Veranstalter kritisieren das neue Abrechnungssystem. Künstler begrüßen die neuen Tarife. Diskothekenbesitzer fürchten um ihre Existenz

Norderstedt. Ist die Gema der Totengräber von Clubszene und Kulturlandschaft? Oder doch nur ein Vertreter berechtigter Urheberinteressen, der auf eine angemessene Entlohnung seiner Klientel pocht? Zumindest haben die neuen Tarife der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte", also der Treuhänderin von Verwertungsrechten ihrer Mitglieder (Komponisten, Textautoren, Verleger), für einen Aufruhr gesorgt. Nicht nur bundesweit, sondern auch im Kreis Segeberg sind die ab 2013 gültigen Gebühren Thema intensiver Debatten unter Veranstaltern und Künstlern.

Einschneidend könnte sich auswirken, dass die bisherigen Pauschalsätze für Großveranstalter abgeschafft werden. Stattdessen soll jeder Öffnungstag einzeln abgerechnet werden - die Beträge erhöhen sich linear mit der Raumgröße und den Eintrittspreisen, zudem wird ab einer Dauer von über fünf Stunden ein Zeitzuschlag von 50 Prozent erhoben. Eine Koppelung an die tatsächliche Besucherzahl entfällt.

Für Rajas Thiele, Geschäftsführer der Norderstedter Mehrzwecksäle GmbH, ein Unding. "Es ist also allem Anschein nach egal, ob in einem 700 Quadratmeter großen Saal 50 oder 400 Personen die Musik hören", sagt er. "Das riecht nach Abzocke, die offensichtlich hinter dem Argument versteckt wird, dass durch die Änderungen alles einfacher werden soll."

Alleine in der "TriBühne" finden jährlich mehr als 200 Veranstaltungen statt - Theater, Comedy, Musicals, Opern. Für dort abgespielte Musik jeglichen Genres wird eine Summe an die Gema fällig. Doch es sind insbesondere Gala-Abende wie der "Ball der Kultur", das Oktoberfest oder die Abitur-Feiern, die nun laut Rajas Thiele gefährdet sind. Sollte beispielsweise ein Gymnasium seinen Ball 2013 in der "TriBühne" abhalten wollen, wären für die Band, einen DJ mit kopierten Tonträgern und 26 Euro Eintrittsgeld ein Gema-Tarif von 4186 Euro fällig - dies wäre eine Steigerung von 3145,01 Euro. Proportional ähnlich verhielte es sich bei einem DJ mit originalen Tonträgern (plus 2548,73 Euro), beim Kulturball (plus 1974,73 Euro) und beim Oktoberfest (plus 432,50 Euro).

Die Konsequenz wäre wohl, dass die jeweiligen Veranstalter den Saal nicht buchen würden und der "TriBühne" somit signifikante Einnahmeverluste entstünden. Rajas Thiele befürchtet sogar das "Aus für das kulturelle Leben in der Stadt Norderstedt und bundesweit".

Seitens der Gema wird argumentiert, dass das neue Schema gerechter sei und eine bisherige Bevorzugung etwa von Diskotheken wegfalle. Doch profitieren kleine Live-Klubs wie der "Music Star" am Harksheider Markt tatsächlich?

Miro Berbig, Vorsitzender der Fraktion Die Linke in Norderstedt und aktiv im Förderverein "Music-Werkstatt", bewertet den Streit moderater, ist jedoch ähnlich besorgt. "Da wir keinen Eintritt nehmen, sind wir schwer zu klassifizieren", sagt er. "Wir zahlen etwas mehr als 2000 Euro im Jahr an die Gema. Aber in Zukunft könnten wir schon Schwierigkeiten bekommen, die Anzahl unserer Konzerte aufrechtzuerhalten." Demnächst wolle man sich zusammensetzen und die möglichen neuen Kosten ausrechnen.

Uwe Lost, Bassist und Komponist von Truck Stop, ist seit 25 Jahren bei der Gema registriert und kann die Klagen nur bedingt nachvollziehen. "Wenn wir zum Beispiel in der Laeiszhalle auftreten, müssen wir auch an die Gema zahlen. Und ein Diskobetreiber verdient viel Geld mit geistigem Eigentum und sollte daher auch seinen angemessenen Obolus zahlen." Die alten Tarife seien nicht mehr zeitgemäß gewesen. "Die Pauschalbeträge für Diskotheken waren lächerlich", so der Countrymusiker aus Wilstedt. "Aber ich muss jetzt erst einmal abwarten, ob sich meine Tantiemen tatsächlich erhöhen."

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Das neue Modell wird nun mittels eines Schiedsstellenverfahrens beim Deutschen Patent- und Markenamt überprüft werden. Doch sollte bis 2013 keine Lösung gefunden sein, müssen die Betreiber zunächst die neuen Sätze bezahlen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, zu dessen Mitgliedern auch die "TriBühne" zählt, schließt juristische Schritte nicht mehr aus.