SHMF-Konzert im European Surgical Institute von Johnson & Johnson war amüsant und lehrreich

Norderstedt. "Ich möchte etwas erzählen, was nicht einmal im Internet steht", sagte Vladimir Stoupel. Der Pianist und Moderator des Konzerts zum Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) im Ärzteausbildungszentrum von Johnson & Johnson in Norderstedt-Glashütte erzählte, warum und wie er mit seiner Ehefrau, der Geigerin Judith Ingolfsson, das Programm erarbeitete, wie die Komponisten zueinander standen, wie Franz Liszt und Frédéric Chopin zusammen arbeiteten, Szymon Laks auf Chopin reagierte, was Maurice Ravel mit Laks und Chopin verband.

Der 48-jährige Pianist und Dirigent setzte mit seiner Moderation eine Konzertform fort, die viele Besucher nervt, wenn nur das erzählt wird, was im Programmheft steht. Stoupel hingegen lobte das SHMF-Programmheft ausdrücklich. Und erzählte tatsächlich, was nicht in dem blauen Heft steht. Und im Internet höchstens auf seiner eigenen Seite ( www.vladimir-stoupel.com ).

"Ich wurde als Kind von meinen Eltern durch alle Galerien von Galizien geschleppt, zwecks Ausbildung. Am meisten interessierten mich die Porträts, sie machen Geschichten lebendig", sagte Stoupel. Heute präsentiert der vielfach ausgezeichnete Musiker mit seinen Programmen musikalische Porträts vieler Komponisten in Wort und Spiel. "Wir wollen den Geist und das Gesicht dieser Epoche in die Gegenwart bringen", sagte Stoupel.

Gleich mit den ersten Takten von Chopins und Liszts Nocturne "Meine Freuden" für Klavier zeigte der gebürtige Russe, der in Berlin lebt, eine wunderbare Anschlagkultur und innige Beziehung zur Komposition.

In Szymon Laks' Ballade "Hommage à Chopin" machte der Pianist hörbar, wie sich Laks an Chopins Musik herantastete. Stark im Zugriff, steigerte er sukzessive die Dramatik.

"Als Studenten war es ein Sport, den Minutenwalzer unter einer Minute zu spielen. Doch die sowjetischen Stoppuhren versagten, keiner hat es geschafft", plauderte Stoupel über Chopins "Minutenwalzer", um nachzusetzen: "Dabei aber geht die Schönheit dieser Musik verloren." Sprach's und spielte das berühmte Stück verführerisch mit einem suggestiv gestalteten Rhythmus. In Ravels "La Valse" arbeitete er eruptiv die starken Brüche heraus, machte die Verzweiflung und die erzwungene Ruhe von Ravels Erinnerung an den Ersten Weltkrieg hörbar.

Ehefrau Judith Ingolfsson gehörte der zweite Konzertteil, kongenial von Stoupel am Flügel begleitet. Die Geigerin aus Island rührte gleich mit Chopins Nocturne cis-Moll (posthum) mit einem klar ziselierten und doch schmelzenden Klang. Laks' verloren gegangene Fassung der "Trois pieces de concert für Cello und Klavier" hat sie für Geige und Klavier rekonstruiert. Entsprechend intensiv und authentisch war ihr Spiel. Tänzerisch, fantasievoll und mit feinem Humor kam der erste Satz. In "Romance" begeisterte ihr kristallklares Spiel mit einem traurig-schönen Gesang, während sie im letzten Satz den komischen Akzenten viel Raum ließ.

In Ravels Sonate für Violine und Klavier zeigte das Duo eine wunderbare Einheit. Ingolfsson arbeitete vor allem den leicht lapidar-resignativen Charakter des Blues heraus. Das aufrührerisch Balladeske der Komposition gelang derart gut, dass man meinte, Kurt Weills Seeräuber-Jenny würde singen. Eine Zugabe gab es nicht. Der fünf Monate alte Sohn Alan rief - und zwar lautstark.