Um den Posten des Sozialdezernenten in Norderstedt bewirbt sich der Mann, der das Dezernat in Schwerin leitete, als Lea-Sophie starb.

Norderstedt. Bei der Wahl des neuen Dezernenten ist eine Vorentscheidung gefallen. Die Kommunalpolitiker haben die 56 Bewerbungen für das Amt des Sozial-, Schul,- Kinder- und Jugenddezernenten gesichtet und sieben Kandidaten und Kandidatinnen in die engere Wahl genommen. Das Septett wird sich den Stadtvertretern in zwei nicht öffentlichen Sitzungen vorstellen und Werbung in eigener Sache machen.

Zum Favoritenkreis gehören zum einen die bekannten Kandidaten. Das sind GALiN-Stadtvertreterin Anette Reinders, 54, Manfred Stankat, 52, ehemaliger SPD-Bürgermeister von Boostedt und Leiter des Fachbereiches Kinder- und Jugendhilfe, Bildung und Kultur in der Kreisverwaltung in Bad Segeberg, die parteilose Norderstedter Juristin Ute Mährlein, 45, die weder politische noch Verwaltungserfahrung hat und von der FDP unterstützt wird, sowie Werner Schultz, 50, Bürgermeister von Trappenkamp.

Junghans sieht auch heute noch keine Versäumnisse des Jugendamtes

Im Rennen ist auch noch ein Mann, der vor fast drei Jahren bundesweit Schlagzeilen gemacht hat: Hermann Junghans, 45, leitete in Schwerin das Sozialdezernat, als die kleine Lea-Sophie im November 2007 auf tragische Weise gestorben ist . Die Eltern hatten ihre fünfjährige Tochter wochenlang vernachlässigt, das Kind ist verhungert und verdurstet. Die Eltern wurden zu Haftstrafen von jeweils elf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Schweriner Jugendamt, das Dezernatsleiter Junghans unterstand, ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Mitarbeiter.

"Das war ein Ereignis, was uns alle betroffen und traurig gemacht hat. Ich bin aber nach intensiven Untersuchungen und Gesprächen mit den beiden zuständigen Mitarbeitern zu der Erkenntnis gekommen, dass weder Personalmange noch organisatorische Fehler vorlagen. Die beiden sind zu einer Fehleinschätzung gekommen, die überall und immer wieder passieren kann und ihnen nicht vorzuwerfen ist", sagt Junghans, der auch damals öffentlich erklärt hatte, dass er keine Versäumnisse des Jugendamtes erkennen könne. Hermann Junghans bleibt im Amt, auch der damalige Schweriner Oberbürgermeister Norbert Claussen stellt sich zunächst vor die Mitarbeiter, räumt später aber "eklatante Mängel und organisatorische Versäumnisse" ein. Im Stadtparlament scheiterte die Abwahl von Junghans als Sozialdezernent, dennoch wechselt er den Aufgabenbereich und übernimmt das Dezernat Kultur und Ordnungswesen.

"Wir haben uns intern darauf verständigt, dass es sinnvoll ist, wenn ich während der internen Untersuchungen und staatsanwaltlichen Ermittlungen den Bereich Soziales nicht weiter verantworte", sagt Junghans. Der CDU-Mann macht keinen Hehl aus dem Fall und sucht eine neue Herausforderung.

Schwerin sei eine schrumpfende Stadt, die Prognosen sagten voraus, dass die Zahl der Einwohner in den nächsten zehn Jahren von jetzt 95 000 auf 85 000 sinkt. "Da wird es entsprechend schwierig, noch agieren und gestalten zu können", sagt der gelernte Tiefbauer und studierte Jurist. Da biete Norderstedt mit seiner soliden finanziellen Situation und als Teil der dynamischen Metropolregion Hamburg ganz andere Chancen. Ihn reizt besonders eine Aufgabe, die auch in Norderstedt an Bedeutung gewinnt: die Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Da könne er durchaus mit Erfolgen aufwarten. So habe die Bertelsmann-Stiftung die Landeshauptstadt als die Stadt mit höchsten und besten Betreuungsquote bundesweit ausgezeichnet. Da möchte Junghans in Norderstedt gerne weitermachen. Viel von der Stadt weiß er noch nicht, dennoch geht der Vater dreier Kinder optimistisch in die Vorstellungsrunden (s. Infokasten). "Es kann ja durchaus positiv sei, wenn jemand schon in anderen vergleichbaren Orten Erfahrungen gesammelt und mit einem unverstellten Blick von außen an die Aufgabe herangeht", sagt der Kandidat aus Schwerin, der gern im Norden bleiben möchte.

Aus Schleswig-Holstein kommen zwei weitere Bewerber, die zurzeit in vergleichbaren Positionen arbeiten. Die Namen werden nicht preisgegeben, um den Kandidaten eventuelle Nachteile in ihren jetzigen Jobs zu ersparen. Eine Bewerberin, die ebenfalls zu den Anhörungen eingeladen war, hat inzwischen abgesagt.

GALiN schickt nur die eigene Kandidatin Anette Reinders in die Vorentscheidung

Interessant, aber nicht verwunderlich ist, dass sowohl die CDU als auch die Linken in Norderstedt den Schweriner Dezernenten eingeladen haben. Beide Parteien haben auch im Stadtparlament der Landeshauptstadt zusammengearbeitet. Doch in der Norderstedter Stadtvertretung würde das ungewöhnliche Bündnis nicht reichen, um Junghans auf den verwaisten Dezernentenposten zu hieven. Eine Stimme fehlt zur Mehrheit. Ohnehin betonen beide, dass sie sich noch nicht festgelegt haben. Sie wollen die Anhörung abwarten. "Das gilt auch für uns", sagt Norderstedts SPD-Chefin Katrin Fedrowitz. Die SPD hat ihre Parteifreunde Stankat und Schulz sowie einen der externen Bewerber aus Schleswig-Holstein für die Kandidatenrunde nominiert, hegt aber auch Sympathien für GALiN-Kandidatin Anette Reinders.

"Wir bleiben bei dem, was wir kennen und schätzen. Wir halten es angesichts der bevorstehenden Aufgaben für angebracht, wenn der neue Dezernent oder die neue Dezernentin die Situation in Norderstedt kennt", sagt FDP-Fraktionschef Klaus-Peter Schroeder. Norderstedts Liberale wollen sich zwischen Mährlein, Stankat und Reinders entscheiden.

Klar ist die Position der GALiN: "Wir stehen zu unserer Kandidatin und haben auch nur sie eingeladen, weil sie einfach die beste ist", sagt GALiN-Sprecherin Maren Plaschnick.