Nach Beschluss des Landtags sollen Städte und Gemeinden entscheiden, ob sie die Bürger für den Ausbau von Straßen zur Kasse bitten.

Kreis Segeberg. Die Anlieger der Theodor-Storm-Straße in Henstedt-Ulzburg haben auf dieses Signal aus Kiel gewartet - jetzt sehen sie einen Hoffnungsschimmer: Möglicherweise müssen sie sich an den Kosten für den Straßenausbau nicht beteiligen. Denn der Landtag in Kiel hat beschlossen, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein künftig selbst entscheiden können, ob sie die Anlieger an den Kosten für den Straßenausbau beteiligen oder die Kosten auf alle Einwohner des Ortes umlegen.

Norderstedts Baudezernent Thomas Bosse weist darauf hin, dass es sich dabei um den Ausbau und nicht um die Erschließung handelt. Erschließungskosten entstehen immer dann, wenn neue Gewerbe- oder Wohngebiete an das Straßennetz angeschlossen werden. Beim Ausbau hingegen werden Straßen, die noch nicht endgültig hergestellt sind, optimiert, bekommen beispielsweise einen soliden Unterbau, eine neue Asphaltdecke, Geh- und Radwege.

Immer wieder gehen Anwohner auf die Straße, weil sie sich dagegen wehren, dass Städte und Gemeinden Straßen auf ihre Kosten sanieren. Sie kritisieren einen "Luxusausbau" oder protestieren gegen die Einstufung der Straße. Davon hängt der Anwohneranteil ab. Je mehr Durchgangsverkehr eine Straße aufnimmt, desto mehr Kosten übernimmt die Kommune. Bei einer reinen Anliegerstraße können schon mal 90 Prozent auf die Anwohner zukommen, Summen, die bei großen Grundstücken auch schon mal den fünfstelligen Bereich erreicht haben und so manchen Rentner sorgenvoll in die Zukunft blicken ließen.

+++ Anlieger müssen nicht mehr beteiligt werden +++

So waren bei der Sanierung der Parallelstraße vor sechs Jahren für einzelne Anwohner bis zu 25 000 Euro im Gespräch. Protest gab es auch vor zehn Jahren, als die Anlieger des Langenharmer Weges nicht zahlen wollten, weil der Ausbau nicht nur das Haushaltsbudget belastet, sondern ihnen auch noch mehr Verkehr beschert.

Im nächsten oder übernächsten Jahr steht nun der Ausbau der Theodor-Storm-Straße im Ortsteil Henstedt-Rhen an. Im Grunde haben die Anlieger nichts dagegen, trotzdem hadern sie mit ihrem Schicksal. Denn diese Straße ist längst keine reine Anliegerstraße mehr: Hier gibt es eine Grundschule, einen Kindergarten und einen stark frequentierten Sportplatz. Die Allgemeinheit nutzt die Straße also ebenso stark wie die Anlieger. 75 Prozent der Ausbaukosten müssten die Anlieger nach dem bisher geltenden Ortsrecht bezahlen - das aber wollen sie nicht.

Auch die Anlieger der Wilstedter Straße im Ortsteil Rhen sind hellhörig geworden: Diese Kreisstraße soll ebenfalls in den nächsten zwei Jahren ausgebaut werden. Der Wege-Zweckverband ist dafür zuständig, aber 40 Prozent der Kosten müsste die Gemeinde Henstedt-Ulzburg zahlen, die wiederum einen Teil von den Anliegern eintreiben will.

Die protestieren: Der schlechte Zustand der Straße ist vor allem auf die Bauarbeiten an der Paracelsus-Klinik zurückzuführen. Schwere Lkw haben erhebliche Schäden auf der Fahrbahn verursacht. Zudem ist die Wilstedter Straße längst keine Anliegerstraße mehr, weil sie morgens von vielen Autofahrern als Abkürzung in Richtung Hamburg und abends in umgekehrter Richtung genutzt wird. In der Tempo-30-Zone sind Geschwindigkeiten von 80 Stundenkilometern und mehr die Regel.

Die Gemeinde hat es in der Hand, die Anlieger beider Straßen - und künftig auch die Anlieger anderer Straßen, die ausgebaut werden müssen - zu entlasten. "Wir machen uns Gedanken, weil wir für die Anlieger dieser beiden Straßen eine gewisse Härte sehen", sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Folker Brocks. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Die SPD will das Gespräch mit den Anliegern beider Straßen suchen, sieht aber grundsätzlich auch Probleme mit der neuen Regelung. "Die Situation von Kommunen wird erschwert, wenn die Bürger sehen, dass in Nachbargemeinden anders entschieden wird", sagt Horst Ostwald, Chef der SPD-Fraktion. Die Thematik werde in der SPD-Fraktion zurzeit erörtert.

Tatsächlich würden die Nachbarn neidvoll nach Henstedt-Ulzburg blicken, wenn dort die Anwohner tatsächlich nicht mehr zahlen müssten. Denn in Norderstedt steht fest: "Wir werden und können von der gültigen Regelung nicht abweichen", sagt Baudezernent Thomas Bosse. Würde die Stadt künftig die Ausbaukosten tragen, sei das ungerecht gegenüber denen, die in der Vergangenheit schon gezahlt hätten. Gerade in größeren Gemeinden oder Städten seien die Investitionen so hoch, dass sie unmöglich aus den kommunalen Haushalten bezahlt werden könnten.

Bosse verweist auf eine Stellungnahme des Städteverbandes und Landkreistages Schleswig-Holstein, die die Änderung ablehnen. "Derjenige, der eine kommunale Leistung in Anspruch nimmt, soll auch die Kosten des wirtschaftlichen Vorteils tragen. Damit soll vermieden werden, dass begünstigende Leistungen für nur einen kleinen Kreis der Bevölkerung aus allgemeinen Deckungsmitteln (Steuern) finanziert werden", heißt es da. In Bad Bramstedt, Kaltenkirchen, Ellerau und Tangstedt sind noch keine Entscheidungen zur Neuregelung gefallen.