Eine Ausstellung in den ehemaligen Geschäftsräumen der Firma Wulff zeigt bis 13. Juli spektakuläre und erotische Kunst

Norderstedt. Die Schaufenster sind zugeklebt. Die Besucher sollten mindestens 18 Jahre alt sein. Eros und Sünde, Tod und Teufel regieren. Der Sündenpfuhl Norderstedt ist eröffnet, und das ausgerechnet in einem alten Möbelhaus mit geheimnisvoll verwinkelten Räumen, das Möbelhaus eines Leichenbestatters.

Anke und Sönke Wulff von Wulff & Sohn stellen das leer stehende Gebäude an der Segeberger Chaussee 48 für die Schau "Die sieben Todsünden" bereit und hatten sichtliches Vergnügen auf einer Vernissage, auf der es richtig zur Sache ging. Denn zu Erotik und Kunst rockte die Band Gulf Stream Cruisers mit Deo Kundeo, Frank Aichlseder, Roman Gilz und Pierre Hennig den neuen Song "Sieben Todsünden".

Stolz, Geiz, Neid, Zorn, Wollust und Unkeuschheit, Völlerei und Gefräßigkeit, Maßlosigkeit und Selbstsucht und die Faulheit sind die sieben Todsünden, und zwar exakt in dieser Reihenfolge.

Die Künstlerinnen und Künstler, die der Norderstedter Grafiker und Fotograf Roman Gilz für die Ausstellung gewinnen konnte, haben spannende Bildsprachen gefunden. Je nach Temperament und Gemüt mehr oder weniger drastisch, ernst oder satirisch.

Für Jürgen Bätz aus Norderstedt sind die Sünden der Menschen seit jeher ein Thema. Der Leiter des Kunstvereins Kettenwerk in Hamburg-Langenhorn prognostiziert in düsteren Szenarien die Selbstzerstörung der Menschen durch Hochmut, Zorn und Feuer. In seinem Werk "Hochmut" schaut ein Mensch, ein Narziss, blasiert auf die Betrachter herab.

Für Jürgen Bätz ist Julius Cäsar der Inbegriff aller Todsünden

Bätz inszeniert das Porträt als riesigen Kopf auf einem Körper, dessen schwarzweiße Schraffuren die Seelenlosigkeit symbolisieren. In "Götterdämmerung" lässt er den Dämon der Todsünde von der Kette, in "Zorn" lodert von wehrlosen Menschen gelegtes Feuer, Menschen, die durch andere zerstört wurden.

+++Politiker behalten die Finanzhoheit+++

"Diese marode Gesellschaft treibt Menschen in die Armut, und die, die ganz unten sind, wissen sich nur noch durch Feuerlegen zu wehren", sagt Bätz, nicht ganz frei von der Todsünde Zorn. Inbegriff aller Todsünden ist für ihn Julius Cäsar. "Er war selbst ernannter Diktator auf Lebenszeit, doch die endete abrupt, als Brutus, sein Ziehsohn, ihm den Dolch in den Leib rammte. Da muss er seine Todsünden erkannt haben", sagt Bätz. Das Bild dazu ist in der Schau zu sehen.

Keine Todsünde, aber eine gelungene Überraschung kommt auch aus Norderstedt. Sylke Ennen ist Podologin mit Praxis im Schmuggelstieg-Quartier und malt, "seit ich denken kann". Doch lange Zeit nahm der Beruf sie derart in Anspruch, dass sie die Kunst vernachlässigte. "Erst als mein Schwiegervater mir Pinsel und Farben schenkte, habe ich wieder gemalt", sagt Ennen. Groß hingelegte Frauen-Akte in morbiden Farben sind ihr Thema, und gern bringt sie die Selbstdarstellerin ins Bild, Frauen, die Wollust lieben und Unkeuschheit genießen. Ihre Titel sind prall, beispielsweise "Purple - Wie sie ihn faßte, ließ er sich ergreifen". Keinen selbst ernannten, sondern den Hirtengott Pan nahm sich Karl-Heinz Gilz vor, Vater des Organisators. Sein Hirtengott, mit starken Konturen gezeichnet, sieht aus wie Mephisto, ein arroganter Verführer, ein Narziss, ein Dämon mit roten Hörnern und wollüstigen Lippen.

Doch die wahre Porno-Show spielt immer noch auf dem Hamburger Kiez

Spielerisch stellt Angelika Wehnes-Stüve eine andere Art Dämon ins Sündenregister, die Fledermäuse, diese Gesellen der Finsternis, umgeistert vom mystischen Charme der Vampire. Die Künstlerin aus Schwerin hängte ihre Papier-Fledermäuse als Mobile auf und lässt sie - als Antwort auf die Todsünden - für den Frieden fliegen.

Peter Franck aus Stuttgart, der gerade mehrere Sony World Photography Awards gewann, macht die Betrachter seiner erotischen Fotografien zu Voyeuren, Malerin Hanne Moschkowitz aus Hamburg gestaltet äußerst delikate Stillleben und nennt sie genüsslich "Völlerei". Farbaggressive, provokante Gruftie-Fotografie bietet Consuelo Giorgi aus La Spezia in Italien. Spektakulär verfremdete Mediendesigner Deo Kundeo Röntgenaufnahmen von Gehirnen. Das Denkzentrum des Menschen - eine Todsünde?

"Es sind alles Freunde von mir, die hier ausstellen, und das passt alles gut zueinander", sagt Kurator Roman Gilz. Nur die unter 18-Jährigen, die kann er auch gern reinlassen und die Fensterscheiben wieder entkleiden. Denn die wahre Porno-Show spielt immer noch auf dem Hamburger Kiez.

"Die sieben Todsünden" sind bis Freitag, 13. Juli, mittwochs bis sonntags von 14 bis 19 Uhr im alten Wulffschen Möbelhaus an der Segeberger Chaussee 48 zu sehen. Eintritt frei.