Immer neue Probleme in der neuen Einsatzleitstelle der Polizei. Den Beamten fehlen Informationen, der Rettungsdienst muss aushelfen

Kreis Segeberg. Die Probleme in der Einsatzleitstelle der Polizei sind offenbar noch gravierender als bisher bekannt. Immer wieder stellen Rettungsdienst und Feuerwehr fest, dass die Kollegen aus der 110-Zentrale sich dort nicht auskennen, wo ihre Streifenwagen im Einsatz sind. "Wir müssen denen manchmal erklären, von welcher Wache die ein Auto zum Einsatzort schicken müssen", sagt ein Mitarbeiter der Rettungsleitstelle Holstein in Norderstedt, die für die 112-Notrufe im Kreis Segeberg zuständig ist. "Die Leute kennen sich nicht aus."

Im April hatte die Polizei ihre vier Leitstellen für die Kreise Segeberg, Pinneberg, Dithmarschen und Steinburg dichtgemacht und die Aufgaben in Elmshorn in der Leitstelle "Westwind" zentralisiert. Theoretisch sollen Datenbanken und digitale Karten für die Gegend zwischen Bad Segeberg und Büsum die Disponenten bei der Arbeit unterstützen, doch offenbar fehlen Informationen.

Mitarbeiter der Leitstelle Holstein können viele Beispiele aufzählen. Ein Anrufer meldete einen Unfall auf der B 206 beim Örtchen Rothenhahn und stürzt damit "Westwind" in große Verwirrung. Weder der Polizist noch sein Computer wussten, dass Rothenhahn zur Gemeinde Högersdorf gehört. Vor Kurzem meldete "Westwind" ein Feuer "zwischen Tangstedt und Duvenstedt an der Schleswig-Holstein-Straße". Tatsächlich brannte es in Norderstedt an der Straße Am Exerzierplatz.

"Wenn wir die Kollegen nicht unterstützen würden, würde mancher Einsatz den Bach runtergehen", sagt ein 112-Disponent. "Wir helfen, wo wir können. Die Kollegen tun uns leid." Allerdings fehlt manchem Retter das Verständnis dafür, dass einige Beamte immer noch nicht wissen, welche Aufgaben die Leitstelle Holstein hat. Ohnehin sind die Retter nicht gut auf einige hochrangige Polizeibeamte zu sprechen, die von einem "Qualitätsverlust" sprechen, weil die Leitstelle Holstein nicht ebenfalls nach Elmshorn umgezogen war. Die Kreise Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen wickeln seit wenigen Wochen im selben Gebäude wie "Westwind" ihre Rettungsdienst- und Feuerwehreinsätze ab.

Mehrfach hatte die Norderstedter Zeitung exklusiv über die Probleme berichtet, die seit dem Start von "Westwind" aufgetreten sind. Gestern lagen die Berichte bei Innenminister Klaus Schlie (CDU) auf dem Tisch. Mehrfach ist der Funk komplett ausgefallen, sodass die Streifenwagen per Handy dirigiert werden mussten. Die Zahl der Einsätze lag um 20 Prozent höher, weil das Konzept auf zehn Jahren alten Zahlen basierte. Folge: Das Personal musste aufgestockt werden. Computer wurden hoch gerüstet, weil die dem Einsatzaufkommen nicht gewachsen waren.

Auch er sei unzufrieden, räumte Joachim Gutt vom Landespolizeiamt in Kiel ein. Der ehemalige Leiter der Polizeiinspektion Segeberg ist Projektverantwortlicher für die neuen Leitstellen in Schleswig-Holstein und hat bereits an mehreren Krisentreffen in Elmshorn und Harrislee teilgenommen, wo die erste zentrale Leitstelle mit schweren Pannen ihren Betrieb aufgenommen hatte. Gutt betonte jedoch, dass in keinem Fall Hilfe zu spät gekommen sei, weil die Technik Probleme bereitet habe. Die größten Sorgen bereite der Polizei immer noch der Funk, sagte Gutt. Die Leitstellen sei für Digitaltechnik ausgerüstet, müssen aber wegen bundeseinheitlicher Vorgaben noch analog funken. Gutt bezeichnete die Analogtechnik als "schrottreif". Ersatzteile seien kaum noch erhältlich. Sie würden aus den alten Leitstellen beschafft.

Zweites Problem: Die Zusammenführung von Leitstellenkonzepten für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst habe für Störanfälligkeiten gesorgt. "Wir haben das unterschätzt", sagt Gutt.

Ein weiteres Problem: Die Kapazitäten wurden zu niedrig angesetzt. "Man kann Leitstellen nicht mit Durchschnittswerten bewerten", sagte Gutt. Wie berichtet, hatten sich die Einsätze um bis zu zwei Minuten verzögert, weil der Leitrechner bei hohem Einsatzaufkommen immer langsamer wurde. Inzwischen haben Techniker den Rechner aufgerüstet. Außerdem basierten die Personalberechnungen auf zehn Jahre alten Daten. Gutt: "Das wurde nicht fortgeschrieben."

Die Polizei arbeite mit mehreren zusätzlichen Spezialisten zusammen, um die Schwierigkeiten zu beheben. "Bis zu einem Routinebetrieb wird es noch ein wenig dauern", sagte Gutt.