathrin Oehme, als sie den Grenzstein Nummer 29 enthüllte. Der 750 Kilo-Brocken, 1,29 Meter hoch, hat nach langer Odyssee an seinen angestammten Platz zurückgefunden. Der Stein gehört zu einer Serie von insgesamt 33 steinernen Markierungen, die seit Ende des 18. Jahrhunderts die Grenze zwischen der Herrschaft Pinneberg auf der einen und den übrigen Dörfern auf der anderen Seite der heutigen Ulzburger Straße darstellten (s. Info-Kasten).

Die Grenze verlief entlang der heutigen Ulzburger Straße. Als Christian der Siebte, König von Dänemark und Herzog von Holstein, die Grenzsteine 1782 aufstellen ließ, war die viel befahrene Nord-Süd-Verbindung noch weit von einer Asphaltstraße entfernt. Pferdefuhrwerke und Ochsentreiber mussten sich über Sandwege quälen, die Regen oft genug in kaum passierbare Schlammpisten verwandelte. Die Straße mäanderte munter um die Herrschaftsgrenze herum. "An den meisten Stellen schrieb das Gelände Richtung und Verlauf der Strecke vor. In der Gegend von Ulzburg und auch weiter südlich hatte die Straße geradezu den Charakter eines Passes. Der Kisdorfer Wohld musste umgangen werden, ebenso die tiefen Wiesen am Oberlauf der Pinnau", schreibt Otto Kröger in der Chronik der Gemeinde Harksheide.

"Zum Stein mit der Seriennummer 29 existiert ein Setzungsprotokoll vom 23./24.Juli 1782", sagt Stadtarchivar Manfred von Essen. Als Ort ist angegeben "Bey den kurtzen Stücken". Von offizieller Seite waren für Garstedt der Vogt Hans Sellhorn und Heinrich Beermann anwesend. Für Tangstedt der Harksheider Vogt Hans Dibbern. Die "Baumänner", diejenigen, die die Arbeit erledigten, waren Peter Krohn, Gottfried Otto, Joachim Ellerbrock. "Das sind Namen, die zum Teil heute noch bekannt sind", sagt von Essen.

Der Stein hat eine wechselvolle Geschichte, nicht alle behandelten ihn seiner historischen Bedeutung entsprechend, und er wurde sogar zum "Stein des Anstoßes". 1984 begann der Streit um den steinernen Grenzposten. Die Stadt Norderstedt und der örtliche Heimatbund auf der einen und Tankstellenbesitzer Hans-Jürgen Fahrenkrog auf der anderen Seite behaupteten gleichermaßen, der Stein gehöre ihnen.

Auslöser des Disputs waren Bauarbeiten. Fahrenkrog hatte das Grundstück an der Ulzburger Straße, auf dem der Stein seit Jahren die Gartenanlage einer Tankstelle zierte, an eine Baugesellschaft verkauft. Die ließ die Tankstelle abreißen und ein Mehrfamilienhaus mit Läden errichten.

Anwohner wollen gesehen haben, wie Fahrenkrog, der auf der gegenüberliegenden Seite eine weitere Tankstelle betrieb, den 202 Jahre alten Stein mit einem Trecker über die Straße schleppen ließ. Er soll seinen Besitzanspruch damit gerechtfertigt haben, dass er den Stein in einer Sandkuhle ausgegraben und auf seinem ehemaligen Grundstücke aufgestellt habe.

Die Stadt und der damalige Vorsitzende des Heimatbundes, Heinrich Dumbries, sahen das anders: "Der Stein gehört der Allgemeinheit, wir werden um ihn kämpfen", gab Dumbries die Parole aus. Er berief sich auf Paragraf eins des Landes-Denkmal-Schutzgesetzes. Danach sei der Grenzstein ein Kulturdenkmal, dessen Erhalt im öffentlichen Interesse liege. Stadtpräsidentin Kathrin Oehme formulierte ebenso schlicht wie drastisch: "Der Stein wurde uns geklaut."

Zwar hatte Fahrenkrog angekündigt, den Streit vor Gericht klären zu lassen. Doch dazu kam es nicht. Vielmehr begann die lange Zeit der Gespräche, in die sich auch der damalige Norderstedter Bürgermeister Volker Schmidt einschaltete. "Es waren schwierige Verhandlungen, aber es ist uns gelungen, den Grenzstein wieder an seinen Originalplatz zu bringen", sagt Gerd Meincke, der immer wieder das Gespräch mit Fahrenkrog gesucht und großen Anteil am Erfolg hat.

Nun steht er wieder neben der Filiale der Sparkasse Holstein an der Ulzburger Straße 453, allerdings historisch etwas unkorrekt. Die Inschrift müsste nach Westen zeigen, zur ehemaligen Herrschaft Pinneberg. "Wegen der Lesbarkeit haben wir ihn gedreht", sagt von Essen. Die verblichenen Zeichen wurden mit gelber Kreide nachgezogen: HP (Herrschaft Pinneberg) C7 (Christian, der Siebte), 1782 aufgestellt, Grenzstein Nummer 29. Damit ist die Geschichte wieder zurechtgerückt.