Der Tierschutzverein Westerwohld verlässt wegen einer Debatte um umstrittenen Handel mit polnischen Hunden den Deutschen Tierschutz-Bund.

Henstedt-Ulzburg. Der Tierschutzverein Westerwohld, der jahrelang Handel mit Hunden aus Polen betrieb, ist aus dem Deutschen Tierschutz-Bund (DTSchB) ausgetreten. Er ist jetzt Mitglied eines anderen Dachverbandes - des Landestierschutzverbandes Schleswig-Holstein (LTV). Damit ist der Vereinsvorstand ganz offensichtlich unbequemen Fragen aus dem Weg gegangen.

"Wir hatten von Verstößen gegen die Grundsätze des Deutschen Tierschutz-Bundes erfahren", sagt DTSchB-Sprecher Marius Tünte dem Abendblatt: "Diesen Meldungen wollten wir nachgehen und baten deshalb den Tierschutz Westerwohld um eine Stellungnahme. Eine zufriedenstellende Antwort kam nicht. Daraufhin haben wir mit Konsequenzen gedroht. Kurz danach hat Westerwohld von sich aus die Mitgliedschaft gekündigt. Beitragsrückstände haben wir erlassen."

2010 waren im Tierheim 74 Hunde aus dem Ausland untergebracht

Auf der Westerwohld-Homepage, redigiert und betreut von der Vereinsvorsitzenden Sylvia Rückert, heißt es: "Wir haben uns bemüht, unserem Tierheim den Beistand eines großen, anerkannten Dachverbandes zu sichern, der uns bei praktischen Fragen des Tierschutzes, bei veterinärrechtlichen Problemen und Verhandlungen mit Behörden und Kommunen angemessen den Rücken stärken kann." Kein Wort zu den Vorwürfen des Tierschutz-Bundes, dem der Verein seit 2005 angehörte, warum man ihn verlassen habe.

Im Jahr 2010 waren im Tierheim Westerwohld insgesamt 121 Hunde untergebracht, 74 kamen aus dem Ausland. "Es war schrecklich, die armen Hunde spätabends von den Lastwagen zu holen", klagte die ehemalige Tierheim-Mitarbeiterin Jaqueline T. "Ich weiß von Welpen aus Polen, die krank waren und kurz nach ihrer Ankunft starben."

+++ Griff nach dem Rettungsanker +++

Die polnischen Fahrer kassierten, so ein ehemaliges Vorstandsmitglied, zwischen 30 und 50 Euro pro Hund. Für 250 und 300 Euro wurden die Tiere an deutsche Hundefreunde vermittelt.

Als der DTSchB-Landesvorsitzende Holger Sauerzweig-Strey voriges Jahr erfuhr, dass polnische Hunde angeblich auch zu deutschen Fundtieren umdeklariert wurden, um sie besser vermarkten zu können, sagte er in einem Interview: "Solche kriminelle Energie der Fälschung von Urkunden muss den Verantwortlichen in aller Deutlichkeit durch unser Rechtssystem klargemacht und zukünftig verboten werden."

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig hat jetzt den Praktiken gemeinnütziger Tierheime wie Westerwohld einen Riegel vorgeschoben. In einem Grundsatzurteil (AZ: 1 A 31/10) wurde festgelegt, dass die Vermittlung von Auslandshunden als Gewerbe gilt und steuerlich entsprechend behandelt werden muss.

Der Tierschutzverein Westerwohld hat auf das Urteil überraschend schnell reagiert. Bei der nichtöffentlichen Mitgliederversammlung Ende März im Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg teilte der Vorstand mit, man besitze nun eine Genehmigung zur Hundevermittlung aus dem Ausland.

Der Zweckverband erwartet Antworten von Vereinschefin Sylvia Rückert

Der Verein fühlt sich unter der Obhut seines neuen Dachverbandes offenbar wohl. "In der sehr jungen Kooperation hat unser Tierheim bereits eine kostenfreie Sachhilfe bekommen, die von bemerkenswerter Großzügigkeit ist", heißt es auf der Homepage. Moderne Entkeimungsgeräte, in vielen Tierheimen längst Standard, sollen "demnächst" in den Quarantäneräumen und Innenraum-Zwingern für mehr Luftreinigung sorgen und die Hygienemaßnahmen deutlich verbessern. Mit dem Tierheim Westerwohld beschäftigt sich auch Landwirt Klaus Brakel. Der Bürgermeister von Kampen/Nützen ist seit Ende Oktober 2011 der Stellvertreter des Zweckverbands-Vorsitzenden Torsten Thormählen und führt derzeit die Amtsgeschäfte. Westerwohld ist zuständig für die Aufnahme von Fundtieren aus Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Norderstedt, Amt Kisdorf, Ellerau und Kaltenkirchen-Land. Diese Städte und Gemeinden sind im Zweckverband Fundtiere Segeberg West zusammengeschlossen.

"Die Vereinsvorsitzende Sylvia Rückert wollte sich nach Ostern mit mir treffen", sagt Brakel. "Aber ich höre nichts mehr von ihr. Jetzt werde ich Druck machen. Sollte wegen der Vermittlung von Auslandshunden im Tierheim Westerwohld nicht genügend Platz für deutsche Fundtiere bleiben, wäre das nicht in Ordnung."

Ähnlich äußerte sich Joachim Gädigk, Chef des Ortsamtes der Gemeindeverwaltung Henstedt-Ulzburg: "Das Tierheim ist laut Vertrag vorrangig mit Fundtieren zu belegen und nicht mit Auslandshunden."

Der Tierschutzverein Westerwohld erhält vom Zweckverband Fundtiere eine jährliche Kostenpauschale von 52 735 Euro. Das reiche, so der Vereinsvorstand, nicht zur Kostendeckung. Weitere Zuschüsse hat Torsten Thormählen abgelehnt.

Der vorerst suspendierte Bürgermeister hatte mehrfach detaillierte Angaben zum Thema "Abgabe-Fundtiere" angemahnt. Die seien laut Vertrag mit den Tierschützern für eine transparente Kostenkalkulation notwendig. Diese Forderung erfüllt Westerwohld aus "vereinsinternen Gründen" nicht.

Die Vereinsvorsitzende Sylvia Rückert war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.