Die bestehende 220-Kilovolt-Leitung soll im Kreis Segeberg bis 2017 durch eine 380-Kilovolt-Leitung ersetzt werden. Baubeginn 2014.

Norderstedt. Der beschleunigte Atomausstieg infolge der Fukushima-Katastrophe ist folgerichtig und der Umstieg auf erneuerbare Energien mit Weitsicht verbunden. Soweit besteht ein gesellschaftlicher und politischer Konsens in Deutschland. Doch damit dieser Paradigmenwechsel langfristig gelingt, muss neue Infrastruktur mittels adäquater Stromnetze geschaffen werden. Denn um den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bundesweit maßgeblich zu erhöhen, müssen diese in die Regionen transportiert werden. Aufgrund der sukzessiven Abschaltung von Atomkraftwerken wird Strom schließlich mittelfristig nicht mehr dort erzeugt, wo er auch verbraucht wird.

Off-Shore-Windparks in Schleswig-Holstein oder Dänemark versorgen somit die Industrie im traditionell verbrauchsstärkeren Westdeutschland, Baden-Württemberg oder Bayern - so sieht die Zukunftsvision aus. Heruntergebrochen auf den Kreis Segeberg bedeutet dies, dass aktuell zwischen der Grenze zu Neumünster und der Grenze zu Hamburg eine neue Transitleitung vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT geplant wird. Um für die ansteigenden Megawatt-Zahlen gerüstet zu sein, soll die bestehende 220-Kilovolt-Leitung bis 2017 durch eine 380-Kilovolt-Leitung ersetzt werden. Es wird sich allerdings nicht vermeiden lassen, dass weiterhin mehrere Kommunen entlang des Verlaufs "berührt" werden. Die wachsende Zahl involvierter Interessen lässt die Frage offen, wann der Neubau unter welchen Bedingungen beginnen kann.

Bisher verläuft die Leitung östlich von Kaltenkirchen, indes direkt durch Henstedt-Ulzburg und Kisdorf. Dies wäre die Variante "3" - ein Neubau der Bestandstrasse mit einer Umgehung Kisdorfs ("3a"). Gleichwohl bietet TenneT eine Verlegung an. So könnte entlang der A 7 gebaut werden (Variante "4"). Optional sind Anbindungen an die Autobahn nördlich von Schmalfeld ("4a) oder nördlich von Kaltenkirchen ("4b") sowie eine sogenannte Entwicklung von Kaltenkirchen und Nützen ("4c").

Innerhalb der Gemeinden gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Horst Oswald, Vorsitzender des Umwelt- und Planungsausschusses in Henstedt-Ulzburg, sagt: "Wir favorisieren ganz deutlich die Trasse entlang der Autobahn. Es gibt die Möglichkeit, Masten über unserem Gemeindegebiet loszuwerden."

Die jetzige Trasse durchschneidet Wohn-, Sport- und Schulanlagen. Bei den Bürgern wächst indes die Skepsis, ob dieses Thema auch ohne hauptamtlichen Bürgermeister angemessen behandelt wird. Der beurlaubte Torsten Thormählen war Initiator von Gesprächen mit den Nachbargemeinden.

In Kisdorf spricht sich Bürgermeister Reimer Wisch ebenfalls für eine Verlegung der Trasse aus. "Wenn diese neu gebaut wird, dann ist sie entlang der A 7 besser aufgehoben, weil weniger Menschen berührt würden. Aber ich kann verstehen, wenn sich in Kaltenkirchen Widerstände aufbauen."

Dort sagt Hans-Joachim Scheer, Leiter der Bau- und Planungsabteilung: "Es wäre am besten, wenn es so bleiben würde, wie es jetzt ist. Aber wir erklären uns solidarisch mit Henstedt-Ulzburg und Kisdorf - wir können mit der Trasse entlang der Autobahn leben." Die Kaltenkirchener Verwaltung hat als Bedingung gestellt, dass das Dodenhof-Areal nicht tangiert wird und die Trasse nicht östlich der A 7 verläuft. Darüber hinaus lässt sich aber nicht kalkulieren, inwiefern andere Unternehmen und Bürger bei Bürgermeister Hanno Krause vorstellig werden mit der Forderung, die Variante "4" gänzlich abzulehnen.

Pro Kaki lehnt eine überirdische Leitung westlich von Kaltenkirchen ab

Die Bürgerinitiative Pro Kaki steht einer überirdischen Leitung westlich von Kaltenkirchen ablehnend gegenüber. "Sollten wir die Belastungen hinnehmen? Sind sie notwendig?", fragt der Vorsitzende Rainer Bundschuh. Es bestehen Sorgen hinsichtlich der Gefährdung für die Gesundheit der Anwohner durch elektromagnetische Felder. Der Grenzwert in Deutschland beträgt 100 Mikrotesla und ist somit höher als in manch anderem europäischen Land (Schweiz, Niederlande: je 1 Mikrotesla). Ob das Krebsrisiko für die jeweiligen Anwohner einer Höchstspannungsleitung steigt, darüber gibt es noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse. Pro Kaki spricht sich für eine Erdkabelleitung oder zumindest Mischvarianten aus. Dies lehnt TenneT ab unter Verweis auf den Stand der Technik. Bisher gibt es lediglich Pilotprojekte für unterirdische Leitungen mit 380 Kilovolt. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Abstand von mehreren hundert Metern zu Wohn- und Gewerbegebieten. Hier gibt es jedoch, anders als bei Naturschutzgebieten (300 Meter), keine gesetzlichen Vorgaben.

"Unser Ziel ist, dass die Mehrheit der Bürger zufrieden ist. TenneT will den Vorwurf verhindern, dass wir keine Lust hätten, mit den Leuten zu reden." Dies sagt Alexander Greß, zuständig für die Projektkommunikation in Schleswig-Holstein. TenneT hat in Kaltenkirchen (Holstenstraße 12, 1. OG) ein Büro eingerichtet, in dem Bürger Anregungen und Wünsche äußern können. Dieses ist montags, mittwochs und donnerstags von 14 bis 19 Uhr geöffnet und telefonisch unter 04191/509 99 90 erreichbar. Zudem werden im April vier öffentliche Infoveranstaltungen stattfinden. Die genauen Orte und Zeiten werden Anfang April auf der Internetseite von TenneT bekannt gegeben.

Die Kosten werden zwischen 80 und 90 Millionen Euro betragen

In einem gewissen Rahmen können Vorschläge berücksichtigt werden - beispielsweise, wenn es um die Versetzung eines Mastes um 20 Meter geht. Im Detail soll auf der 70 bis 75 Kilometer langen Trasse alle 400 bis 600 Meter ein Mast errichtet werden. Die Kosten werden zwischen 80 und 90 Millionen Euro betragen.

Derzeit laufen die Prüfungen zur Umweltverträglichkeit aller Varianten. Im Spätsommer/Herbst soll das Planfeststellungsverfahren beginnen. TenneT wird alle möglichen Trassenverläufe einreichen, das Landesamt für Bauen und Verkehr hat dann das letzte Wort. Wie Greß erklärt, wäre ein gemeinsames Bekenntnis aller Gemeinden am hilfreichsten. Denn sollte es zu viele Neubetroffene geben bei Variante "4", wird das Landesamt als Konsequenz nur einen Neubau auf der Bestandstrasse genehmigen.

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