Per Brief wird Doris Lazina ein Millionenvermögen versprochen. Dahinter steckt eine betrügerische Bande

Norderstedt. Der Brief machte Doris Lazina neugierig: Per Luftpost aus England und eine 60-Pence-Briefmarke der Queen - derartige Post landet nicht jeden Tag im Briefkasten der Norderstedterin. Ein Mitarbeiter der Shoko Chukin Bank Japan macht ihr darin ein Millionenangebot.

Ein gewisser Hubert Lazina soll 2001 die Summe von 7,8 Millionen Dollar auf ein Konto dieser Bank eingezahlt haben. Mr. Lazina sei aber bei einem Unfall ums Leben gekommen, Erben gebe es nicht. Nur die Namensvetterin aus Norderstedt. Sein Vorschlag: Die Hälfte der Millionensumme für Doris Lazina, die andere Hälfte für ihn. Klammheimlich, ohne jemanden zu schaden. Anderenfalls ginge das Geld an den Staat. Die Norderstedterin geht natürlich nicht auf das großzügige Angebot von Ayano Akimaro ein. Was aber steckt hinter diesem Angebot?

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein kennt derartige Fälle, für die es den Fachbegriff "Vorschussbetrug" gibt. E-Mails mit ähnlichen Inhalten werden ständig verschickt, kaum jemand bleibt davon verschont. In diesem Fall jedoch handelt es sich um eine offenbar neue Methode: Es ist bisher nicht bekannt, dass Briefe dieser Art per Post mit aufgeklebten Briefmarken verschickt werden.

Warum ein japanischer Banker ("Ich habe Frau und Kind!") einen Brief aus England schickt, wird ebenfalls erklärt: Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, habe er das Schreiben einem englischen Freund mitgegeben. "Hier wird Seriosität vorgegaukelt", sagt Thomas Hagen, Sprecher der schleswig-holsteinischen Verbraucherzentrale in Kiel.

Hagen warnt davor, ähnlichen Schreiben Glauben zu schenken: "Es läuft darauf hinaus, dass Interessenten gebeten werden, einen Vorschuss zu leisten, damit zum Beispiel ein Rechtsanwalt bezahlt werden kann." Das Geld ist weg, die versprochenen Millionen treffen nie ein.

Für die Betrüger ist das offenbar ein lohnendes Geschäft. "Es gibt wahrscheinlich immer Menschen, für die das Angebot so verlockend ist, dass sie darauf eingehen." Auch Doris Lazina hat einen Moment gezögert, bevor sie den Brief beiseitegelegt hat. Die englische Briefmarke, der Briefkopf mit der Telefonnummer und die real existierende Bank mit Sitz in Tokio haben sie nachdenklich werden lassen. "Das Geld hätten wir schließlich sehr gut gebrauchen können."

Betrügereien dieser Art sind schon lange bekannt: Vorschussbetrug per Briefpost hat es bereits im 16. Jahrhundert gegeben. Richtig bekannt wurde diese Methode jedoch erst mit dem Aufkommen von Fax und Internet. Es sind vor allem nigerianische Banden, die potenziellen Opfern ungewöhnliche Gewinne versprechen. Unter dem Begriff "Nigeria-Connection" agieren die Täter auch aus anderen Ländern - zum Beispiel aus England. Das System dieser Betrügereien zielt darauf ab, die Opfer zu einer Zahlung für verschiedene fiktive Kosten zu veranlassen. Oft sind die erfundenen Geschichten ausgesprochen abenteuerlich, aber immer geht es um Millionenbeträge.

Darauf fallen immer wieder Menschen hinein. Auch Behörden: Eine Stadt im Münsterland soll 2001 einem Sozialhilfeempfänger 145 000 Mark vorgeschossen haben, weil er einen Brief vorweisen konnte, in dem es um ein in Afrika festsitzendes Vermögen ging. Der Bürgermeister musste sich wegen Veruntreuung öffentlichen Geldes vor Gericht verantworten und verlor seinen Posten.

"Oft steckt aber auch eine Methode der Geldwäsche dahinter", weiß Thomas Hagen. Und das funktioniert so: Die Absender bitten darum, Geldsummen über ein Zwischenkonto des Betroffenen zu transferieren und versprechen eine Provision als Belohung. Thomas Hagen: "Tatsächlich stammt das Geld aus den Gewinnen krimineller Organisationen." Wer darauf eingeht, macht sich strafbar.

Das Bundeskriminalamt rät, E-Mails oder Briefe mit diesen Inhalten keinesfalls zu beantworten, keine Kontakte mit den Beteiligten aufzunehmen und einfach zu vernichten. Doris Lazina ging einen anderen Weg: Sie wandte sich an die Norderstedter Zeitung, um andere Menschen zu warnen. Wie aber sind die Betrüger an ihre Adresse gekommen? Thomas Hagen vermutet, dass die Norderstedterin irgendwann im Internet aktiv geworden ist. "Es ist einfach, an Adressenpools heranzukommen." Doris Lazina erinnert sich tatsächlich, einmal an einem Internetwettbewerb teilgenommen zu haben - wahrscheinlich wurde ihre Adresse weitergereicht.