In Pinneberg treffen sich einmal im Monat Angehörige, die ihre Liebsten verloren haben. Auch Hinterbliebene aus Kreis Segeberg willkommen.

Dagmar L. und Ronald B. haben zwei liebe Menschen verloren. Der Ehemann der Frau und der Sohn des Mannes haben sich das Leben genommen. Die Zurückgebliebenen fühlen sich ohnmächtig, trauern und müssen gleichzeitig Schuldgefühle, Sinnkrisen und viele andere Probleme bewältigen. Das gelingt ihnen auch dank einer Gruppe, die sich regelmäßig jeden dritten Freitag im Monat in Pinneberg trifft. Das nächste Mal am 20. April.

"Meine Frau hat im Internet nach Selbsthilfegruppen gesucht, so sind wir auf Agus gestoßen", berichtet Ronald B. Agus ist die Abkürzung für Angehörige um Suizid. Die erste Gruppe mit diesem Namen hatte Emmy Meixner-Wülke im Jahr 1989 in Bayreuth gegründet. 2008, als der Sohn von Ronald B. aus dem Leben schied und das Lebensgefüge der Familie zusammenzubrechen drohte, gab es diese Gruppe nur in Hamburg. "Wir haben dort viel Hilfe gefunden", erinnert sich Ronald B.

Im Freundes- und Bekanntenkreis war das nicht so einfach. "In so einem Fall trennen sich schnell Spreu und Weizen", sagt B. Aber er weiß: "Für Außenstehende ist es schwierig nachzuvollziehen, welche Gefühle die Hinterbliebenen durchleben, wie sie mit eigenen Schuldgefühlen zurechtkommen." In der Gruppe hingegen kommen sie ausschließlich mit Menschen zusammen, die ähnliche Traumata verarbeiten.

Viele Betroffene "funktionieren" nach dem Unglück. "Ich weiß gar nicht, wie ich das die ersten Tage gemacht habe", erzählt Ronald B. Auch Dagmar L. erging es so. Sie hatte ihren Mann verloren und hielt sich daran fest, für ihre beiden Söhne, damals 18 und 22 Jahre alt, stark zu sein. In der Gruppe, ebenfalls zuerst in Hamburg, durfte sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, erzählen, weinen oder einfach nur zuhören.

Froh waren Dagmar L. und Ronald B., als sich im Kreis Pinneberg eine eigene Gruppe bildete. Ute Sabine Eckhardt, Koordinatorin des kreisweiten Hospizdienstes, ermunterte Dagmar L., die Pinneberger Gruppe mitzugründen und zu leiten. Dagmar L. war bis zum Tod ihres Mannes ehrenamtlich im Hospizdienst aktiv gewesen. Die Selbsthilfegruppe ist auch Anlaufstelle für Interessierte aus dem Kreis Segeberg, weil es hier kein vergleichbares Angebot gibt.

Neben der Selbsthilfegruppe haben Dagmar L. und Ronald B. professionelle Hilfe angenommen. Doch die Gesprächstherapie bedeutete ihnen weniger als das Miteinander der Betroffenen. Auch Hilfen, um den Alltag zu bewältigen, lassen sich gut untereinander austauschen. Behördengänge werden leichter, Anträge für Witwen- und Halbwaisenrenten können sicherer ausgefüllt werden.

Gemeinsam lassen sich die psychischen Lasten der Hinterbliebenen leichter tragen. "In unserer Gesellschaft gibt es zu wenig Akzeptanz gegenüber psychischen Erkrankungen", meint Ronald B. Der Verlust eines lieben Angehörigen nach schwerer Krankheit oder einen Unfall werde von der Gesellschaft anerkannt. Wenn jemand sein Leben nicht meistern könne, gelte er hingegen als schwach, und die Familie als Schutzraum habe wohl versagt.

In der Gruppe finde jeder seinen Platz, werde jeder so respektiert, wie er ist. "Eins ist uns dabei wichtig: Was hier erzählt wird, bleibt unter uns, ist vertraulich", sagt Ronald B. Die Treffen sind offen. Es besteht keinerlei Verpflichtung. Dagmar L, die gemeinsam mit Ronald B. die Pinneberger Gruppe leitet, berichtet: "Manche kommen kurz nach dem traurigen Ereignis, manche bleiben längere Zeit weg, aus welchem Grund auch immer. Manche benötigen mehrere Jahre, bis sie sich einer Selbsthilfegruppe anschließen. Jeder ist jederzeit willkommen, egal ob er reden mag oder schweigen."

Agus-Bundesgeschäftsstelle, Markgrafenallee 3a, 95448 Bayreuth, www.agus-selbsthilfe.de , E-Mail: kontakt@agus-selbsthilfe.de , Telefon: 0921/150 03 80. Ute Sabine Eckhardt, E-Mail: hospizgruppe-pinneberg@web.de , Telefon: 04101/856 55 10. Dagmar L., E-Mail: ramgad@sh-home.de , Telefon: 04101/51 28 29. Ronald B., E-Mail: buttella@foni.net , Telefon: 04123/68 50 19.